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Offene Videoüberwachung im Unternehmen

Offene Videoüberwachung im Unternehmen

Für die meisten Menschen stellt die Videoüberwachung wohl die unangenehmste Art der Überwachung dar, denn ihr entgeht keine Bewegung und auch nicht der kleinste Gesichtsausdruck. In einem Unternehmen, während der Arbeit beobachtet zu werden, stellt einen deutlichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht von Arbeitnehmenden dar. Wenn aber wichtige Gründe für eine Videoüberwachung im Unternehmen vorliegen, ist diese unter bestimmten Umständen möglich. Wir erläutern, was dabei zu beachten ist.

Was ist eine offene Videoüberwachung?

Videoüberwachung im Unternehmen bzw. am Arbeitsplatz kann offen oder auch verdeckt erfolgen. Bei der offenen Videoüberwachung sind Kameras bzw. jegliche Geräte, die zur längerfristigen Beobachtung und somit für einen Überwachungszweck eingesetzt werden können (z.B. mit Webcams, Smartphones, Dashcams, Drohnen, Wildkameras sowie Tür- und Klingelkameras) gut sichtbar angebracht. Arbeitnehmende wissen also, dass sie an bestimmten Orten im Unternehmen gefilmt werden. Eine verdeckte Videoüberwachung liegt dagegen vor, wenn Arbeitnehmende nicht wissen, dass sie gefilmt werden. Mehr dazu in unserem Artikel Verdeckte Videoüberwachung am Arbeitsplatz.

Wann ist eine offene Videoüberwachung im Unternehmen zulässig?

Bei dieser Frage gehen die Ansichten von Arbeitsgerichten und Aufsichtsbehörden auseinander: Arbeitsgerichte vertreten im Rahmen der Interessenabwägung oftmals eine arbeitgeberfreundliche Auffassung und sehen die datenschutzrechtlichen Vorgaben eher locker. Dabei übergehen die Richter aber auch datenschutzrechtliche Grundsätze, wie Erforderlichkeit, Speicherbegrenzung und Zweckbindung. So z.B. das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Entscheidung aus dem Jahr 2018, in welcher ein Arbeitgeber Videoaufnahmen auswertete, welche bereits ein halbes Jahr zuvor präventiv (Verhinderung von Pflichtverletzungen) und nicht repressiv (Aufklärung und Verfolgung von Pflichtverletzungen) aufgezeichnet worden waren.

Die Aufsichtsbehörden dagegen sind nicht an die Feststellungen der Arbeitsgerichte gebunden und erachten eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz nur in Ausnahmefällen als zulässig. Die Zulässigkeitsprüfung lässt sich dabei in drei Stufen unterteilen:

  • Berechtigte Interessen
  • Erforderlichkeit und
  • Interessenabwägung im Einzelfall

Wie diese Abwägung zu erfolgen hat, kann auch in unserem Artikel Videoüberwachung am Arbeitsplatz: Das erlaubt der Datenschutz nachgelesen werden.

Überwachung des Unternehmensgeländes (Außenbereich)

Eine Überwachung des Außenbereichs eines Unternehmens ist grundsätzlich einfacher möglich als eine Überwachung von Innenbereichen: Arbeitnehmende werden hier in der Regel nur kurzzeitig erfasst. Zudem besteht ein größeres Interesse des Arbeitgebers, sich präventiv vor Diebstählen, Sachbeschädigungen oder Störungen von außen zu schützen. Hier ist der allgemeine Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO heranzuziehen, da dem Arbeitgeber als Verantwortlichen die Sicherstellung des Hausrechts zu gestatten ist. Trotzdem empfiehlt es sich, Bereiche, in denen sich regelmäßig Arbeitnehmende aufhalten, automatisiert auszublenden oder zu verpixeln. So kann der durch eine Videoüberwachung erzeugte Überwachungsdruck abgemildert werden.

