Der „Erfinder des Internets“ hat sich anlässlich des 28 – jährigen „Geburtstags“ zu dessen Zustand geäußert. Tim Berners-Lee benannte drei Entwicklungen, die ihm persönlich Sorgen bereiten. Eine dieser Entwicklungen ist der Kontrollverlust über die eigenen Daten.
Der Inhalt im Überblick
- Wer ist eigentlich Tim Berners-Lee?
- Statement zum 28 – jährigen Geburtstag des Internets
- Verlorene Kontrolle über die eigenen Daten
- Preisgabe von Daten erhöht Überwachungsmöglichkeiten durch Staaten
- Datenweitergabe befördert Verbreitung von „Fake News“
- Mehr Datenkontrolle durch technische Innovationen
- Projekt „Solid“
- Unsere Meinung
Wer ist eigentlich Tim Berners-Lee?
Tim Berners-Lee wird als Erfinder des World Wide Web angesehen. Während seiner Zeit am CERN Institut veröffentlichte er mit einem Koautor ein Konzept für ein weltweites Hypertext-Projekt, welches als Grundlage für das, was wir heute umgangssprachlich als Internet bezeichnen, diente. Daneben entwickelte er wichtige technische Voraussetzungen wie HTML – der „Programmierstandard“ für Webseiten – oder den ersten Webbrowser.
Tim Berners-Lee gilt als einer der wichtigsten Vordenker und ist in seiner Funktion als Direktor des W3C und der World Wide Web Foundation eine wichtige Stimme für die Weiterentwicklung des Internets.
Statement zum 28 – jährigen Geburtstag des Internets
Anlässlich des 28 – jährigen Jubiläums der Veröffentlichung seines ursprünglichen Konzepts und damit quasi der Geburtsstunde des Internets hat sich Tim Berners-Lee in einem persönlichen Statement zu den aus seiner Sicht drei wichtigsten aktuellen Herausforderungen für das Internet geäußert. Drei Probleme, die ihm zunehmend Sorgen machen. Diese sind:
- Kontrollverlust über personenbezogene Daten
- Einfache Verbreitung von „Fake News“
- Intransparente politische Werbung im Internet
Während „Fake News“ auch hierzulande im Brennpunkt heftiger Diskussionen stehen, ist das Problem von intransparenter politischer Werbung im Internet in Deutschland derzeit noch wenig bekannt. Das Problem des Kontrollverlustes über personenbezogene Daten im Internet ist jedoch aus Sicht von Datenschützern – natürlich – ein Dauerbrenner.
Verlorene Kontrolle über die eigenen Daten
Das Problem des Kontrollverlust über die eigenen Daten beruht nach Ansicht von Tim Berners-Lee auf dem derzeit vorherrschenden Geschäftsmodell im Internet: Dienst gegen Daten. D.h.: Viele Dienste werden kostenfrei angeboten. Die eigentliche Bezahlung besteht in der umfangreichen Preisgabe der eigenen Daten.
Viele Nutzer haben mit diesem Geschäftsmodell auch kein Problem und akzeptierten den Tausch von kostenlosen Angeboten gegen einige personenbezogene Daten, so Berners-Lee weiter. Allerdings würden viele Nutzer dabei übersehen, dass sie hiermit die Kontrolle über die eigenen Daten verlieren, die dann direkt bei einigen großen Anbietern gespeichert werden. Durch das Weggeben verliere der Nutzer die Hoheit über seine Daten. Dies führe dazu, dass die Nutzer nicht die Vorteile genießen können, die sie durch die Kontrolle über ihre Daten hätten.
Preisgabe von Daten erhöht Überwachungsmöglichkeiten durch Staaten
Eine große Gefahr der umfangreichen Datenpreisgabe sieht Berners-Lee in den hierdurch steigenden Überwachungsmöglichkeiten durch Staaten. Diese Gefahr führe in autoritären Staaten zu einer ganz realen Bedrohung von Leben und Freiheit z.B. von Bloggern. Aber auch in rechtstaatlichen Ländern würden die Möglichkeiten der Überwachung von Bürgern ein Ausmaß erreichen, das einfach „zu weit geht“ und eine abschreckende Wirkung auf die Meinungsfreiheit befürchten lässt.
Datenweitergabe befördert Verbreitung von „Fake News“
Berners-Lee weist im Zusammenhang mit dem Kontrollverlust über die eigenen Daten noch auf einen weiteren interessanten und in der aufgeheizten Debatte um „Fake News“ zu mindestens unterschätzten Aspekt hin. Die massenfache Preisgabe von personenbezogenen Daten sei eine – wesentliche – Ursache für die lawinenartige Verbreitung von „Fake News“. Der Zusammenhang ist folgender: Im Bemühen den Nutzern möglichst auf die eigenen Interessen maßgeschneiderte Inhalte anzuzeigen, werten Algorithmen umfangreich personenbezogene Daten aus um die Interessen des jeweiligen Nutzers zu ermitteln. Im Ergebnis werden so Beiträge, die bei anderen Nutzern beliebt sind, öfter angezeigt und damit wiederrum vermehrt angeklickt. Dies führt dann zu einer weiteren Steigerung der Popularität von Beiträgen und zu einer noch vermehrten Anzeige des Beitrags. Ein sich selbst verstärkender Prozess, der ohne die umfangreiche Auswertung von personenbezogenen Daten so nicht möglich wäre.
