Zum Inhalt springen Zur Navigation springen
Betriebsvereinbarung zur Videoüberwachung

Betriebsvereinbarung zur Videoüberwachung

Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz stellt alle Beteiligten datenschutzrechtlich vor besondere Herausforderungen. Eine gute Möglichkeit, die Interessen aller Seiten zu berücksichtigen und die rechtskonforme Umsetzung der Überwachung zu gewährleisten, stellt der Abschluss einer Betriebsvereinbarung dar. Der folgende Beitrag soll Sie dabei unterstützen.

Videoüberwachung: Überwachung von Mitarbeitern oder Objekten

Der Einsatz der Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist gekennzeichnet von einem Spannungsverhältnis zwischen widerstreitenden Interessen der Beteiligten. Die Arbeitgeber:innen haben beispielsweise ein Interesse daran, die Betriebsabläufe sicherzustellen, Sicherheitsrisiken zu kontrollieren sowie ihr Eigentum zu schützen. Die Arbeitnehmer:innen wiederum wollen Eingriffe in ihren persönlichen Bereich möglichst gering halten, eine dauerhafte Überwachung der Arbeitsabläufe ist nachvollziehbarerweise ebenso unerwünscht. Diese und weitere widerstreitende Interessen gilt es nach Möglichkeit in Einklang zu bringen.

Dabei entscheidend zu berücksichtigen ist aber auch, wer, wo, wen und/oder was überwachen will. Je nach Zweck und Ort der Überwachung werden bei deren Ausgestaltung unterschiedliche Vorgaben zu beachten sein. Die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Bereiche durch öffentliche Stellen richtet sich beispielsweise nach § 4 BDSG. Soll der gleiche Bereich wiederum durch Private überwacht werden, richtet sich der konkrete Ablauf nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO. Ist hingegen die Überwachung nicht öffentlich zugänglicher Bereiche intendiert, enthält das BDSG hierzu zwar keine Regelung, allerdings ist der § 26 Abs. 1 Satz 2 zu beachten, da es sich bei derartigen Aufnahmen zugleich auch um Beschäftigtendaten handelt. Soll demgegenüber nicht nur ein bestimmter Ort oder Gegenstand, sondern eine konkrete Person überwacht werden, sind die Vorgaben entsprechend streng. So bedarf es hierfür beispielsweise eines begründeten Straftatverdachtes.

Betriebsvereinbarungen als Rechtsgrundlage für Datenverarbeitung

Nach der Regelung des Art. 88 Abs. 1 DSGVO sind Kollektiv- bzw. Betriebsvereinbarungen geeignet, um Vorschriften zur Gewährleistung von Beschäftigtenrechten festzulegen. Damit besteht ein Gleichrang zwischen Rechtsvorschriften und Kollektivvereinbarungen. Damit handelt es sich aber gemäß § 26 Abs. 4 Satz 1 BDSG bei einer Betriebsvereinbarung um eine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung im Beschäftigungsverhältnis gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO.

DSGVO: Mindeststandard für den Beschäftigtendatenschutz

Damit aber mit der Rechtsgrundlage einer Betriebsvereinbarung die Regelungen und das Datenschutzniveau der DSGVO nicht untergraben werden, sind von den Vertragsparteien neben dem Art. 88 Abs. 2 DSGVO mitgliedsstaatliche gesetzliche Regelungen zu beachten. Art. 88 Abs. 2 DSGVO hebt dabei hervor, dass besondere Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der Betroffenen zu ergreifen sind. Insbesondere soll demnach das Prinzip der Transparenz der Verarbeitung beachtet werden. Auch die Übermittlung von Beschäftigtendaten innerhalb eines Konzerngefüges muss konkret geregelt werden. Schließlich soll besonderes Augenmerk auf das Überwachungssystem gelenkt sowie der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG involviert werden. Schließlich sind zur Wahrung des Datenschutzniveaus die Prinzipien der Art. 5 bzw. Art. 9 DSGVO zu beachten sowie die Betroffenenrechte nach den Art. 12 bis 23 DSGVO je nach Regelungsgehalt der Betriebsvereinbarung zu gewährleisten.

Kollision zwischen Datenschutz und arbeitsrechtlichen Mitbestimmungsrechten?

