In einem aktuellen Urteil entschied der BGH über die Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Dieser enthält laut dem BGH, im Gegensatz zur Meinung der Vorinstanz, auch interne Dokumente und bereits erhaltene Korrespondenz zwischen den Parteien. Lesen Sie in diesem Beitrag, wie der Auskunftsanspruch nach dem aktuellen Urteil auszulegen ist.
Der Inhalt im Überblick
Was war passiert?
Der Kläger schloss am 01.07.1996 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Lebensversicherung ab. Der Kläger war der Ansicht, dass er nicht wirksam über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt worden zu sein, sodass er am 10.01.2016 noch wirksam den Widerspruch habe erklären können. Im Zuge dieses Rechtsstreits verlangte der Kläger Auskunft von der Beklagten. Zunächst auf Grundlage von § 34 BDSG a.F. und stützte im weiteren Verlauf seinen Anspruch auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Der Kläger war nach der Erteilung der Auskunft durch den Beklagten der Ansicht, dass die erteilten Auskünfte unvollständig seien.
Die Vorinstanz entschied, dass sich der Auskunftsanspruch nicht auf sämtliche interne Vorgänge einer Versicherung beziehe, wie z.B. Vermerke, oder darauf, dass die betreffende Person sämtlichen gewechselten Schriftverkehr, der dem Betroffenen bereits bekannt ist, erneut ausgedruckt und übersendet erhalten kann. Zurückliegende Korrespondenz mit den Parteien unterfalle ebenfalls nicht dem Auskunftsanspruch.
Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO
Der Auskunftsanspruch gewährt ein Auskunftsrecht sowie einen Anspruch auf Überlassung von Kopien. Dieser Anspruch ist nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO innerhalb von einem 1 Monat zu erfüllen und ist als Bringschuld ausgestaltet. Der Anspruch bezieht sich auf personenbezogene Daten. Der Betriff ist in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 DSGVO geregelt und beinhaltet „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen“.
Was hat der BGH entschieden?
Der BGH hob mit Urteil vom 15.06.2021 (VI ZR 576/19) die Entscheidung der Vorinstanz in Bezug auf den Auskunftsanspruch auf.
Der Auskunftsanspruch bezieht sich auch auf interne Dokumente
Der BGH urteilte, dass der Auskunftsanspruch sich auch auf interne Dokumente bezieht, wenn diese personenbezogene Daten enthalten. Der Auskunftsanspruch ist nicht davon abhängig, ob Daten auch extern erreichbar sind. Dies entspricht auch dem Wortlaut von Art. 15 DSGVO i.V.m. Art. 4 DSGVO. Die hinsichtlich der Reichweite keine Einschränkungen treffen.
„Die Erwägung des Berufungsgerichts, es handele sich bei Vermerken um „interne Vorgänge der Beklagten“, ist im Hinblick auf den Begriff der personenbezogenen Daten ohne Relevanz. Der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO setzt offensichtlich weder nach seinem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck voraus, dass die fraglichen Daten extern zugänglich sind.“
Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO ist ebenfalls weit zu verstehen, nach seiner Definition sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH).
„Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist.“
Der Anspruch umfasst ebenfalls zurückliegende Korrespondenz
Weiter unterliegen nach dem BGH auch zurückliegende Korrespondenzen der Parteien dem Auskunftsanspruch. Der Auskunftsanspruch dient nach Erwägungsgrund 63 Satz 1 der DSGVO dazu, dass sich Betroffene hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten dem Zweck der Verarbeitung und der Verarbeitung selbst bewusst sind sowie um deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.
„Die Auskunft soll den Kläger, wie bereits dargelegt, in die Lage versetzen, sich der Datenverarbeitung bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Er soll sich insbesondere vergewissern können, dass die ihn betreffenden Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 – Rs. C-434/16, NJW 2018, 767 Rn. 57).“
Auskunft kann wiederholt verlangt werden
Der Betroffene kann grundsätzlich auch wiederholt Auskunft verlangen, was sich aus Art. 12 Abs. 5 S. 2, 15 Abs. 3 DSGVO ergibt. Eine Weigerung ist nur im Ausnahmefall möglich, wenn das Auskunftsverlangen gemäß Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO offensichtlich unbegründet ist oder eine exzessive Wiederholung stattfindet. Beides konnte im vorliegenden Fall nicht angenommen werden.
„Das etwaige Bewusstsein des Klägers, dass die fragliche Korrespondenz einst gewechselt wurde, genügt insoweit nicht. Zu beachten ist ferner, dass der Auskunftsberechtigte grundsätzlich wiederholt Auskunft verlangen kann (vgl. Erwägungsgrund 63 Satz 1, Art. 12 Absatz 5 Satz 2 DSGVO).“
Bedeutung für die Praxis
Der Auskunftsanspruch ist nicht umsonst ein regelmäßiges Thema vor Gericht. Das neue Urteil des BGHs zum Auskunftsanspruch zeigt wieder wie weit der Anspruch grundsätzlich ausgelegt werden kann und dass sich die deutschen Gerichte sich dem teilweise noch sperren.
Der Auskunftsanspruch kann wie festgestellt nur im Ausnahmefall verweigert werden. Für Verantwortliche empfiehlt es sich entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um Auskunftsersuchen schnell und vollständig zu beantworten. Eine unzulässige Weigerung kann nicht nur einen Rechtsstreit nach sich ziehen, sondern auch gemäß Art. 82 Abs. 5 DSGVO zu einem hohen Bußgeld führen.
Lesen Sie mehr zum Auskunftsanspruch in unserem Beitrag: „Auskunftsrecht: DSGVO-Wissen für Betroffene & Unternehmen“.