Zum Inhalt springen Zur Navigation springen
BGH schränkt Datenverarbeitung durch Facebook ein

BGH schränkt Datenverarbeitung durch Facebook ein

Pünktlich zum Ende des zweiten Quartals, und somit noch vor einem möglichen Sommerloch, gibt es wieder etwas Neues in Sachen Facebook. Dieses Mal geht es um einen länger schwelenden Konflikt zwischen dem Social-Media-Riesen und dem Bundeskartellamt (BKartA). Vorläufiger Höhepunkt ist nun eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH).

Was ist passiert?

Im Februar 2019 flatterte bei Facebook ein Briefumschlag ein. Darin befand sich eine Verbotsverfügung von einem Bundesamt. Böse Zungen würden behaupten, dass das ja nichts Ungewöhnliches ist. Ungewöhnlich – und somit interessant – war aber, dass es sich dabei um eine Verbotsverfügung vom Bundeskartellamt handelte. Darin hatte die Behörde Einwände dagegen erhoben, wie Facebook Daten über Personen aus Anwendungen von Drittanbietern – einschließlich WhatsApp und Instagram – zusammenführt und Personen, die keine Konten haben, über Facebook-„Gefällt mir“ oder „Teilen“-Buttons online verfolgt. Gleiches gelte auch für das Sammeln von Daten von Websites Dritter und deren Zuweisung an Facebook. Ohne eine solche Zustimmung müsste Facebook das Sammeln und Verknüpfen von Daten erheblich einschränken.

Gegen die Verbotsverfügung ging Facebook gerichtlich vor. Die Sache wurde dem Oberlandesgericht Düsseldorf vorgelegt, das Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung äußerte. Es ordnete daher die Aussetzung der Verfügung an und legte die Sache dem BGH vor (Beschl.v. 26.08.2019, Az. VI-Kart 1/19 (V)).

Wieso überhaupt das Bundeskartellamt?

Diese Frage mag sich so mancher Leser wohl stellen. Auch Datenschützer kommen nicht um diese Frage herum. Das BKartA, wie der Name es schon nahelegt, ist nämlich eine Wettbewerbsbehörde und hat von Hause aus wenig mit Datenschutz zu tun. Auf der eigenen Webseite definiert es seine eigene Tätigkeit wie folgt:

„Aufgabe des Bundeskartellamtes ist in erster Linie die Anwendung und Durchsetzung des GWB und damit der Schutz des Wettbewerbs in Deutschland. (…):

  • die Durchsetzung des Kartellverbots
  • die Fusionskontrolle
  • die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende bzw. marktstarke Unternehmen
  • die Überprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes
  • Verbraucherschutz“

Das Bundeskartellamt ist, um es auf den Punkt zu bringen, der Hüter des fairen Wettbewerbs im deutschen Marktsystem. Datenschutz steht da eigentlich nicht auf dem Plan.

Das Monopol Facebook

In einer freien Marktwirtschaft ist es das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, das darüber entscheidet, welche Waren und Dienstleistungen zu welchen Preisen und Qualitäten ausgetauscht werden. Der Wettbewerb führt zu Auswahl- und Ausweichmöglichkeiten, was Kunden oder Lieferanten erfreut und für einen lebhaften Markt sorgt. Bei Facebook ist das BKartA jetzt eingeschritten, weil Facebook seinen Nutzern keine Wahl lässt. Wer dabei sein will, muss zustimmen, dass das Unternehmen Daten sammelt und zusammenführt.

Für die obersten Wettbewerbshüter fehlt es am Merkmal der Freiwilligkeit. Damit ist dies auch nicht im Sinne der DSGVO, die eine ausdrückliche Zustimmung verlangt. Jeder Internetnutzer kennt das, wenn er gefragt wird, ob Cookies gesetzt werden dürfen. Aus Sicht des Kartellamtes missbraucht Facebook seine überragende Stellung am Markt, denn Nutzer können praktisch nicht auf Alternativen ausweichen.

