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Zwingt Apples Datenschutz Unternehmen in die Knie?

Zwingt Apples Datenschutz Unternehmen in die Knie?

Apple ist längst kein grüner Apfel mehr. Die Marktmacht des Tech-Giganten bestimmt einen wesentlichen Teil der App- und Technik-Welt. Mit der neuen Anti-Tracking-Datenschutz-Kampagne hat Apple nun die Grenze überschritten: Wirtschaftsverbände haben Beschwerde beim Bundeskartellamt eingelegt. Datenschutz, Apple oder Werbe-Industrie, wer gewinnt das Rennen? Ein Kommentar.

Verbände haben keinen Bock mehr auf Apples Diktatur

Apples Marktmacht geht einem Zusammenschluss von acht Verbänden der deutschen Medien-, Internet- und Werbewirtschaft ganz schön auf den Keks: Sie haben am vergangenen Montag, den 26. April 2021, Beschwerde beim Bundeskartellamt in Bonn eingelegt. Sie halten Apples Umgang mit Datenschutz in Sachen Tracking nicht nur für überzogen – sondern sogar für wettbewerbswidrig.

Dorn im Auge der Beschwerdeführer ist das im neuen iOS 14.5 integrierte App Tracking Transparency (ATT) Programm, welches der App- und Werbe-Industrie das Zugreifen auf die in allen Apple-Geräten vorhandene IDFA (Identifier for Advertisers), sprich: Werbe-ID, erschwert. Mit dieser Werbe-ID lässt sich das Surf- und App-Verhalten einer Person nachverfolgen. Zugriffsberechtigte Apps verscherbeln diese Daten an Werbedienstleister, die wiederum in personalisierte Werbung innerhalb von Apps investieren. Der Nutzer bleibt auf der Strecke.

Problem dabei: Bisher griffen haufenweise Apps auf die Werbe-ID zu, ohne den Betroffenen zu fragen. Aus diesem Grund müssen App-Anbieter bei Apple-Produkten mittlerweile beim ersten Start oder nach einem Update um Einwilligung in das Tracking quer über Apps und Websites hinweg bitten. Gute Sache? Vielleicht. Wären da nicht Apples dubiose Machenschaften und die katastrophalen Befürchtungen der (Werbe-)Industrie.

Dem angebissenen Apfel geht es an den Kragen

Apple gerät langsam in Bredouille. Auf Grundlage des neu geschaffenen § 19a GWB gegen missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb könnte das Bundeskartellamt dem Tech-Riesen den Zwang zum ATT-Einsatz untersagen. Ausgang? Ungewiss.

Die französische Wettbewerbsbehörde hat derweilen nochmal ein Auge zugedrückt. Die Autorité de la Concurrence sah im vorgeschriebenen Einholen einer Tracking-Einwilligung keine missbräuchliche Handelspraktik. Apple stehe es grundsätzlich frei, die Regeln für den Zugang zu seinen Diensten festzulegen. Dass ein zusätzliches Opt-In für Werbe-Tracking eingeholt würde, sei durch europäische Datenschutzvorgaben nicht ausgeschlossen. Noch hat Apple aber nicht gewonnen, denn die Behörde will Apples Vorstoß demnächst auf Diskriminierung bzw. Selbstbevorzugung überprüfen. Traut sich David, ein Machtwort gegen Goliath zu sprechen?

Die EU-Kommission bereitet ein Kartellverfahren gegen Apple vor, das Spotify, Match (die Muttergesellschaft von Tinder) und andere Anbieter vor zwei Jahren angeregt hatten. Apple kriegt nämlich den Hals nicht voll. Während App-Anbieter für jedes abgeschlossene Abo Provision blechen können, bezahlt es diese bei eigenen Apps logischerweise nicht. Dadurch gelingt es Apple, billigere Abo-Preise zu verlangen bzw. mehr Gewinn zu machen. Pfui, Apple.

Berechtigte Kritik oder Mimimi?

Werfen wir doch mal einen genaueren Blick auf die aktuellen Tracking-Vorwürfe. Große Klappe, nichts dahinter? Oder treffen die Argumente voll ins Schwarze?

Keine personalisierte Werbung mehr

Bestimmt haben Sie schon einmal was gegooglet und kurze Zeit später dazu passende Werbung in Facebook & Co. entdeckt. Bei irgendwelchen 0815-Artikeln mag das noch niemanden irritieren. Doch stellen Sie sich vor, das wäre Sexspielzeug – Glückwunsch, haufenweise Werbe-Dienstleister und Apps wissen über Ihre Vorlieben Bescheid. Genau diese Werbe-Industrie heult nun der angeblich von Apple torpedierten personalisierten Werbung hinterher.

