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Aufbewahrungsfrist: Wann sind Bewerbungen zu löschen?

Aufbewahrungsfrist: Wann sind Bewerbungen zu löschen?

Ob per E-Mail, über eine Bewerbungsplattform oder noch auf klassische Weise per Post: Täglich gleiten etliche Bewerbungen über die Schreibtische und Desktops großer, mittelständischer und kleiner Unternehmen. Die Handhabung mit ihnen erfolgt dabei nicht immer dem rechtlich Gebotenen. Welche Aufbewahrungsfristen für Bewerbungen bei öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen gelten, erläutern wir in diesem Beitrag.

Handhabung von Bewerbungsunterlagen in der Praxis

Wird der Bewerbungsweg über die E-Mail gewählt, speichert der potenzielle Arbeitgeber diese in aller Regel in seinem E-Mail-Verwaltungsprogramm (z.B. Outlook, Thunderbird, Mail etc.). Der noch mögliche, aber etwas aus der Mode gekommene Weg über die Post führt für schriftlich eingereichte Bewerbungen meist in die Ablage beim Personalbüro. Der wohl schnellste und bequemste Weg einer Bewerbung findet über unternehmenseigene oder fremd gehostete Bewerbungsplattformen statt. Egal, über welchen Weg die Bewerbung letztlich in das Unternehmen findet: Über eine einzuhaltende Löschfrist wird oftmals keine Regelung getroffen, sodass die Bewerbungsunterlagen häufig länger aufbewahrt werden als nötig.

Es werden verschiedene Argumente zur langfristigen oder gar unbegrenzten Aufbewahrung angeführt. Die aber wohl häufigsten Gründe zur Aufbewahrung sind die Folgenden:

  • Die Bewerber/innen haben selbst Interesse an einem weiteren Kontakt durch das Unternehmen (oftmals verbunden mit einer Aufnahme in einen sog. Talentpool)
  • Das Unternehmen möchte rechtssicher nachweisen können, dass keine Diskriminierung bei der Ablehnung einzelner Bewerber/innen stattgefunden hat
  • Das Unternehmen hat ein eigenes Interesse daran, zukünftig erneut auf die Bewerber/innen zuzukommen, falls weitere Stellen zu besetzen sind

Aber ist es überhaupt erlaubt Bewerbungen länger aufbewahren als dies für das einzelne Bewerbungsverfahren erforderlich ist?

Datenschutzrechtliche Grundsätze bei der Aufbewahrung von Bewerbungen

Welche Aufbewahrungsfristen für Bewerbungsunterlagen gelten, sagt uns das Gesetz nicht. Art. 88 DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 1, Abs. 8 S. 2 BDSG dient zwar als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Bewerberdaten im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens. Im Übrigen schweigt die Norm aber zu den Aufbewahrungsfristen. Spezifische Regelung zur Löschung von Bewerbungsunterlagen im nicht-öffentlichen Bereich fehlen. Zwar haben einige Länder von der Möglichkeit der Öffnungsklausel des Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 lit. b) DSGVO und Art. 88 DSGVO i.V.m. Art. 23 DSGVO Gebrauch gemacht. Diese Regelungen betreffen aber nur Bewerbungen auf öffentliche Stellen.

Da es im Übrigen keine konkrete Norm zur Aufbewahrung von Bewerbungsunterlagen gibt, müssen die allgemeinen Grundsätze für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten herangezogen werden. Von besonderer Relevanz sind hierbei die Grundsätze der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO) und der Speicherbegrenzung (Art. 5 Abs. 1 lit. e) DSGVO). Der Verantwortliche hat nur solche personenbezogenen Daten von Bewerbern zu erheben, wie sie für das Bewerbungsverfahren notwendig sind und die Daten von abgelehnten Bewerbern unverzüglich zu löschen, sobald ihre Speicherung für die Erfüllung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind (Art. 17 Abs. 1 lit. a) DSGVO). Aber wie lange darf denn jetzt ein Unternehmen die Bewerbungen abgelehnter Bewerber/innen aufbewahren? Nun, es kommt drauf an…