Kameraüberwachung von Innenbereichen des Unternehmens

Eine Überwachung von Arbeitnehmenden in Innenbereichen, also meist am Arbeitsplatz, ist nur unter sehr engen Voraussetzungen, örtlich und zeitlich begrenzt zulässig. Als Rechtsgrundlage kommen Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO und/oder § 26 BDSG in Betracht. Zudem hat der Verantwortliche nach § 26 Abs. 5 BDSG die Grundlagen der Datenverarbeitung nach Art. 5 DSGVO einzuhalten, u.a. Transparenz, Zweckbindung und Speicherbegrenzung.

Welche Bereiche im Unternehmen dürfen nicht überwacht werden?

Überwiegt im Rahmen der Interessenabwägung das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeitenden, darf eine Videoüberwachung nicht erfolgen. Dies ist der Fall bei sog. Intimzonen, wie z.B. Toiletten oder Umkleideräumen. Aber auch in reinen Freizeitbereichen wie bspw. Bars, Sitzgruppen, Foyers oder Aufenthaltsräumen ist eine Videoüberwachung oft unzulässig.

Was ist vor der Inbetriebnahme einer Videoüberwachung zu tun?

Bevor in einem Unternehmen die ersten Kameras in Betrieb genommen werden können, sind vorab wesentliche Punkte zu klären, dokumentieren und vorzubereiten:

Dokumentations- und Rechenschaftspflicht

Damit der verantwortliche Arbeitgeber seine Nachweispflichten erfüllen kann, ist zunächst eine Dokumentation erforderlich. Hierbei müssen die Gründe für die Videoüberwachung und die zu ihrer Erforderlichkeit führenden, konkreten Tatsachen schriftlich dokumentiert werden. Diese Dokumentation wird auch gern von den Aufsichtsbehörden geprüft.

Zu den wichtigsten Dokumentationspflichten gehört hier die Erstellung eines Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten gem. Art. 30 DSGVO. Hier sind insbesondere die Zwecke der Videoüberwachung festzuhalten. Weiterhin muss der Verantwortliche die Einhaltung der Grundsätze des Art. 5 Absatz 1 DSGVO nachweisen können (sog. Rechenschaftspflicht). D.h., der Arbeitgeber muss Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz, Zweckbindung, Datenminimierung, Richtigkeit, Speicherbegrenzung, Integrität und Vertraulichkeit der Videoüberwachung belegen können.

Bevor eine Videoüberwachung überhaupt erfolgen kann, sind u.a. folgende Punkte zu klären und entsprechend zu dokumentieren:

  • Genaue Standortbeschreibung der Kameras
  • Darlegung eines legitimen Zwecks
  • Prüfung milderer Mittel
  • Abwägung bei Datenerhebung durch Dritte (Dienstleister)

Praktische Beispiele für einen legitimen Zweck sind insbesondere tatsächlich eingetretene Vorfälle in der Vergangenheit (bspw. Diebstähle, Vandalismus und Ähnliches). Es kann aber auch eine abstrakte Gefährdung, wie z.B. Vorfälle bei anderen Unternehmen in der Umgebung oder entsprechend aussagekräftige Zahlen aus der Kriminalitätsstatistik ausreichend sein.

Hinweisschilder zur offenen Videoüberwachung im Unternehmen

Auch bei der Videoüberwachung muss eine transparente und übersichtliche Information der betroffenen Personen (hier vorrangig der Arbeitnehmenden) erfolgen. Daher müssten sich alle Pflichtangaben nach Art. 12 und 13 DSGVO auf einem Hinweisschild wiederfinden. Hierfür stellen die Aufsichtsbehörden ein rechtlich unverbindliches Muster zur Verfügung. Doch ist man ehrlich, hält sich die Übersichtlichkeit aufgrund der vielen Informationspunkte wie z.B.

  • Name und Kontaktdaten des Verantwortlichen und ggf. seines Vertreters,
  • Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten,
  • Zwecke und Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung,
  • berechtigte Interessen, die verfolgt werden,
  • Speicherdauer oder,
  • Kriterien für die Festlegung der Dauer sowie
  • ausführliche Hinweise auf die Rechte der Betroffenen,

in Grenzen. Da dies auch von den Aufsichtsbehörden gesehen wird, besteht die anerkannte und pragmatische Möglichkeit, auf dem Hinweisschild einige Angaben zur Videoüberwachung und zum Verantwortlichen zu machen und dann für weitere Informationen auf ein anderes Medium, z.B. einen Aushang an anderer Stelle oder im Internet zu verweisen. Bei der Gestaltung des Hinweisschilds sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Ein Beispiel für ein völlig anderes Design finden Sie etwa beim Kollegen Stephan Hansen-Oest.