Wer wie ich gefühlt Millionen Datenschutzerklärungen liest, kennt den Euphemismus: (Personalisierte) Werbung ermögliche uns ein besseres Nutzererlebnis. Ich kenne zwar keinen, der die Sektkorken knallen lässt, wenn ihm nervige Werbebanner eingeblendet werden, aber okay, ich bin auch nicht vom Marketing, also was solls.

Da normale Werbung weiterhin unproblematisch möglich ist und ich der Werbe-Industrie den ein oder anderen Dämpfer durchaus gönne, Punkt für Apple.

Datenschutz als Wirtschaftskiller?

Datenschutz ist nicht sexy, das muss man klipp und klar sagen. Er genießt keinen guten Ruf – er schütze Täter, verhindere Fortschritt, stehe der Wirtschaft im Weg. Nun, bei Letzterem haben die Kritiker häufig sogar recht. Dasselbe gilt aber auch für Steuerpflichten, Compliance und dem Strafgesetzbuch. Nach Ansicht der Beschwerdeführer bewirke Apples Datenschutzwahn allerdings folgendes:

„Durch diese einseitig auferlegten Maßnahmen schließt Apple faktisch alle Wettbewerber von der Verarbeitung kommerziell relevanter Daten im Apple-Ökosystem aus.“

Die Folge? Einbußen bei den Werbeeinnahmen in Höhe von 60 Prozent, weil zu befürchten sei, dass die Mehrheit der Nutzer die Einwilligung verweigere. Das gefährde wiederum die Medienvielfalt. What? Kleinere App-Entwickler finanzieren sich meist über Werbung. Fällt diese weg, verschwindet ein App-Stern nach dem anderen vom Nachthimmel. Zudem treffe es auch andere Unternehmensbereiche hart: Je weniger passende Werbung, desto weniger wird verkauft. Die Unternehmen, für die geworben wird, treibe das (pessimistisch gesehen) in den Ruin. Das betont auch Mark Zuckerberg, der natürlich überhaupt keine Eigeninteressen mit dieser Aussage verfolgt.

Ich kann das irgendwo auch ein bisschen nachvollziehen, aber ganz ehrlich: Das Geld, das man sich mit personalisierter Werbung spart, kann man nun für gescheites Marketing nutzen. Die Schrott-Apps, deren einziger Sinn es war, Daten zu sammeln und zu verkaufen, vermisst sowieso kein Mensch. Da kann die Branche noch so sehr Panik schieben, auch hier ein Punkt für Apple.

Dafür wirst du bezahlen

Der App Store von morgen sei voll von kostenpflichtigen Apps, fürchten Kritiker. Sogar Facebook droht mit Kostenpflicht für seine Dienste. Ich bin mir sicher, uns allen schlottern schon die Knie. Vielleicht wird es Zeit, die Art und Weise der App-Wirtschaft zu überdenken. Wir leben in einer Spaß-Gesellschaft, die für den schnellen Konsum seine Daten an kostenfreie Apps verscherbelt. Wenn den App-Entwicklern mangels Daten die Werbeeinnahmen wegbrechen, sollen sie doch versuchen, Geld zu verlangen. Für gute Dinge ist man auch bereit zu zahlen, das sieht man auch an Netflix und Co. Deswegen, Punkt für Apple.

Mit Apple muss ich an dieser Stelle aber doch mal schimpfen: Der Tech-Gigant verlangt für Verkäufe und Abonnement-Modelle digitaler Inhalte 15 bis 30 Prozent Provision. Dagegen geht der „Fortnite“-Entwickler Epic Games aktuell sogar vor. Es ist schon allerhand, das Finanzierungsmodell vieler Apps einzuschränken und bei der Alternative schön die Hand aufzuhalten. Aufgrund des faden Beigeschmacks gibt es diesmal auch für die Gegenseite einen Punkt.

Mein Wort ist Gesetz

Apples Marktmacht ist legendär. Die Leute stehen ewig Schlange für das neueste iPhone und bezahlen teures Geld für Gadgets. So ein Gigant kann es sich wohl leisten, schlampig zu sein. Die Kritiker des ATT-Programms betonen, der seitens Apple vorgegebene Einwilligungstext sei datenschutzrechtlich unter aller Sau. Eine ausreichende Aufklärung über die Zwecke der Datenverarbeitung sei nicht möglich. Wenn man den Text einer Beispielsabfrage zugrunde legt, den Apple selbst veröffentlicht hat, sieht das in der Tat recht dürftig aus:

„Allow XY to track your activity across other companies’ apps and websites? Your data will be used to deliver personalized ads to you.”