Aufbewahrungsfristen von Bewerbungen bei nicht-öffentlichen Stellen

Endet das Bewerbungsverfahren für eine/n Bewerber/in mit einer positiven Auswahlentscheidung, werden die Bewerbungsunterlagen in die Personalakte des neuen Mitarbeiters oder der neuen Mitarbeiterin überführt. Für die Aufbewahrungsfrist von abgelehnten Bewerbungen ist entscheidend, ob sich der/die abgelehnten Bewerber/in auf eine öffentliche oder nicht-öffentliche Stelle beworben hat. Zunächst wird auf die Aufbewahrungsfristen bei Bewerbungen auf nicht-öffentliche Stellen näher eingegangen:

Aufbewahrung von Bewerberdaten nach Absagen

Auf eine freie Stelle kommen viele Bewerbungen. Hat sich ein geeigneter Kandidat oder eine geeignete Kandidatin gefunden, müssen den übrigen Bewerber/innen abgesagt werden. Gleich im nächsten Moment zum digitalen Radiergummi zu greifen und alle Bewerbungen und personenbezogenen Daten der Bewerber/innen zu löschen würde für den Verantwortlichen jedoch unter Umständen erhebliche Nachteile bedeuten. Denn fühlt sich ein Bewerber/eine Bewerberin bspw. bei der Auswahlentscheidung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt, steht ihm/ihr im Falle der berechtigten Geltendmachung dieser Einwände ein Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung zu. Bewerbungsunterlagen sind daher vom Verantwortlichen in aller Regel bis zum Ablauf der Frist einer möglichen Klage gegen die Auswahlentscheidung im Bewerberverfahren aufzubewahren, anderenfalls geriete er in Beweisnot.

Nach § 61b Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 15 Abs. 4 AGG können die Unterlagen abgelehnter Bewerber/innen bis zu sechs Monate nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens aufbewahrt werden; eine über das Bewerbungsverfahren hinausgehende Aufbewahrung ist damit datenschutzrechtlich vertretbar. Kommt es innerhalb der möglichen Klagefrist hingegen nicht zu einer Klage, sind die Unterlagen der Bewerber/innen gem. Art. 17 DSGVO entsprechend zu löschen. Die Frist setzt sich im Übrigen wie folgt zusammen:

  • 15 Abs. 4 AGG: Hiernach muss ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb von zwei Monaten nach Zugang des Ablehnungsschreibens geltend gemacht werden.
  • Der Geltendmachung von Ansprüchen nach § 15 Abs. 1 AGG schließt sich dann die dreimonatige Frist des § 61b Abs. 1 AGG an.
  • Zu den insgesamt 5 Monaten Aufbewahrungsfrist wird ein Monat für die Abwicklung hinzugerechnet.

Begehrt hingegen der/die abgelehnte Bewerber/in spätestens zwei Monate nach Ablehnung die Löschung der personenbezogenen Daten und hat keinen Anspruch nach § 15 Abs. 1 AGG geltend gemacht, ist mangels Möglichkeit einer Klage nach § 61b AGG dem Löschbegehren vor Ablauf der sechs Monate nachzukommen.

In Österreich hält die DSB aufgrund der nationalen Regelungen zum Gleichbehandlungsgebot und mit ähnlicher Argumentation eine Aufbewahrungsfrist von sieben Monaten für vertretbar.

Löschpflicht beim Zurückziehen der Bewerbung

Geht man auf Ausbildungs- oder Jobsuche, möchte man sein Glück in aller Regel nicht auf das Schicksal einer einzigen Bewerbung setzen. Bei einer Umfrage aus dem Jahr 2014 gaben von 1.055 Befragten insgesamt 25% an, mehr als 40 Bewerbungen in ihrem bisherigen Leben geschrieben zu haben. Mit der zunehmenden Digitalisierung von Bewerbungsprozessen, die seit dem Befragungsdatum enorm Fahrt aufgenommen hat, ist es deutlich leichter geworden den digitalen Bewerbungskatalog in kürzester Zeit an die jeweilige Stellenausschreibung anzupassen und per Mausklick abzusenden.