Technisch und organisatorische Maßnahmen bei der Videoüberwachung

Auch bei einer Videoüberwachung ist mit technisch und organisatorischen Maßnahmen gem. Art. 24, 25 und 32 DSGVO nachweisbar sicherzustellen, dass eine Verarbeitung nach den Vorgaben der DSGVO erfolgt. Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen sind damit zu minimieren und es ist ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten.

So sind bspw. nicht benötigte Funktionen zu deaktivieren (z.B. Audio-, Zoom- und Schwenkfunktion) und es ist sicherzustellen, dass die Datums- und Zeitangaben im Bild stets eingeblendet werden. Bei netzwerkfähigen Videokameras ist regelmäßig die Sicherheit (Firmware-Aktualisierungen, Passwortschutz, Zugriffsrechte, Benutzerkonten, etc.) zu überprüfen. Auch muss geklärt sein, welche Personen zum Zugriff auf das Überwachungssystem berechtigt sind.

Speicherdauer und Verarbeitung von Videoaufnahmen

Grundsätzlich gilt, dass die Aufbewahrung von gespeicherten Videoaufnahmen auf wenige Kalendertage zu beschränken ist, da die dauerhafte Überwachung ohnehin schon stark in das Persönlichkeitsrecht von Arbeitnehmenden eingreift. Die Aufsichtsbehörden vertreten die Ansicht, dass eine Speicherdauer von 48 – 72 Stunden nicht überschritten werden sollte. Im Kurzpapier zur Videoüberwachung der DSK heißt es:

„Die Daten der Videoüberwachung sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung der Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 17 Abs. 1 lit. a DSGVO) oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen. Ob eine Sicherung des Materials notwendig ist, dürfte grundsätzlich innerhalb von ein bis zwei Tagen geklärt werden können. Unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 1 lit. c und e DSGVO – „Datenminimierung“ und „Speicherbegrenzung“ – sollte demnach grundsätzlich, wie bisher auch, nach 48 Stunden eine Löschung erfolgen.“

Letztlich muss dies im Einzelfall im Rahmen einer Interessenabwägung geklärt werden. Danach ist die Speicherung oder Verwendung zulässig, wenn sie erforderlich ist, um den verfolgten Zweck der Videoüberwachung zu erreichen. Zugleich dürfen keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

So lässt sich bspw. die Speicherung der Aufzeichnung einer Videosprechanlage kaum begründen: Die Aufnahmen dienen meist lediglich der Entscheidung darüber, ob ein Besucher bekannt ist oder nicht. Der Zweck gibt demnach keinen ausreichenden Grund zur Speicherung. Geht es z.B. um die Überwachung von Mitarbeitenden, die mit hohen Gelbeträgen hantieren und findet eine tägliche Kontrolle des Kassenbestands statt, würde ein Diebstahl wohl innerhalb von 24 Stunden bemerkt werden. Räumt man dann noch eine angemessene Reaktionszeit zur Auswertung der Videoaufzeichnungen ein, wird sich eine Speicherfrist von über 72 Stunden wohl kaum rechtfertigen lassen

Datenschutzkonforme Ausgestaltung zwingend erforderlich!

Es zeigt sich: eine offene Videoüberwachung im Unternehmen ist in engen Grenzen möglich, muss vor Inbetriebnahme aber ausführlich geprüft und dokumentiert werden. Sie ist nur dann zulässig, wenn es für den konkreten Fall eine entsprechend gewichtige Rechtfertigung gibt. Da die Videoüberwachung einen deutlichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmenden darstellt, kommt es für den Arbeitgeber vor allem darauf an, die Videoüberwachung datenschutzkonform auszugestalten.

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