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Öffentliche Videoüberwachung als Antwort auf Straftaten?

Öffentliche Videoüberwachung als Antwort auf Straftaten?

Aufgrund der jüngsten Vorkommnisse rund um den Kölner Hauptbahnhof sowie der Hamburger Reeperbahn in der Silvesternacht, bei welchen es zu massiven Übergriffen auf junge Frauen kam, gab es vielfach Forderungen nach Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen. Die Frage, ob Videokameras im öffentlichen Raum aufgehängt werden dürfen, hängt davon ab, wer, an welchem Ort, zu welchem Zweck diese betreiben möchte.

Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen und durch öffentliche Stellen des Bundes

Die Zulässigkeit der Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum bemisst sich grundsätzlich nach § 6b BDSG. Zum Thema Videoüberwachung durch Privatpersonen und die rechtlichen Anforderungen daran haben wir vielfach berichtet, zum Beispiel hier und hier. Handelt es sich um Beobachtungen durch öffentliche Stellen des Bundes, so gilt diese Norm gleichermaßen.

Videoüberwachung durch öffentliche Stellen der Länder

Für öffentliche Stellen der Länder bestehen vergleichbare Regelungen in den jeweiligen Landesgesetzen. In Köln ist § 29b des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen (DSG NRW) einschlägig. Eine Überwachung ohne Speicherung ist danach zulässig, wenn dies der Wahrnehmung des Hausrechts dient und schutzwürdige Interessen betroffener Personen voraussichtlich nicht überwiegen. Eine darüberhinausgehende Speicherung ist nur restriktiv bei einer konkreten Gefahr zu Beweiszwecken zulässig, wenn dies zum Erreichen der verfolgten Zwecke unverzichtbar ist.

In Hamburg ist die Videoüberwachung innerhalb und außerhalb von Dienstgebäuden ebenfalls nur restriktiv zum Zwecke der Gefahrenabwehr zulässig. Dies folgt aus § 30 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes (HmbDSG). Eine allgemeine Ermächtigung zur Videoüberwachung zu Zwecken der Aufgabenerfüllung besteht nicht.

Überwachung nicht überall möglich

Möchte eine Kölner Behörde oder andere öffentliche Stelle des Landes öffentlich zugängliche Bereiche überwachen, so muss sie § 29 DSG NRW beachten, wobei öffentlich zugänglichen Bereichen hausrechtsfähiges befriedetes Besitztum meint. In der Folge kann beispielweise die Überwachung des für Besucher zugänglichen Parkplatzes einer Behörde zulässig sein. Andere angrenzende öffentliche Verkehrsflächen dürfen dagegen nicht überwacht werden, da es sich nicht um befriedetes Besitztum handelt. Unzulässig ist es nach dieser Norm ebenfalls die Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze durch öffentliche Stellen. Es ist stets eine Abwägung im Einzelfall erforderlich zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Überwachung zur Überwachung und Durchsetzung der Schutzinteressen.

Wer überwacht die Überwacher?

Zuständig für die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften bei der Videoüberwachung sind die Aufsichtsbehörden der Länder. An diese kann man sich wenden, wenn Zweifel an der Zulässigkeit einzelner installierter Kameras bestehen.

Polizeirechtliche Ermächtigung möglich

Daneben bestehen in Nordrhein-Westfalen (§ 15a Abs.1 PolG NRW) und Hamburg (§ 8 Abs. 3 PolDVG) polizeirechtliche spezialgesetzliche Ermächtigungen zur Videoüberwachung zum Zwecke Gefahrenabwehr an öffentlichen Orten, an denen es wiederholt zu Straftaten gekommen ist und konkret zu befürchten ist, dass dies dort auch künftig erfolgt.

Bewertung

Videoüberwachung und ggf. auch Videoaufzeichnung können ein wertvolles Instrument zur Prävention von Straftaten sowie zur möglichen Strafverfolgung sein. Dies sollte jedoch nicht dazu führen, übereilt überall den Einsatz von Kamera zu fordern. Zu Bedenken ist nämlich stets folgendes: Videoüberwachung an öffentlichen Stellen kann schnell zur Verletzung von elementaren Grundrechten wie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder der Versammlungsfreiheit führen, da es sich bei der Überwachung um einen verdachtslosen Eingriff gegenüber zahlreicher Personen handelt, denen kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Zugleich besteht die Gefahr der Möglichkeit, dass Einzelne aufgrund der Videoüberwachung ihr Verhalten ändern, sich also nicht mehr frei und ungezwungen bewegen können, ohne überwacht zu werden.

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  • Sorry für die harten Worte. Ihr Beitrag ist daneben. Im Kölner Hauptbahnhof (und auch außerhalb) gibt es bereits Videoüberwachung! Im Bahnhof hängen überall Kameras!

