Das Oberverwaltungsgericht von Nordrhein Westphalen hat den Eilantrag eines Studierenden abgelehnt, der sich gegen die Corona-Prüfungsordnung der Fernuniversität Hagen gewandt hat. Ein weiterer scheitertet in Schleswig-Holstein. Damit sind die während der Corona-Pandemie unter Videoaufsicht stattfindenden Online-Prüfungen erstmal nicht zu beanstanden.
Der Inhalt im Überblick
Grundlegende Problematik
Die Fernuniversität Hagen sieht in ihrer Corona-Prüfungsordnung vor, dass Prüflinge durch eine Video- und Tonaufzeichnung bei den Online-Klausurprüfungen im Homeoffice beaufsichtigt werden. Präsenzprüfungen können derzeit nicht durchgeführt werden. Nicht nur die Kamera und Mikrofon sind einzuschalten, auch die Bildschirme werden geteilt und aufgezeichnet. Laut Prüfungsordnung sind die Daten nach Ende der Prüfung zu löschen. Außer die Aufsicht hat Unregelmäßigkeiten vermerkt oder der Prüfling hat Einsicht in die Aufnahme beantragt. Ein Student der Uni Hagen wollte nicht, dass Aufzeichnungen angefertigt und gespeichert werden und hat vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) die vorläufige Untersagung der Aufzeichnung und Speicherung begehrt. Dabei berief er sich auf Verstöße gegen die DSGVO und sein Recht auf Informationelle Selbstbestimmung.
Die Antwort des OVG
Das OVG hat den Eilantrag abgelehnt. Begründet wurde es dadurch, dass gemäß DSGVO Datenverarbeitungen erlaubt sind, wenn diese für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, im öffentlichen Interesse liegen oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgen. Hier vorliegend, da Hochschulen als Verantwortliche fungieren, weil sie zur Durchführung von Prüfungen verpflichtet sind. In Wahrnehmung dieser Aufgabe muss die Hochschule dem Grundsatz der Chancengleichheit gerecht werden.
Den Prüflingen müssen vergleichbare Prüfungsbedingungen und Erfolgschancen gewährleistet werden. Durch Täuschungsversuche verschaffen sich manche einen Vorteil gegenüber ihren Kommilitonen. Daher ist für diesen Zweck die Aufzeichnung und vorübergehende Speicherung geeignet und erforderlich. Darüber hinaus wird dem Studierenden die Möglichkeit eingeräumt, Störungen während der Prüfung nachzuweisen.
Bekanntes Problem der Videoüberwachung
Es muss erläutert werden, dass das OVG im vorliegenden Fall nicht die Rechtmäßigkeit der Aufzeichnung und Speicherung im Eilverfahren klären konnte. Wir haben auch bereits im vergangenen Jahr die Thematik genauer erläutert. Gerade die damals aufgezeigten Probleme bleiben bestehen.
Verwunderlich ist es nunmehr, dass das OVG trotz der Kritik von Datenschützern eine Videoüberwachung weiterhin als geeignetes Präventionsmittel erachtet. Gerade wenn Hochschulen die Aufsicht der Online-Klausuren auf eine Einwilligung von Studierenden stützen möchten, stellt sich hier die Frage, inwieweit diese Freiwillig erfolgt. Vor allem dann, wenn keine Alternativen angeboten werden. In Bezug auf die Chancengleichheit, kann es bereits daran scheitern, dass nicht alle Studierende über die gleichen technischen Voraussetzungen verfügen.
Einzelfall oder Tenor für die Zukunft?
Leider war die Entscheidung des OVG NRW kein Einzelfall. Auch das OVG Schleswig-Holstein entschied gleich. Ein Studierender der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), wollte ebenfalls, dass die Online-Prüfungen ohne die vorgesehene Videoaufsicht stattfinden. Der Antrag wurde als unzulässig verworfen.
Laut OVG kann der Studierende das Ziel des Antrags nicht erreichen und seine Rechtsstellung auch nicht verbessern. Begründet wird das ganze dadurch, dass die CAU keine Online-Prüfungen anbieten würde, wenn sie diese nicht an eine Videoaufsicht koppeln dürfte.
Weiterhin hätte der Antrag ebenfalls kein Erfolg, weil die Videoaufsicht nicht gegen den Willen der Studierenden erfolgt. Diese könnten frei entscheiden, ob sie eine Online-Prüfung mit Aufsicht oder später die Präsenzprüfung ablegen möchten.
Wie das OVG NRW, rechtfertigt das OVG Schleswig-Holstein den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mit dem Gebot auf Chancengleichheit. Es sieht die Videoaufsicht als gleich geeignet, mit der Klausuraufsicht in Präsensprüfungen, um Täuschungsversuche zu enttarnen. Dass dadurch nicht alle Täuschungsversuche verhindert werden können ist klar, aber dies sei bei den Präsenzprüfungen ebenfalls der Fall. Zuletzt führt das OVG aus, dass es nicht zu einem „unbeobachtbaren Beobachtetwerden“ kommt. Denn im Vergleich zur Vorratsdatenspeicherung liegt die Überwachung der Prüflinge in der Natur der Sache und sei dem Betroffenen bekannt.
Und wie geht es weiter?
Letztlich muss gesagt werden, dass es sich bei den genannten Entscheidungen um einstweilige Rechtsschutzverfahren handeln, die die Zulässigkeit der Datenverarbeitung nicht intensiv geprüft haben. Ob das Intesse der Chancengleichheit immer so begründet werden kann ist fraglich. Oftmals können nicht die gleichen Online-Prüfungsbedingungen geschaffen werden für die Studierenden. Selbst die Einwilligung dürfte in einigen Fällen an der Freiwilligkeit scheitern als Rechtsgrundlage, bedingt durch die fehlenden Alternativen.
Wenn die Gerichte einen genaueren Blick auf die möglichen Aufsichtsfunktionen und Ausgestaltungen werfen, wird es mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zu einigen Untersagungen kommen. Wann es soweit ist, bleibt ungewiss. Also gilt es abzuwarten, sowie mit allem während der Corona-Pandemie.