Es gibt eine Data-Literacy-Charta mit der Forderung: Umgang mit Daten sollte zur Allgemeinbildung zählen, so wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Der Mensch soll endlich datenkompetent werden. Sogar die Politik ist mit an Bord. Wir werfen ein Licht auf das Thema Datenkompetenz.
Der Inhalt im Überblick
Datenverarbeitung in der Informationsgesellschaft
In der heutigen Informationsgesellschaft stellt die Datenverarbeitung eine der Kernsäulen der Wirtschaft und Gesellschaft dar. Waren zu Anfang der 80er Jahre Computer in Privathaushalten noch selten anzufinden, änderte sich das Bild ab Mitte der 90er Jahre langsam, angetrieben auch durch die Verbreitung des Internets. Am Ende des Jahrzehnts war es dann schon so weit, dass sogar ein Boris Becker werbewirksam ins Internet wollte – vielleicht erinnert sich der ein oder andere Leser noch an den „Ich bin drin“-Werbespot. Der Rest ist Geschichte. Man kann es nicht oft genug sagen: Datenverarbeitung ist eine der Kernsäulen der Gesellschaft und Wirtschaft. Überall sind Daten. Doch den richtigen Umgang mit ihnen kriegt man nirgendwo beigebracht.
Die Data Literacy Charta
Der hinter der Datenkompetenz-Initiative stehende Stifterverband möchte dies ändern. Dieser beschreibt sich als eine Gemeinschaftsinitiative von Unternehmen und Stiftungen, die in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Innovation berät, vernetzt und fördert und weist aktuell über 3000 Mitgliedern, bestehend aus DAX-Konzernen, Mittelständlern, Unternehmensverbänden, und Privatpersonen auf. Bemüht um diese Ziele, veröffentlichte der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft im Januar 2021 eine von zahlreichen Fachgesellschaften, Politikern und Institutionen unterstützte „Data-Literacy-Charta“.
Unter den Unterzeichnern der Charta finden sich einige prominente(re) Namen und Institutionen, wie etwa das europäische Büro des IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers), dem weltweiten größten technischen Berufsverband von Ingenieuren. Das Dokument wird auch vom Digitalrat der Bundesregierung unterstützt und wurde von bekannten Politikerinnen wie Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Dorothee Bär (CSU) unterzeichnet.
Wie Lesen und Schreiben
Worum geht es? Um Daten und Kompetenz. Also Datenkompetenz.
In den Worten des stellvertretenden Generalsekretärs und Mitglieds der Geschäftsleitung des Stifterverbandes, Herr Volker Meyer-Guckel, klingt dies dann etwa so:
„[…] genauso wie Lesen, Schreiben und Rechnen Grundkompetenzen sind, die einfach zur Bildung gehören, damit man gesellschaftliche Teilhabe betreiben kann, so gehört in einer digital und datengetriebenen Welt der Umgang mit Daten und das Wissen darüber, was und wie man damit umgehen soll.“
Die Datenkompetenz-Initiative klingt vernünftig. Und die Forderung ist längst überfällig angesichts der Informationsgesellschaft, in der wir leben.
Der Datenschützer ist datenkompetent
Doch Datenschützer werden beim Lesen der Charta milde lächeln. Es ist vertrautes Terrain. So heißt es in der Charta etwa:
Was will ich mit Daten machen? Daten und Datenanalysen sind kein Selbstzweck, sondern dienen einer konkreten Anwendung in der realen Welt.
Ah, der Sound des Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO, wonach personenbezogene Daten für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden sollen.
Was kann ich mit Daten machen? Datenquellen und deren Qualität sowie der Stand der technischen und methodischen Entwicklungen eröffnen Möglichkeiten und setzen Grenzen.
Wer denkt da nicht sofort an eine Datenschutz-Folgenabschätzung gem. Art. 35 DSGVO?
Was darf ich mit Daten machen? Alle gesetzlichen Regeln der Datennutzung (z.B. Datenschutz, Urheberrechte und Lizenzfragen) müssen immer mitbedacht werden.
Art. 6 DSGVO lässt grüßen!
Was soll ich mit Daten machen? Weil Daten eine wertvolle Ressource darstellen, leitet sich daraus ein normativer Anspruch ab, sie zum Wohl von Individuen und Gesellschaft zu nutzen.
So, und wer bringt dies nun Mark Zuckerberg bei?
Doch Spaß beiseite: Der Umgang mit Daten und das Wissen darüber, was und wie man damit umgehen soll, ist auch das Geschäft des Datenschutzrechts. Und auch wenn nicht abschließend, die DSGVO hat hierzu eine Menge zu erzählen. Dass viele der löblichen Ideen in der Data-Literacy-Charta mich an Passagen aus der DSGVO erinnern, zeigt vor allem auch, dass der Datenschutz versucht, einen Handlungsrahmen für einen vernünftigen Umgang mit Daten zu geben. Das gelingt nicht immer, aber größtenteils. Unternehmen tun daher gut daran, sich hieran zu orientieren – auch wenn es manchmal mühsam ist.
Datenkompetenz ist definitiv ein Thema. Allerdings brauchen wir hier auch die Fachlehrer dazu. Ich möchte niemanden zu nahe treten, aber 98% unserer Lehrer haben die sicherlich nicht. Mein Sohn hatte „IT“ als Fach in der Schule. Was haben sie da gelernt? Schnellschreiben am Computer! Was hat das mit IT zu tun??
Das müsste schon im Lehrerstudium als Fachrichtung angeboten werden. Und hier gehört mMn dann ein großer Anteil Datenschutz dazu. Denn wenn ich mir die Unterstützer diese Initiative anschaue, sind das die, denen Datenschutz eher ein Dorn im Auge ist.
Und wie wenig Ahnung vom Datenschutz sowohl Politiker als auch Moderatoren und so mancher Promi hat, wird durch die Corona Diskussionen mal wieder sehr deutlich. Die App funktioniert nicht wegen Datenschutz, die Menschen können nicht informiert werden wegen Datenschutz usw usw. Immer wenn man keine Ahnung hat, ist der Datenschutz schuld.
Es ist heutzutage wichtig zu zeigen, was ist möglich mit meinen Daten, aber es ist auch wichtig, dass wir auch eine „moralische Kompetenz“ im Umgang mit Daten lernen.