Von wirklich informierter Einwilligung kann hier nicht die Rede sein. An wen werden welche Daten übertragen? Die Datenschutzerklärung ist auch nirgends mehr verlinkt, sodass man dort nicht nochmal nachlesen kann. Zudem lässt sich der Text größtenteils nicht anpassen. Wer sonstige Dialoge anzeigt, wird aus dem App Store ausgeschlossen. Apple dagegen verweist darauf, dass der App-Entwickler angeben müsse, wofür die Daten verwendet würden. Wow, danke dafür. Schäm dich, Apple. Punkt für die Kritiker.

Alle sind gleich, aber Apple ist gleicher

Der App Store ist ein Schweinestall. Zumindest, wenn man George Orwells Farm der Tiere heranzieht. Die den App-Anbietern auferlegte Hürde gilt nämlich nicht für Apple selbst. Die Beschwerdeführer erheben schwere Vorwürfe: Die eigenen Apps des Technologieunternehmens dürften ohne Einschränkung weiter fleißig Daten sammeln. Apple stelle Werbekunden außerdem zunehmend eigene Werbeflächen zur Verfügung. Ganz schön frech. Bald schwimmt Apple in noch mehr (Werbe-)Geld, während andere App-Entwickler werbetechnisch verdursten.

Apple widerspricht dem natürlich vehement, die eigenen Nutzer würde man nicht tracken. Und weil Apple das so sagt, muss es selbstverständlich wahr sein. Apple, ich habe heute leider keinen Punkt mehr für dich. Stattdessen erhalten die Kritiker einen.

Friede, Freude, Datenschutz

Damit steht es also unentschieden. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin hin- und hergerissen. Als Datenschützerin liegt mir Datenschutz am Herzen. Tracking ist mir ein Dorn im Auge. Doch was Apple da abzieht, hat weniger mit Datenschutzbewusstsein, als mit Kalkül zu tun. Die Beteuerungen des Unternehmens, den Nutzerinnen und Nutzern bei der Wahrung ihrer Privatsphäre helfen zu wollen, kaufe ich Apple einfach nicht ab.

Man sollte das Gejammer der App- und Werbe-Industrie jedoch nicht überbewerten: Zum einen traue ich ihr nicht über den Weg. Und zum anderen verfolgt diese mit dem medienwirksamen „Hilferuf“ ihre eigene Agenda.


Dieser Beitrag ist ein Kommentar und spiegelt daher die persönliche Meinung der Autorin / des Autors wider. Diese muss nicht mit der Meinung des Herausgebers oder seiner Mitarbeitenden übereinstimmen.

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  • Endlich einmal Klarheit über den Apple Datenschutz-Vorstoss. Der Bewertung stimme ich voll und ganz zu. Vielleicht dienen die Argument diese Beitrags ja ein wenig zur Förderung des Bewusstseins, dass die eigenen Daten wertvoll sind und nicht verschleudert werden sollten. Ins eigene Wohnzimmer läßt auch niemand freiwillig Zuschauer rein.

  • Ich bin froh, dass beide Seiten in dem Artikel betrachtet wurden, auch stimme ich zu, dass Apple sicherlich nicht alleine aus aus Idealismus das ATT-Programm aufgelegt hat. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass Apple wenigsten einen Schritt in die richtige Richtung macht. Sind wir mal ehrlich, die Werbeindustrie hatte bisher keine Probleme mit Apples Mark-Macht! Warum auch?! Erst jetzt, wo Gewinneinbußen zu befürchten sind und das schöne – in meinen Augen verwerfliche – Geschäftsmodell nicht mehr trägt, werden Vorwürfe laut, um weiterhin das eigene Geschäftsmodell durchziehen zu können.
    Aus diesem Grunde finde ich den Sarkasmus in diesem Artikel unangebracht. Vielmehr hätte ich mir gewünscht, dass die guten Ansätze in Bezug auf den Datenschutz deutlicher unterstrichen werden und dort, wo berichtigte Kritik besteht, diese konstruktiv geübt wird.
    Sind wir mal ehrlich, beim Datenschutz können wir doch als Betroffene über jeden Schritt in die richtige Richtung froh sein.

  • Apple ist definitiv kein Unschuldslamm und verfolgt selbstredend Maßnahmen zum eigenen Vorteil.
    Persönlich befürworte ich aber sämtliche Maßnahmen die die Möglichkeit zur Datensammlung einschränken. Daher hoffe ich dass die Wettbewerbsbehörden die Regelung nicht für ungültig erklären sondern Apple diese auch auf sich anwenden muss.

    Ansonsten muss ich mich noch den Kommentator Thomas anschließen. Der Text wirkt etwas außer der Reihe und wie ein Kommentar.

  • Schöner Artikel, schön geschrieben!

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