Da die gesetzlichen Vorgaben an den Inhalt einer Betriebsvereinbarung zu Überwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz sehr weitreichend sind, stellt sich – jedenfalls grundsätzlich – die Frage, ob damit nicht zugleich das Mitbestimmungsrecht zu stark eingegrenzt wird. Dabei sollte allerdings berücksichtigt werden, dass sich die Beschränkungen der Mitbestimmungsrechte im Wesentlichen in den Regelungen der Art. 5 ff. sowie des Art. 88 Abs. 2 DSGVO in Verbindung mit § 26 BDSG erschöpfen und damit kaum über die ohnehin geltende Einschränkung der Mitbestimmungsrechte in § 75 Abs. 2 BetrVG hinausgehen. Demnach sollen – denkbar allgemein formuliert – die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer:innen geschützt und gefördert werden. Die Vorgaben der DSGVO, konkretisieren diese allgemeine Formulierung allenfalls und stellen keine darüberhinausgehende Beschränkung dar.

Betriebsvereinbarungen: Verschärfungen der Datenschutzrechte zulässig?

Weniger eindeutig zu beantworten ist die umgekehrte Frage – nämlich, ob der Datenschutz Beschäftigter durch eine Betriebsvereinbarung auch verschärft werden kann. Mit anderen Worten – kann mit einer Betriebsvereinbarung eine grundsätzlich nach DSGVO zulässige Datenverarbeitung untersagt werden?

Denkbar wäre zudem der Ausschluss bestimmter Beweismittel, wenn ihre Erhebung unter Verletzung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrats oder unter Verstoß gegen eine Betriebsvereinbarung erfolgte. Hierzu hat sich allerdings das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 13. Dezember 2007 (Az. 2 AZR 537) eindeutig positioniert und festgestellt, dass derartige Verstöße kein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen. Eine entsprechende Regelungskompetenz der Vertragsparteien gegenüber der Rechtspflege existiere demnach nicht.

Auch lässt sich ein Verbot der Verschärfung aus dem Grundsatz ableiten, dass Art. 88 Abs. 1 DSGVO lediglich eine Konkretisierung der Rechte bewirken soll. Diesem Zweck widerspräche eine Verschärfung der Vorschriften durch Kollektivvereinbarungen.

Auch der EuGH spricht in seiner Entscheidung zum Sonderkündigungsschutz von Datenschutzbeauftragten vom 22. Juni 2022 (Az. C-534/20), dass Betriebsvereinbarungen die Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigen sollen.

Auch wenn bislang keine ausdrückliche, gerichtliche Entscheidung zum Problem der Verschärfung der Datenschutzrechte vorliegt, sind damit jedenfalls deutliche Anhaltspunkte für die mangelnde Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen gegeben.

Betriebsvereinbarungen zur Videoüberwachung sind anspruchsvoll

Auch bei der Lektüre einer in der gebotenen Kürze verfassten Übersicht wird deutlich, dass es sich beim Thema der Betriebsvereinbarung zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz um ein durchaus anspruchsvolles handelt. Nur sollte dies nicht zum Anlass genommen werden, an der Thematik zu verzweifeln und diese gar stiefmütterlich zu behandeln. Zusammenfassend empfehlen wir an den Vertragsabschluss systematisch heranzugehen und die (bisweilen auch widerstreitenden) Interessen beider Parteien stets im Blick zu behalten.

In einem Bereich, in dem die Einwilligung der Mitarbeitenden im Zweifel keine verlässliche Rechtsgrundlage darstellen wird, handelt es sich bei der Betriebsvereinbarung um eine probate Alternative. Vor dem Aufsetzen eines entsprechenden Vertrages sollte grundlegend bedacht und festgelegt werden, welcher räumliche Bereich (öffentlich zugänglich oder nicht?) überwacht werden soll oder, ob sich die Überwachung (auch) gegen Personen richten wird. Der Betriebsrat wird rechtzeitig einzuschalten sein. Auch braucht man sich nicht zu Sorgen, dass die Einhaltung der DSGVO-Vorgaben die Rechte des Betriebsrats unzulässig beschneiden würde. Von etwaigen Verschärfungen der Datenschutzrechte wird man voraussichtlich ebenfalls Abstand nehmen können, da diese voraussichtlich ohnehin als unzulässig beurteilt würden (endgültige Gewissheit wird hier allerdings erst eine entsprechende Gerichtsentscheidung bringen).

