IT-forensische Anfragen zu vermuteten Straftaten dürften nur unter bestimmten Bedingungen in Deutschland bearbeitet werden – warum eigentlich? Und warum zeichnen US-amerikanische Filme ein anderes Bild?
Der Inhalt im Überblick
Once Upon a Time in Hollywood
In Filmen ist das immer so schön einfach. Ein Privatdetektiv durchsucht den Laptop eines Beschuldigten innerhalb von Sekunden und findet was er braucht. Damit kann die Unschuld seines Mandanten beweisen und… – ui, Moment, Unschuld „beweisen“? – ist das normal? Und abgesehen von den offensichtlichen Superman-Fähigkeiten: geht so etwas auch rechtlich? Die Beantwortung dieser Fragen hängt von vielen Faktoren ab, z.B. vom Rechtskreis, in dem die Szene spielt. Aber der Reihe nach.
Ja wo sind wir denn?
Wie sicherlich bekannt sein dürfte, haben sich im Lauf der Geschichte verschiedene Rechtskreise herausgebildet, insbesondere das sog. „Civil Law“ und das „Common Law“ bzw. „Case Law“. Ersteres wird auch als kontinentaleuropäisches Recht bezeichnet, liegt also auch dem deutschen Recht zugrunde, letzteres findet seine Verbreitung im englischsprachigen Raum. Zwischen diesen beiden Rechtskreisen gibt es viele Unterschiede. Eine Übertragbarkeit von Rechtsgrundsätzen in den jeweils anderen Kreis ist meist nur bedingt möglich.
Deutsches Recht
Im öffentlichen Recht, wozu auch das Strafrecht zählt, gibt es in Deutschland den sog. Amtsermittlungsgrundsatz. Dieser besagt, dass eine Behörde oder ein Gericht von sich aus den Sachverhalt ermitteln muss, bevor sie oder es eine Entscheidung trifft. Im Strafrecht fängt die Staatsanwaltschaft an zu ermitteln, sobald sie einen Anfangsverdacht hat. Dabei ist sie zur Objektivität verpflichtet, vgl. § 160 StPO. Sie hat also die belastenden wie entlastenden Umstände zu ermitteln und bezeichnet sich daher gerne auch als „objektivste Behörde der Welt“. Der Richter ist zudem dazu verpflichtet, die Wahrheit zu erforschen und wenn nötig Gutachten über fragliche aber entscheidende Umstände erstellen zu lassen.
US-amerikanisches Recht
In den USA untersucht die Staatsanwaltschaft entlastendes Material nicht. Dem Richter ist überdies eine passive Rolle zugedacht. Weder befragt er Zeugen, noch gibt er Gutachten in Auftrag. Dies haben jeweils die Parteien selbst, also die Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte zu erledigen. Diese Art des Parteiprozesses ähnelt dem deutschen Zivilprozess, in dem der Beibringungsgrundsatz die Parteien dazu verpflichtet, die jeweils für sie positiven Beweise vorzulegen.
Was heißt das für die IT-Forensik?
Bei privaten Anfragen zu forensischen Gutachten in Deutschland muss daher genau hingesehen werden, ob es sich bei dem Untersuchungsgegenstand möglicherweise um eine strafbare Handlung dreht. Wenn dies mit ausreichender Wahrscheinlichkeit der Fall ist, ist die Staatsanwaltschaft die richtige Adresse. Sie hat in einem solchen Fall zu ermitteln. Private Gutachten dürfen parallel durchaus eingeholt werden. Allerdings steht es dem Richter frei, diese vor Gericht als Beweismittel zuzulassen. Die Kosten sind auch nur in Ausnahmefällen erstattungsfähig.
Anders sieht es, wie bereits erwähnt, im Zivilprozess aus. Dort haben die Parteien Ihre Ansprüche schlüssig darzulegen. Unabhängige Gutachten können hier große Hilfe leisten. Und nicht selten folgt einem Strafprozess ein Zivilrechtsprozess in gleicher Sache, um die durch die strafbare Handlung entstanden Schäden erstattet zu bekommen.
Hör mir auf mit Datenschutz!
Natürlich verkürzt diese Analyse die Dinge auf wenige Punkte und das Spektrum an vergleichbaren Aspekten ist groß. So gibt es z.B. markante Unterschiede im Datenschutz, auch innerhalb der einzelnen US-Bundesstaaten. Aber dazu mehr an anderer Stelle und zurück zum Anfang: Dass die Realität oft viel nüchterner aussieht, als die Traumschmieden aus Hollywood es uns verkaufen wollen, wissen wir. Was wir uns aber zu selten vor Augen führen, ist, dass die Ideen für Szenen US-amerikanischer Filme einem anderen Rechts- und Kulturkreis entspringen. Insofern dürfen wir uns inspirieren lassen – in der Praxis daran orientieren sollten wir uns aber lieber nicht.