Mit einem Phänomen unserer Zeit, dem sogenannten „Sharenting“, dürfte sich jeder von uns schon beschäftigt haben. Sicherlich auch diejenigen, welche nur ab und zu ihre Zeit in den vielfältigen sozialen Netzwerken verbringen. Sharenting ist ein Kunstwort aus „Share“ und „Parenting“. Dabei machen Eltern gefühlt pausenlos Fotos von ihren Kindern und verbreiten sie bei Facebook und Co. Was möglicherweise gut gemeint ist, kann für die betroffenen Kinder in Zukunft schwerwiegende Folgen haben.
Der Inhalt im Überblick
Studie des Deutschen Kinderhilfswerks
Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) hat Anfang dieses Jahres eine Studie zum Thema Sharenting durchgeführt. Dabei wurden 37 Familien mit ihren Kindern zwischen 6 und 15 Jahren unter die Lupe genommen, was die Medienerziehung der Kinder angeht. Die Befragung wurde in fünf Regionen in vier Bundesländern vorgenommen. Im Kern wurde – wenig überraschend – festgestellt, dass soziale Medien inzwischen fester Bestandteil im familiären Alltag sind.
Insbesondere findet die Kommunikation zwischen Familienmitgliedern selbst heutzutage selbstverständlich über WhatsApp oder Facebook statt. Bei allen teilnehmenden Familien verfügen sowohl die Eltern als auch die Kinder über Smartphones und hatten die einschlägigen Apps installiert. Interessant war auch ein Ergebnis der Studie dahingehend, dass die Mehrheit der Eltern Facebook eher als „öffentlich“ und WhatsApp eher als „privat“ eingestuft hat.
Fotos und Videoaufnahmen von Kindern
Allein in Deutschland leben derzeit ca. 20 Millionen Kinder und Jugendliche. Nach Angaben des DKHW sind etwa vier Millionen Bilder und andere Informationen im World Wide Web vorhanden. Überflüssig zu erwähnen, dass es sich insbesondere bei Fotos und/oder Videos um personenbezogene Daten handelt. Allerdings scheint dies vielen Eltern nicht oder nicht vollständig bewusst zu sein. Die Berliner Bloggerin Toyah Diebel hatte kürzlich die Kampagne #deinkindauchnicht ins Leben gerufen, um öffentlich auf die Problematik des Sharenting aufmerksam zu machen:
„Uns Erwachsenen ist es wichtig, stets die Kontrolle darüber zu haben, welche Bilder und Daten von uns im Netz landen. Bei unseren Kindern sieht das oftmals etwas anders aus.“
Es ist grundsätzlich erst einmal vollkommen natürlich, Fotos oder Videoaufnahmen von seinen Kindern anzufertigen. Im Gegensatz zu „früher“ bleiben diese Daten aber nicht mehr intern im geschützten Familienkreis, sondern werden geradezu reflexartig in sozialen Medien veröffentlicht, wo sie vielfach verbreitet werden können. Eltern und Erwachsene im Allgemeinen hätten sich offenbar längst daran gewöhnt, mit anderen ihre privaten Momente zu teilen. Dies gelte aber nicht für Kinder, so Diebel weiter.
Datenschutz ist für alle da
Unzweifelhaft handelt es sich bei (privaten) Fotos und Videoaufnahmen, auf welchen eine oder mehrere Personen eindeutig zu erkennen sind, um personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass eine wirksame Einwilligung vorliegen muss, damit die Datenerhebung und -verarbeitung rechtmäßig erfolgt. Das Kind selbst kann die Einwilligung erst nach Vollendung des 16. Lebensjahres geben. Vorher haben die Eltern das Persönlichkeitsrecht ihrer Kinder nach bestem Wissen und Gewissen zu beachten.
Nicht vom Anwendungsbereich der DSGVO erfasst ist das Verarbeiten von personenbezogenen Daten durch natürliche Personen zu persönlichen oder familiären Zwecken. Hier greift also die sogenannte „Haushaltsausnahme“ (Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO). Dies trifft auf das Anfertigen von Fotos beispielsweise einer Familienfeier grundsätzlich zu. Sobald diese Daten allerdings in soziale Netzwerke hochgeladen und damit einem unüberschaubaren Personenkreis zugänglich gemacht werden, kommt eine Anwendung der oben genannten Ausnahmevorschrift allerdings nicht mehr in Betracht.