    Was hat es gebracht? Nichts! Keine Abschreckungs-/Präventionswirkung! Keine wahrnehmbaren Aufklärungserfolge!

    Was wissenschaftliche Studien (z.B. zur allumfassenden Kameraüberwachung des öffentlichen Raums in London) zeigen, bestätigt sich auch in Köln: Videoüberwachung suggeriert in erster Linie ein scheinbares Sicherheitsgefühl. Sicherheitssimulation könnte man es böse formulieren.

    Leider führt dies in Politik, Medien und Öffentlichkeit nicht zu einem Umdenken. Obwohl die Medizin Videoüberwachung offensichtlich versagt hat, fordert man mehr davon. Wie ein Arzt, der Antibiotikum gegen viruelle Infektionen verordnet und bei Bemerken der Wirkungslosigkeit noch mehr Antibiotikum verschreibt. So ein Vorgehen hat nichts mehr mit Vernunft und gesundem Menschenverstand zu tun.

    Bevor Sie, Herr Mertin, hier die Gelegenheit nutzen, um auf die Möglichkeiten datenschutzkonformer Videoüberwachung hinzuweisen, könnten Sie mindestens genauso laut auf die offensichtliche Nutzlosigkeit der bereits vorhandenen Videoüberwachung in Köln und die geradezu absurd und grotesk anmutenden Forderungen nach mehr(!) Videoüberwachung hinweisen.

    • Sie scheinen den Beitrag missverstanden zu haben. Bereits die Überschrift ist als Frage formuliert. Sodann wird auf die rechtlichen Voraussetzungen für eine großflächige Videoüberwachung von öffentlichen Flächen eingegangen, ehe in einer kurzen kritischen Bewertung vor möglichen Grundrechtsverletzungen durch Entscheidungen zu Gunsten mehr Kameras gewarnt wird.

      Die Situation im Kölner Bahnhof wurde bewusst nicht beleuchtet. Zum einen, da dort bereits eine Vielzahl von Kameras aufgehängt sind und zum anderen, da im Fokus der Diskussion der Einsatz von Kameras im Freien, wie bspw. vor dem Dom in Köln oder der Reeperbahn in Hamburg, stehen.

      Ziel dieses Beitrags ist einmal generell die Möglichkeiten von Videoüberwachung im öffentlichen Raum durch öffentliche Stellen darzustellen.

      • @ Dr. Datenschutz
        „Die Situation im Kölner Bahnhof wurde bewusst nicht beleuchtet. Zum einen, da dort bereits eine Vielzahl von Kameras aufgehängt sind und zum anderen, da im Fokus der Diskussion der Einsatz von Kameras im Freien, wie bspw. vor dem Dom in Köln oder der Reeperbahn in Hamburg, stehen.“

        Genau das ist ja das Verrückte! In Köln fanden die meisten Übergriffe im Bahnhof statt, nicht vor dem Dom. Im Bahnhof herrscht flächendeckende Videoüberwachung. Sie hat keinen nennenswerten Nutzen gebracht. Trotzdem will man nun noch mehr Videoüberwachung, auch dort, wo es gar nicht zu diesen Übergriffen kam. Das kritisiere ich und das könnten Sie auch kritisieren.

        Denn hier wird zum einen den Menschen ein scheinbar wirksames Mittel als schnelle Lösung des Problems angepriesen und zum anderen von den tatsächlichen Problemen (z.B. Personalmangel bei der Polizei, Integrationsprobleme bei Migranten) abgelenkt.

        Auf Kosten von Persönlichkeitsrechten sollen weitgehend ungeeignete Mittel wie Videoüberwachung ausgeweitet werden, während geeignete Mittel wie eine dauerhafte(!) Erhöhung der Personalausstattung und dadurch Vor-Ort-Präsenz der Polizei aus Kostengründen vermieden werden.

        PS: In Hamburg hätten Kameras auch nichts genützt. Die Polizei konnte durch Notrufe angefordert werden. Man braucht keine Kameras, um zu erfahren, dass dort etwas im Gange war. Die Polizei war dann ja auch vor Ort, aber auch hier mit zu wenig Personal. Kameras können nicht eingreifen und echte Polizisten vor Ort nicht ersetzen.

  • „Videoüberwachung und ggf. auch Videoaufzeichnung können ein wertvolles Instrument zur Prävention von Straftaten sowie zur möglichen Strafverfolgung sein.“

    Das ULD sagt: „Videoüberwachung bringt wenig und wirkt oft kontraproduktiv“.
    https://www.datenschutzzentrum.de/video/videoibt.htm

    Sie vermitteln einen anderen Eindruck. Gibt es neuere Studien?
    Hätte sich dann nicht die neue Berliner Koalition für mehr Videoüberwachung entschieden?