Der BGH gibt dem BKartA recht

Der Bundesgerichtshof hat, überraschend deutlich, die Aussetzungsanordnung des OLG Düsseldorf aufgehoben. Der zuständige Senat am BGH stützt somit die Auffassung des Bundeskartellamts. Er begründet seine Entscheidung damit, dass es keine ernsthaften Zweifel gäbe, dass Facebook in Deutschland eine marktbeherrschende Stellung innehabe und dass es die vom Kartellamt verbotenen Geschäftsbedingungen missbraucht habe.

„Facebook muss den Nutzern die Möglichkeit geben, weniger über sich selbst preiszugeben – vor allem das, was sie außerhalb von Facebook preisgeben“,

so der vorsitzende Richter Meier-Beck.

Der vorliegende Fall zeigt wie das Datenschutzrecht sich mit anderen Rechtsgebieten verzahnen lässt. Als Einfallstor in den Datenschutz dient hier das Kartell- und Wettbewerbsrecht. Dabei geht es einerseits um eine rechtlich hochinteressante aber gleichzeitig komplexe juristische Fragestellung, deren Beantwortung weitreichendere Auswirkungen haben kann. Denn Deutschland ist das erste Land, das untersucht, ob die Datenmarktbeherrschung ein kartellrechtliches Problem darstellt. Im Bereich des Kartellrechts betritt man somit totales Neuland.

Was heißt das für den Nutzer?

Anderseits ist es auch aus Sicht der Nichtjuristen ein interessanter Fall. Facebook ist im Alltag dauerhaft gegenwärtig und die Verarbeitung von Daten wird immer umfassender. Eine Einschränkung der Datenverarbeitung von Facebook wird für jeden spürbar. Nur wie wird es Facebook umsetzen? Ein technischer Ansatz wäre möglich. So könnte auf die Verarbeitung in dem oben genannten Maße gänzlich verzichtet werden. Das würde aber dem Geschäftsmodell zuwiderlaufen und würde Facebook eine große Einnahmequelle verwehren. Der Weg über einen rechtlichen Ansatz ginge nur über eine nunmehr datenschutzrechtlich konforme Einwilligung.

Aber auch hier würden sich neue Probleme stellen. Während bei neuen Nutzeranmeldungen unproblematisch eine entsprechende Einwilligung eingeholt werden kann, sieht es bei bereits registrierten Nutzern schwieriger aus. Was passiert nämlich, wenn ein Nutzer seine Einwilligung nachträglich nicht erteilt? Folgerichtig müsste Facebook die Daten löschen. Hier könnte eine Menge Arbeit auf das Unternehmen zukommen, denn bei der Masse an Nutzern wird es sicherlich nicht nur bei vereinzelten Verweigerungen bleiben.

Auch wenn die Entscheidung des BGH nur einen Etappensieg darstellt, weil Facebook gegen das Kartellamt weiter vor Gericht in Düsseldorf klagen kann. Dennoch ist es wegen der problematischen Umsetzung ein schwerer Schlag, denn bis zur Entscheidung im Klageverfahren muss das Verbot eingehalten werden. Ein spannender nächster Akt steht uns wohl bevor.

Informieren Sie sich über unsere praxisnahen Webinare
  • »Microsoft 365 sicher gestalten«
  • »Informationspflichten nach DSGVO«
  • »Auftragsverarbeitung in der Praxis«
  • »DSGVO-konformes Löschen«
  • »IT-Notfall Ransomware«
  • »Bewerber- und Beschäftigtendatenschutz«
Webinare entdecken
Mit dem Code „Webinar2024B“ erhalten Sie 10% Rabatt, gültig bis zum 30.06.2024.
Beitrag kommentieren
Fehler entdeckt oder Themenvorschlag? Kontaktieren Sie uns anonym hier.
Die von Ihnen verfassten Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern erst nach Prüfung und Freigabe durch unseren Administrator. Bitte beachten Sie auch unsere Nutzungsbedingungen und unsere Datenschutzerklärung.