Das Gegenteil von gut ist gut gemeint
Grundsätzlich ist es ratsam, das Kind vor einer Veröffentlich zu fragen, ob es damit einverstanden ist. Dabei sollte gegebenenfalls ein „Nein“ des Kindes akzeptiert werden. Die Studie des DKHW habe laut der Mitautorin Nadia Kutscher gezeigt,
„dass Kinder ziemlich früh sagen [können], was für sie in Ordnung ist. Eltern unterschätzen oft die Folgen ihres Handelns.“
Sicherlich verfolgen Eltern meist gute Absichten, wenn sie Fotos ihrer Kinder in sozialen Netzwerken präsentieren. Aber die Gefahren, die dabei lauern, werden stark unterschätzt. So dürften sich viele Kinder in ihrer Privatsphäre verletzt fühlen, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt zufällig auf die Bilder stoßen, auf welchen sie möglicherweise halb nackt, beim Mittagsschlaf oder in Badesachen am Strand gezeigt werden. Solche Bilder können nicht nur entwürdigend sein, sondern stellen auch ein Schlaraffenland für Pädophile dar.
Auch lassen sich durch Fotos und Informationen, welche die Schule oder die Wohngegend des Kindes betreffen, Rückschlüsse auf dessen privates Umfeld und dessen soziales Milieu ziehen. Auf diese Weise könnte schon seit Geburt ein umfassendes Persönlichkeitsprofil erstellt werden, ohne dass das betroffene Kind dies überhaupt mitbekommt. Wenn Daten „unkontrolliert“ über Facebook oder WhatsApp verbreitet werden, kann leicht eine Beeinflussung durch die großen Datenkraken unserer Zeit erfolgen.
Appell an die Vernunft
Umso wichtiger ist es, dass sich Eltern tatsächlich diesen Gefahren bewusst sind. Wenn es sich nicht um die eigenen personenbezogenen Daten handelt, hilft immer die Kontrollfrage, ob man in die Datenerhebung einwilligen würde, wenn man selbst Betroffener wäre.
Auch ist bereits eine Vielzahl von Fällen bekannt geworden, in denen Eltern Fotos und Videoaufnahmen zu eigenen Marketingzwecken missbraucht haben, oder um einfach nur die Followerzahl auf Instagram zu erhöhen. Eltern haben die Pflicht, die Persönlichkeitsrechte ihrer Kinder verantwortungsvoll wahrzunehmen. Die Zeit wird zeigen, ob hier tatsächlich ein Umdenken in die richtige Richtung stattfindet.
Die Folgen sind leider bisher nicht erkennbar. Das Web 2.0 ist grad mal 20 Jahre alt und die wohl bekannteste soziale Foto-Plattform “Instagram” gibt es “erst” seit 2010. Welche Folgen dies für die Psyche der Internet-Babys birgt, ist wohl noch abzuwarten.
Viele Eltern sind sich einfach wirklich nicht bewusst, dass sie diese freizügige und bereitwillige Freigabe von persönlichen Daten ihren Kindern wortwörtlich vorleben. Die Hemmschwelle sinkt und Gefahren sind für die Kinder nicht erkenntlich. Das Internet ist für viele zwar ein alltägliches Medium geworden, die Funktionsweise bleibt dennoch zu abstrakt und mühselig, um sich damit näher auseinanderzusetzen. Schön, dass es Aufklärungsseiten wie Ihre gibt, die auf verschiedenste Thematiken hinweisen, die auch für Laien leicht verständlich sind.
Vielleicht ein kleiner Weckruf für die hippen und modernen Eltern, die das private Leben ihrer Sprösslinge mit der ganzen Welt teilen wollen. Aber seien wir doch mal ehrlich, wer würde auch im “realen” Leben seine Fenster weit aufreißen wie Schaufenster um andere Menschen an seinen intimsten Momenten teilhaben zu lassen?
Ich möchte darauf hinweisen, dass es kein pauschales Einwilligungsalter von 16 Jahren gibt. Die Ihrerseits sicher angedeutete Norm des Art. 8 DSGVO bezieht sich eindeutig auf „Dienste der informationsgesellschaft“.
Ich danke Ihnen davon ab allerdings dafür, dass Sie diese Thematik einmal ansprechend und die Problemfelder auch für Laien verständlich aufbereitet haben.
Vielen Dank für Ihre Anmerkung bzw. Präzisierung. Es ist zutreffend, dass Art. 8 DSGVO hier keine unmittelbare Anwendung findet. Es kommt selbstverständlich auch auf die tatsächliche Einwilligungsfähigkeit an.