Hat man eine Zusage erhalten und den Arbeitsvertrag des künftigen Arbeitgebers unterschrieben, zieht man die übrigen, noch offenen Bewerbungen bei anderen Unternehmen wieder zurück. In der Mitteilung ist – je nach Auslegung im Einzelfall – die Aufforderung enthalten, die Bewerbung durch den Verantwortlichen löschen zu lassen. Doch wie hat das verantwortliche Unternehmen mit der Zurücknahme von Bewerbungen umzugehen? Nach den Vorgaben des Art. 17 DSGVO sind die personenbezogenen Daten der Bewerber, die ihre Bewerbung zurückziehen, unverzüglich zu löschen. Der ursprüngliche Zweck zur Verarbeitung – die Teilnahme am Bewerbungsverfahren – ist schließlich mit dem Rückzug der Bewerbung entfallen. Die eingereichten Unterlagen sind dann entweder unverzüglich zurückzugeben oder zu vernichten. Um nachweisen zu können, dass der Bewerber/die Bewerberin die Bewerbung auch auf eigenem Wunsch zurückgezogen hat und deshalb aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschieden ist, darf ein entsprechender Nachweis hierüber vom Verantwortlichen zu Beweiszwecken aufbewahrt werden. Eine Aufbewahrung bis zum Fristende einer möglichen Klage gegen die Auswahlentscheidung ist daher erforderlich und datenschutzrechtlich vertretbar.

Pflicht zur E-Mail-Archivierung vs. Löschpflicht von Bewerbungen

Für geschäftliche Korrespondenzen trifft Unternehmen die Pflicht gewisse E-Mails zu archivieren und entsprechend den einschlägigen Vorschriften aufzubewahren. Dienen E-Mails zur Abwicklung von Handelsgeschäften, sind diese als Handelsbriefe zu qualifizieren und gem. § 257 Abs. 1 Nr. 2 HGB und § 147 Abs. 1 Nr. 2 AO „geordnet aufzubewahren“. Für sie gilt die gesetzliche Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren; Buchungsbelege sind sogar für zehn Jahre aufzubewahren.

Dem ein oder anderen wird sicherlich die Frage aufkommen, inwieweit diese handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen auf Bewerbungen per E-Mail anzuwenden sind. Doch im Ergebnis kommen diese Fristen bei Bewerbungen nicht zum Tragen; sie sind nicht als Handelsbrief zu qualifizieren und daher deutlich früher zu löschen.

Aufbewahrungsfristen von Bewerbungen bei öffentlichen Stellen

Im Gegensatz zur Aufbewahrungsfrist von Bewerbungen bei nicht-öffentlichen Stellen haben die Landesgesetzgeber zumindest teilweise die Aufbewahrung von Bewerbungen bei öffentlichen Stellen in ihren landesrechtlichen Datenschutzgesetzen geregelt. So sind bspw. nach dem Hamburgisches Datenschutzgesetz in § 10 Abs. 6 HmbDSG erfolglose Bewerbungen unverzüglich nach Beendigung des Bewerbungsverfahrens zu löschen. Diese Löschpflicht findet ihre Einschränkung in Satz 2, wonach das überwiegende berechtigte Interesse der öffentlichen Stelle einer Löschpflicht entgegenstehen kann. Neben dem berechtigten Interesse an einer möglichen Beweisführung im Rahmen einer Klage nach dem ArbGG können die Unterlagen aber auch länger als sechs Monate aufbewahrt werden. Das zumindest, wenn der ablehnende Bescheid an den/die Bewerber/in nicht mit einer (landesrechtlich) erforderlichen Rechtsbehelfsbelehrung versehen wurde (so in NRW, nicht aber in Hamburg). Eine Konkurrentenklage ist damit noch ein Jahr lang seit Zustellung des Bescheides möglich (§ 58 Abs. 2 VwGO). Um die Unterlagen für eine mögliche Beweisführung nutzen zu können, darf sie die öffentliche Stelle in diesem Fall ein Jahr lang aufbewahren.