Und sollte der Abschluss einer Betriebsvereinbarung von scheinbar unüberwindbaren datenschutzrechtlichen Komplikationen gebremst werden, empfiehlt sich natürlich die Konsultation eines/r Datenschutzbeauftragten.

Informieren Sie sich über unsere praxisnahen Webinare
  • »Microsoft 365 sicher gestalten«
  • »Informationspflichten nach DSGVO«
  • »Auftragsverarbeitung in der Praxis«
  • »DSGVO-konformes Löschen«
  • »IT-Notfall Ransomware«
  • »Bewerber- und Beschäftigtendatenschutz«
Webinare entdecken
Mit dem Code „Webinar2024B“ erhalten Sie 10% Rabatt, gültig bis zum 30.06.2024.
Beitrag kommentieren
Fehler entdeckt oder Themenvorschlag? Kontaktieren Sie uns anonym hier.
  • Wir haben glaube ich zu mindestens eine Lösung gefunden, die für alle tragbar ist. Wir verarbeiten hochwertige Materialien und überwachen zum Schutz gegen Diebstahl die Außenhaut unserer Gebäude durch eine Videoanlage. Der Server der Videoanlage ist ein Standalone Gerät, ohne Zugriffsmöglichkeit von außen, der Server steht in einem gesicherten Raum mit Zutrittskontrolle und die Passwörter, zwei Stück, hat nur der Betriebsrat und auch dieser kann nur im 4-Augen-Prinzip auf die aufgezeichneten Daten zugreifen. Wir mussten bis jetzt in 15 Jahren nur einmal auf die Daten zugreifen und konnten den Diebstahl über den BR auch intern klären. Die Speicherzeitbegrenzung ist 72 Std. danach werden die Daten überschrieben. Das ganze Vorgehen hat uns eine BV und Ärger mit den Mitarbeitern erspart.

    • Die Lösung ist wirklich vorbildlich. Für viele Unternehmen wäre dies der beste Mittelweg. Wie wird der sichere Betrieb (Ausfall, Backup) der Anlage gewährleistet?

  • Im Artikel „Betriebsvereinbarung zur Videoüberwachung“ ist eingangs – zumindest für Baden-Württemberg mit § 4 BDSG eine falsche Rechtsgrundlage zitiert.

    Meiner Meinung nach sind für die Zulässigkeitsprüfung von Videoüberwachungsmaßnahmen in Baden-Württemberg Art. 6 Abs. I lit. e) i.V.m. § 18 LDSG BW als Rechtsgrundlagen einschlägig.

    Können Sie mir hierzu eine kurze Rückkopplung geben?

    Vielen Dank.

    • Zunächst vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Rückmeldung.

      Zur Klarstellung möchte ich hervorheben, dass der § 4 BDSG im vorliegenden Text nicht als konkrete Rechtsgrundlage für den Einsatz einer Videoüberwachung in Baden-Württemberg genannt wurde. Vielmehr diente die Nennung des § 4 der beispielhaften Darstellung einer gesetzlichen Norm, die das Thema „Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Bereiche durch öffentliche Stellen“ regelt, die nur in ihrem Anwendungsbereich gem. § 1 BDSG einschlägig ist.

      Wie von Ihnen zutreffend impliziert, wird der Einsatz der Videoüberwachung und der hierfür zu verwendenden Rechtsgrundlage im Einzelfall von diversen, konkreten Faktoren abhängen. Je nach Sachlage können hierzu auch das jeweilige Bundesland und die damit zu berücksichtigenden landesrechtlichen Regelungen gehören.

      Die Bewertung einer konkreten Rechtsgrundlage ist ohne weitere Angaben schwierig, liefe aber bedauerlicherweise ohnehin auf eine vorliegend unzulässige Rechtsberatungsleistung hinaus.

Die von Ihnen verfassten Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern erst nach Prüfung und Freigabe durch unseren Administrator. Bitte beachten Sie auch unsere Nutzungsbedingungen und unsere Datenschutzerklärung.