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Urteil: Kein Schadenersatz nach erfolgloser Bewerbung

Urteil: Kein Schadenersatz nach erfolgloser Bewerbung

Immer wieder kommt es in der Praxis vor, dass datenschutzrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, obgleich es dem Betroffenen augenscheinlich gar nicht auf die Schutzzwecke des Datenschutzrechts (sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen) ankommt. Je nach konkreter Situation, kann ein solches Vorgehen als rechtsmissbräuchlich gewertet werden. Im Folgenden wird ein Fall beleuchtet, in welchem ein Betroffener nach Ablehnung einer Bewerbung einen Schadenersatzanspruch geltend machen wollte.

Mal wieder ein Auskunftsanspruch

In dem vorliegenden Fall handelt es sich um ein Berufungsverfahren vor dem LAG Schleswig-Holstein (Urt. v. 21.2.2023 – 1 Sa 148/22), nachdem die Vorinstanz die Klage abgewiesen hatte. Das beklagte Unternehmen hatte eine Stelle im Bereich „Customer Service (m/w/d)“ ausgeschrieben. Der Kläger bewarb sich auf diese Stelle und erhielt von dem Unternehmen eine Absage. Im Anschluss daran verlangte der Kläger zunächst die Zahlung von 1500 Euro, da er ansonsten eine Klage wegen Altersdiskriminierung (gem.§ 15 Abs. 2 AGG) erheben würde. Das Unternehmen bot dem Kläger daraufhin ein Vorstellungsgespräch an, was dieser jedoch ablehnte. Wenige Monate später machte der Kläger dann einen Auskunftsanspruch gem. Art. 15 DSGVO geltend und erhob am gleichen Tag noch Klage beim Arbeitsgericht. Das Unternehmen beantwortete das Auskunftsersuchen circa eine Woche später. Nach Ansicht des Klägers habe das Unternehmen den Anspruch aber nicht gänzlich erfüllt und er verlangte auf Grund dessen Schadenersatz gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Höhe von 3000 Euro. Im Zuge des Prozesses stellte sich dann noch heraus, dass der Kläger in der Vergangenheit bereits mehrere ähnlich gelagerte Prozesse geführt hatte.

Die Wertung des Gerichts

Das Gericht wertete die Berufung des Klägers als unbegründet und sprach dem Kläger entsprechend keine Entschädigung gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu. Die Norm besagt Folgendes:

„Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.“

Das Gericht stellte zwar fest, dass die Beklagte in der Tat gegen einige Vorschriften der DSGVO verstoßen habe, einem Entschädigungsanspruch jedoch der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehe. Dies begründet das Gericht damit, dass vorliegend die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nur dazu diene, die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung zu veranlassen. Dabei handele es sich um eine Konstellation, bei welcher ein Recht nur ausgeübt wird, um vertragsfremde oder unlautere Zwecke zu erreichen. Darin sah das Gericht einen Fall des Rechtsmissbrauchs. Als Beleg hierfür wird angeführt, dass der Kläger seine Auskunftsansprüche zeitgleich mit der Entschädigungsklage geltend gemacht hat. Darüber hinaus sei sein Anspruchsschreiben offensichtlich aus anderen Schreiben zusammenkopiert (was u.A. daran erkannt wurde, dass sich darin Informationen aus einem anderen Prozess gegen ein anderes Unternehmen befanden, die der Kläger vermutlich versäumt hatte anzupassen).

Das Gericht äußert sich zusammenfassend wie folgt dazu:

„Das belegt aus Sicht des Gerichts, dass es dem Kläger mit dem Auskunftsverlangen allein darum geht, Druck auf die Beklagte auszuüben, um eine möglichst hohe Entschädigung zu erlangen und dass er dieses Vorgehen systematisch betreibt. Das Auskunftsbegehren erweist sich damit zugleich als Teil einer auf die Zahlung eines möglichst hohen Geldbetrags gerichtete „Gesamtstrategie“ des Klägers. Das wird von der Rechtsordnung nicht gedeckt.“

Da der Kläger, trotz der Beantwortung seines Auskunftsersuchens, im Rahmen einer Klageerweiterung alle Auskunftsansprüche erneut einklagen wollte, seien seine Auskunftsersuchen zudem offensichtlich überschießend und unverhältnismäßig. All dies sieht das Gericht als Beleg dafür, dass der Kläger es nur auf die Zahlung einer Entschädigung abgesehen habe. Außerdem sei es ein Belge dafür,

„dass es dem Kläger nur darum ging, der Beklagten möglichst lästig zu fallen und Arbeit zu bereiten, […]“.

Im Übrigen lehnte das Gericht auch den geltend gemachten Anspruch gem. Art. 15 Abs. 2 AGG ebenfalls wegen eines Rechtsmissbrauchs-Einwands ab. Über die Frage der Altersdiskriminierung wurde daher in der Sache gar nicht erst entschieden.