Mehr Datenkontrolle durch technische Innovationen
Wie kann diesen Herausforderungen also begegnet werden? Berners-Lee hat hierauf – erwartungsgemäß – auch nicht das Patentrezept, sondern betont, dass es sich bei allen von ihm identifizierten Herausforderungen um komplexe Probleme handelt für die es keine einfachen Lösungen gibt. Aber er liefert einige Lösungsansätze: So regt er z.B. an dem Problem der Datenpreisgabe durch eine Änderung des vorherrschenden Geschäftsmodell „Dienst gegen Daten“ mit anderen Geschäftsmodellen wie z.B. „Micropayment“ zu begegnen. Auch neue Technologien könnten helfen. Berners-Lee erwähnt in diesem Zusammenhang „data pods“, die es dem Nutzer ermöglichen, die Kontrolle der eigenen Daten zurück zu erlangen.
Projekt „Solid“
Aus unserer Sicht etwas zu bescheiden, da nicht explizit im Text, sondern als Link erwähnt Berners-Lee in diesem Zusammenhang sein neues Projekt „Solid“. Dieses soll die derzeitige Form der Datenweitergabe quasi umdrehen. Die Nutzer sollen nicht länger ihre Daten aus der Hand geben und den Anbietern übermitteln. Vielmehr sollen die Daten beim Nutzer gespeichert bleiben und den einzelnen Anbietern wird lediglich gestattet auf diese Daten für bestimmte Zwecke zuzugreifen. Wir werden dieses spannende Projekt in einem weiteren Beitrag intensiver vorstellen.
Unsere Meinung
Es ist interessant, dass Tim Berners-Lee in Bezug auf die Gefahren des Kontrollverlustes über die eigenen Daten nicht – nur – auf die negativen Folgen wie z.B. zunehmende staatliche Überwachungsmöglichkeiten und den Verlust der Privatsphäre hinweist, sondern den Fokus erweitert. Sicherlich nicht ohne Grund bedauert er zunächst, dass den Nutzern durch den Kontrollverlust die Vorteile entgehen, die sie durch die Kontrolle hätten. Was er genau unter den Vorteilen versteht, erläutert Berners-Lee nicht weiter. Aber eines ist gewiss: die eigenen Daten stellen nicht nur einen ideellen, sondern ganz realen wirtschaftlichen Wert dar. Google oder Facebook sind deshalb so wertvolle Unternehmen, weil die persönlichen Daten der Nutzer viele Milliarden Euro wert sind. Da die vielfältigen Warnungen vor der weitverbreiteten Preisgabe offenbar nicht zu einer Verhaltensänderung der Nutzer führen, ist es vielleicht der richtigere Weg, diesen bewusst zu machen, dass sie dadurch letztlich einfach Geld an die Anbieter verschenken.
Durch neue technische Innovationen wie z.B. das Projekt „Solid“ ist es vielleicht künftig möglich, Nutzer zu einer bewussteren Entscheidung im Umgang mit den eigenen Daten zu bewegen. Und sei es nur dadurch, dass den Nutzern der Umfang der Preisgabe dadurch verdeutlicht wird, indem jedem Zugriff explizit zugestimmt werden muss.
Ich glaube, es ist naiv anzunehmen, dass durch „Solid“ oder ähnliche Projekte der Datenschutz erhöht wird. Es ist vermutlich nur ein neues Geschäftsmodell, mit dem ein Gewinn gemacht werden kann. Nach solchen Modellen wird ja krampfhaft gesucht. Und immer wieder fallen naive Menschen und sogar Behörden darauf herein. Der E-Postbrief gehört z. B. auch in diese Kategorie.
Dagegen spricht, dass Projekt Solid eben unter der Schirmherschafft und Führung von Professor Berners-Lee steht. Dieser entscheid sich damals bewusst entgegen seine Ideen und technischen Umsetzungen zum WWW zu patentieren. Später als der Erfolg seiner Schöpfung abzusehen war, setzte er als Gründer des World Wide Web Consortiums durch, dass dieses nur patentfreie Standards verabschiedet.
Mit dem eBlocker verfolgen wir den gleichen Gedanken: Dem Nutzer die Hoheit an den eigenen Daten zurück zu geben – und das ohne Softwareinstallation und auf allen Geräten. Und tatsächlich verbessern wir damit massiv die Online-Privatsphäre.
Aber auch wir müssen unsere Familien ernähren und nehmen Geld dafür. Wer glaubt das sei „auch wieder nur neues Geschäftsmodell, mit dem ein Gewinn gemacht werden kann“ hat vollkommen recht und betreibt wahrscheinlich mit seiner „Arbeit“ genau dasselbe Modell. Oder arbeiten Sie für umsonst?
Wir arbeiten jedenfalls sehr sehr hart für unsere Sache. Wer meint alles müsse umsonst sein, hat das Internet und seine tatsächlichen Nutznießer scheinbar noch nicht verstanden.