Bei mehrstufigen Bewerbungsverfahren kann das berechtigte Interesse der verantwortlichen öffentlichen Stelle mitunter für eine weitergehende Speicherfrist überwiegen. Sie können datenschutzrechtlich vertretbar sein, wenn das Bewerbungsverfahren aus mehreren Prüfungsetappen besteht, so bspw. bei der Polizei. Scheiden ansonsten geeignete Bewerber/innen wegen behebbarer Gründe aus, können sie sich nach Behebung des Ausscheidungsgrundes zum wiederholten Male bewerben. Einzelne Stufen des Einstellungsverfahren müssen so ggf. nicht erneut wiederholt werden.

Handhabung von Bewerbungsunterlagen richtet sich nach der zu besetzenden Stelle

Festzuhalten bleibt, dass sich die Handhabung von Bewerbungsunterlagen in der Praxis von der zu besetzenden Stelle unterscheidet. Wurde sich auf eine öffentliche Stelle beworben, können die Daten der Bewerber teilweise länger aufgebwahrt werden, als dies im nicht-öffentlichen Bereich der Fall wäre. Möchten Unternehmen in Zukunft auf die Daten abgelehnter Bewerber/innen zurückgreifen, müssen sie zuvor die auf informierter Basis abgegebene Einwilligungen der Betroffenen einholen, diese in einen Talentpool aufzunehmen. Eine nicht erforderlich lange Speicherung abgelehnter Bewerbungen verstößt gegen den Grundsatz der Speicherbegrenzung. An die datenschutzrechtlichen Grundsätze hat sich der Verantwortliche daher auch bei dem Umgang mit und der Aufbewahrung von Bewerbungen zu halten.

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  • Wie verhält es sich denn hinsichtlich der „Pflicht“ (sofern es eine solche überhaupt gibt) dass E-Mails aus Sicht des Handels- und Steuerrecht revisionssicher, d.h. unveränderbar, zu archivieren sind in Bezug auf die Möglichkeit, eine E-Mail mit einer Bewerbung händisch löschen zu können? Der böswillige Unternehmer könnte ja dann, wenn die Möglichkeit zur händischen Löschugn einzelner Nachrichten besteht, auch einzelne E-Mails mit handels- und steuerrechtlichen Inhalten entfernen…?

  • Wir sind einen internationaler Konzern, muss ich hier bei der Aufnahme in den Bewerberpool nicht unterscheiden, ob der Bewerber überhaupt für eine Stelle im Konzern geeignet ist oder ist es sinnvoller 2 Bewerberpools zu führen. Einen Bewerberpool für den Standort und einen Bewerberpool Konzern weltweit. Wie muss ich das abfragen, damit ich hier rechtssicher bin?

    • Bitte haben Sie Verständnis, dass wir in der Kommentarsektion unserer Beiträge keine Rechtsberatung erteilen dürfen.
      Ob es im Einzelfall sinnvoller ist, einen konzerninternen oder zwei getrennte Bewerberpools zu führen, ist Geschmackssache und kann sich aufgrund unterschiedlichster Faktoren anbieten oder weniger anbieten. Sollte ein konzerninterner Bewerberpool geführt werden, muss nicht nur der Bewerber hierüber transparent informiert werden, wer Empfänger seiner Daten werden kann. Je nachdem, wie die Rollen der Beteiligten ausgestaltet sind, kommt eine gemeinsame Verantwortlichkeit der Betreiber i.S.d. Art. 26 DSGVO in Betracht. Sofern ein internationaler Datentransfer stattfindet, sind die jeweiligen Besonderheiten hierbei zu beachten (gerade, wenn es um Drittländer ohne Angemessenheitsbeschluss geht). Hier empfiehlt sich eine entsprechende Beratung im Vorfeld einzuholen.

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