Andere Fälle des (möglichen) Rechtsmissbrauchs

Mit einer möglicherweise rechtsmissbräuchlichen Nutzung des Auskunftsanspruchs gem. Art. 15 DSGVO haben sich bereits einige deutsche Gerichte beschäftigen dürfen. Hinsichtlich eines Anspruchs auf Datenkopie entschieden die OLGs München und Hamm, dass ein solcher nicht bestehe, wenn es dem Betroffenen nur darauf ankommt bestimmte Unterlagen mit dem Ziel zu erhalten, gegen den Verantwortlichen im Anschluss vermögensrechtliche Ansprüche geltend machen zu können.

Das OLG Köln vertritt hingegen die Auffassung, dass der Schutz der Daten nicht unbedingt das einzige Ziel bei der Geltendmachung des Auskunftsrechts sein muss, selbst in Fällen bei denen es dem Kläger um die Vorbereitung vermögensrechtlicher Ansprüche geht. Auch das LAG Berlin ist der Ansicht, dass der Auskunftsanspruch nicht von einer entsprechenden Motivation des Betroffenen abhängig ist und auch gerade nicht verlange, dass der Betroffene sein Begehren auf Auskunftserteilung in irgendeiner Form begründen muss.

Die Datenschutzbehörden haben sich zuweilen ebenfalls mit potentiell rechtsmissbräuchlichen Anfragen auseinanderzusetzen. So hat etwa die österreichische Aufsichtsbehörde es abgelehnt tätig zu werden, nach dem ein Beschwerdeführer einem Webseitenbetreiber anbot, ihn wegen diverser Datenschutzverletzungen nicht bei der Behörde zu melden, wenn er ihm einen bestimmten Geldbetrag zahlen würde. Die Behörde sah in Kenntnis dieser Umstände kein Rechtschutzbedürfnis bei dem Beschwerdeführer und bewertete die Beschwerde daher als rechtsmissbräuchlich.

Es kommt darauf an!

Obgleich zahlreiche Menschen, die regelmäßig mit Juristen zusammenarbeiten diesen Satz sicher nicht mehr hören können, ist er auch hier einmal mehr relevant. Es gilt grundsätzlich gem. Art. 12 Abs. 5 DSGVO, dass Begehren dann abgelehnt werden können, wenn sie offenkundig unbegründet oder exzessiv sind. In dem hier vorgestellten Fall hatte das Gericht zahlreiche Hinweise zur Verfügung, wie etwa das systematische Vorgehen des Klägers, die für ein offensichtlich rechtsmissbräuchliches und exzessives Verhalten sprachen. Darüber hinaus hatte die Beklagte den Auskunftsanspruch auch fristgemäß erfüllt.

Dennoch gibt es auch Fälle, bei denen nicht so eindeutig erkennbar ist, ob es dem Betroffenen nicht doch zumindest auch um datenschutzrechtliche Zwecke geht. Beim EuGH war dazu die Vorlagefrage anhängig, ob die Verfolgung anderer, datenschutzfremder, aber legitimer Zwecke dazu führt, dass eine Auskunft gem. Art. 15 DSGVO verweigert werden darf. Der EuGH antwortete hierauf, dass es weder nach dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 5 noch dem von Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO erforderlich ist, dass der Antrag begründet wird. Daher könne ein Antrag auch nicht zurückgewiesen werden, wenn mit ihm ein anderer Zweck verfolgt wird als der, von der Verarbeitung Kenntnis zu nehmen und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Das in Art. 15 Abs. 1 DSGVO garantierte Recht auf Auskunft dürfe nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden, die der Unionsgesetzgeber nicht ausdrücklich festgelegt hat. Es ist somit zu erwarten, dass auch in Fällen, in denen ein Auskunftsanspruch offensichtlich einem datenschutzfremden Zweck dient (wie der Vorbereitung von etwaigen zivilrechtlichen Ansprüchen), der Verantwortliche den Anspruch erfüllen muss.

Ein Versagen des Auskunftsanspruchs dürfte lediglich noch in Ausnahmefällen denkbar sein. Da in dem vorliegenden Fall im Gegensatz zu dem EuGH-Fall der Auskunftsanspruch erfüllt wurde und der Kläger dennoch Schadenersatz einklagen wollte und zudem weitere Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten vorlagen, ist jedoch auch angesichts des EuGH-Urteils nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass dieser Fall im Ergebnis anders beurteilt worden wäre.

Bedeutung des Urteils für den Auskunftsanspruch

Der Auskunftsanspruch ist nach wie vor ein zu Recht bei Unternehmen gefürchtetes Werkzeug der Betroffenen. Es gibt jedoch dank solcher Urteile wie dem hier vorgestellten auch Hoffnung, dass zumindest solche eindeutigen Fälle, bei denen eine Person systematisch Auskunfts- bzw. datenschutzrechtliche Schadenersatzansprüche aus rein finanziellen Interessen geltend macht, nicht zulässig sind und sich entsprechendes Querulantentum nicht bezahlt macht. Insoweit kann die Angst vor solchen Anspruchsstellern eventuell ein klein wenig vermindert werden.

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