    • Die Intention des Beitrages war es aufzuzeigen, unter welchen Voraussetzungen eine Videoüberwachung im öffentlichen Räum rechtlich möglich ist. Dabei wird an mehreren Stellen auf damit einhergehende Grundrechtseingriffe eingegangen. Repressiv zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten kann diese je nach Einzelfall durchaus sinnvoll sein. Die von Ihnen benannte Stellungnahme ist rund 16 Jahre alt und bildet in technischer Hinsicht nicht mehr die gegenwärtige Situation ab; im Übrigen steht der Autor des Beitrages der öffentlichen Videoüberwachung eher kritisch gegenüber.

  • In Ihrem Beitrag erwähnen Sie u.a. die spezialgesetzlichen Ermächtigungsnormen in den Polizeigesetzen.

    In RLP ist die Videoüberwachung in § 30 POG geregelt. Soweit die Videoüberwachung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (§ 1 Abs. 3 POG) erfolgt, ist nur die Polizei befugt, die Videoüberwachung durchzuführen.

    Wie verhält sich nun diese spezialgesetzliche Regelung zu § 21 LDSG, der es öffentlichen Stellen erlaubt, unter bestimmten Voraussetzungen, wie etwa des Hausrechts, dem Schutz des Eigentums oder der Zugangskontrolle das Mittel der Videoüberwachung einzusetzen. Soweit die öffentliche Stelle durch die Videoüberwachung verhindern will, dass ihr Eigentum beschädigt wird (Sachbeschädigung) oder unbegfugte eindringen (Hausfriedensbruch), müsste doch § 30 POG den § 21 LDSG verdrängen, da die Verhütung von Straftaten eine polizeiliche Aufgabe ist. § 21 wäre hingegen anwendbar, das Eigentum vor einer möglichen Vermüllung zu schützen (wobei auch hier wohl eine Owi nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz vorläge, damit die öffentliche Sicherheit und damit § 30 POG betroffen wäre)?

    Bei einem solch engen Verständnis wäre aber der öffentliche Hausrechtsinhaber ggü dem privaten Hausrechtsinhaber in den oben gezeigten Fällen deutlich eingeschränkter in seinem Handeln, da er nicht selbst videoüberwachen dürfte, sondern dies der Ordnungsbehörde oder der Polizei zu überlassen hätte. Für dieses enge Verständnis wiederum spricht § 14 Abs. 4 S. 2 HSOG in Hessen, dass den Hausrechtsinhaber einer Gefahrenabwehrbehörde gleichstellt. Diese Regelung wäre ja nur dann notwendig, wenn sie § 14 HSOG den § 4 HDISG Hessen verdrängen würde.

    Ggf. könnten Sie zum Verhältnis der Videoüberwachungsregeln nach den Landesdatenschutzgesetzen und den Polizeigesetzen ausführen. Selbst bei einem Hausrecht wäre ja nach Polizeigesetz das Schutzgut der Staat und seine Einrichtungen als eines der drei anerkannten Elemente der öffentlichen Sicherheit stets tangiert, sodass für § 21 LDSG eigentlich nie ein Anwendungsraum verbleiben würde.

    Schon einmal vorab danke.

    • Der rund sieben Jahre alte Beitrag berücksichtigt eine zum Teil nicht mehr existente Rechtslage. So führte die DSGVO zur Anpassung der einzelnen Landesdatenschutzgesetze und auch das benannte BDSG stellt nur noch eine Konkretisierung und Ergänzung zur DSGVO dar. Auch ist es uns nicht möglich, im Einzelfall eine Rechtsberatung zu erbringen.
      Grundsätzlich aber unterscheiden sich die von Ihnen genannten Normen im Anwendungsbereich. Adressaten des POG RLP sind die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei. Insoweit ist § 30 POG RLP für diese eine Rechtsgrundlage, soweit dies im Rahmen der Gefahrenabwehr erforderlich ist. Das LDSG (RLP) gilt hingegen für öffentliche Stellen (insbes. Behörden; vgl. § 2 I) und § 21 LDSG begründet in der Folge die Rechtsgrundlage für Videoüberwachungsmaßnahmen öffentlicher Einrichtungen o.ä.
      Die Datenschutzgesetze der Länder regeln also grundsätzlich den Einsatz von Videokameras durch Behörden und andere öffentliche Stellen. Die Vorschriften erlauben unter anderem die Überwachung von Amtsgebäuden oder Kulturgütern, wohingegen die Befugnisnormen der Polizeigesetze insbesondere zur Observation Einzelner dienen (z.B. bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen).

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