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Der Zugriff auf Sozialdaten im Ermittlungsverfahren

Der Zugriff auf Sozialdaten im Ermittlungsverfahren

Im Ermittlungsverfahren ist die Staatsanwaltschaft oftmals darauf angewiesen, Zugriff auf Sozialdaten zu erhalten – und sieht sich dabei mit dem Schutz des Sozialgeheimnisses konfrontiert. Die Übermittlung von Sozialdaten an die Strafverfolgungsbehörde darf nur unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Anforderungen erfolgen.

Gesetzliche Grundlagen

Der Gesetzgeber hat Sozialdaten in § 67 Abs. 2 SGB X wie folgt definiert:

Sozialdaten sind personenbezogene Daten (Art. 4 Nr. 1 DSGVO), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden.

Der Sozialdatenschutz findet seine gesetzliche Grundlage insbesondere in § 35 SGB I und in den §§ 67 ff. SGB X.

Nachfolgend werden die wichtigsten praxisrelevanten Vorschriften dargestellt:

  • Nach § 35 SGB I hat jeder einen Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Abs. 2 SGB X) von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden (Sozialgeheimnis). Die Sozialbehörden trifft dabei die Pflicht, sicherzustellen, dass Sozialdaten nur befugten Personen zugänglich sind und nur an solche weitergegeben werden (§ 35 Abs. 1 S. 2 SGB I). Bei einer unzulässigen Übermittlung von Sozialdaten besteht keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Auslieferung von Schriftstücken, nicht automatisierten Dateisystemen und automatisiert verarbeiteten Sozialdaten (§ 35 Abs. 3 SGB I).
  • Eine uneingeschränkte Auskunftserteilung ist zulässig beim Vorliegen einer schriftlichen oder elektronischen Einwilligung der betroffenen Person (§ 67b Abs. 2 S. 1 SGB X).
  • Die Übermittlung von Sozialdaten, die als weniger empfindlich angesehen werden, kann nach § 68 SGB X im Wege der Amtshilfe (Art. 35 GG) erfolgen. Die Aufzählung der Daten in § 68 Abs. 1 S. 1 SGB X ist abschließend.
  • Des Weiteren können Auskünfte gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X zur Erfüllung sozialgesetzlicher Aufgaben erteilt werden, beispielweise in einem Ermittlungsverfahren wegen dem Erschleichen von Sozialleistungen oder der Verletzung von Unterhaltspflichten.

Zugriff auf Sozialdaten im Rahmen eines Strafverfahren

Von großer praktischer Bedeutung ist zudem die Vorschrift des § 73 SGB X. Unter dem Vorbehalt richterlicher Anordnung ist in bestimmten Fälle eine uneingeschränkte Auskunft über die Sozialdaten zu erteilen:

Eine Übermittlung von Sozialdaten ist zulässig, soweit sie zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen eines Verbrechens oder wegen einer sonstigen Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist.

„Verbrechen“ sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind (§ 12 Abs. 1 StGB). Als „sonstige Straftaten von erheblicher Bedeutung“ können insbesondere Wirtschaftsdelikte und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Betracht kommen.

Zu beachten ist, dass von § 73 SGB X nicht nur die Daten von Beschuldigten erfasst werden, sondern unter Umständen auch personenbezogene Daten Dritter (z.B. potentieller Zeugen). Eine Einschränkung der Übermittlungsbefugnis erfährt die Vorschrift allerdings durch § 76 Abs. 1 SGB X (besonders schutzwürdige Sozialdaten). Des Weiteren besteht ein besonderer Vertraulichkeitsschutz in der öffentlichen Jugendhilfe, sodass die Durchbrechung des Sozialgeheimnisses in diesen Fällen nur unter den Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII zulässig ist.

Sozialgeheimnis vs. Strafverfolgungsinteresse

Die Zugriffsmöglichkeit der Staatsanwaltschaft auf Sozialdaten wird von § 35 SGB I stark eingeschränkt. Liegt keiner der Erlaubnisgründe der §§ 67 ff. SGB X vor, besteht für die Staatsanwaltschaft zwar die Möglichkeit im Rahmen der Amtshilfe (Art. 35 GG) vorzugehen. Hierbei ist jedoch nur ein Zugriff auf die in § 68 Abs. 1 SGB X genannten Daten möglich. Zulässig ist demnach die Übermittlung von:

  • Name, Vorname,
  • Geburtsdatum, Geburtsort,
  • derzeitige Anschrift der betroffenen Person,
  • ihr derzeitiger oder zukünftiger Aufenthaltsort,
  • Namen, Vornamen oder Firma und Anschriften ihrer derzeitigen Arbeitgeber.

Mit § 73 SGB X wurde daher eine Regelung geschaffen, die den Schutz des Sozialgeheimnisses im Interesse der Strafverfolgung einschränkt und eine uneingeschränkte Übermittlung von Sozialdaten zur Aufklärung eines Verbrechens oder einer sonstigen Straftat von erheblicher Bedeutung zulässt.

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