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Berichtigungsanspruch nur auf Tatsachenangaben anwendbar

Berichtigungsanspruch nur auf Tatsachenangaben anwendbar

Im Rahmen der zunehmenden datenschutzrechtlichen Klageverfahren gewinnt auch der Berichtigungsanspruch aus Art. 16 DSGVO mehr Bedeutung. In einem inzwischen rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 25.03.2022 beschäftigt sich das Gericht mit der Frage, welche „unrichtigen Daten“ einem Berichtigungsanspruch aus Art. 16 DSGVO unterliegen. Dabei zeigt das Gericht auf, dass der Nachweis der Unrichtigkeit der verarbeiteten Daten nicht ausreichend zur Begründung einer Berichtigung ist. 

Berichtigung unrichtiger Meldedaten?

Dem Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 25.03.2022 (Az.: 25 K 2138/19) liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Der Kläger begehrte die Berichtigung seines Melderegisters. Er beantragte die Berichtigung seiner Meldeadresse, die für den Großteil des Jahres 1988 in seiner Melderegisterauskunft zu finden war. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass der Datensatz bereits archiviert sei und eine Ergänzung der archivierten Meldeunterlagen nachträglich nicht möglich sei.

Gegen diesen 2019 erlassenden Bescheid erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht. Er behauptet unter anderem, die Unrichtigkeit seiner Meldedaten im Melderegister ergäben sich aus den Meldeakten seiner Frau und seines Sohnes. Er verfüge zudem über einen umfangreichen und melderechtlichen Schriftverkehr mit der Beklagten, die die Unrichtigkeit der Verwaltungsdaten nachweise.

Die Beklagte führte hingegen aus, dass es weder erkennbar noch nachgewiesen sei, welche rechtlichen Interessen an einer Änderung der Daten bestünden. Auch sei noch nachgewiesen, dass die Daten im Sinne des § 12 BMG unrichtig oder unvollständig seien. Für die Unterlagen oder Dokumente aus dem Jahr 1988 sei die entsprechende Aufbewahrungsfrist bereits schon seit Jahren abgelaufen, sodass auch eine Nachvollziehbarkeit seitens der Beklagten nicht mehr möglich sei.

Rechtsgrundlagen des Urteils

Neben dem Berichtigungsanspruch aus Art. 16 DSGVO war in diesem Fall auch das Bundesmeldegesetz von Relevanz.

Nach Art. 16 Satz 1 DSGVO haben Betroffene das Recht von dem Verantwortlichen der Datenverarbeitung unverzüglich die Berichtigung der sie betreffenden unrichtigen personenbezogenen Daten zu verlangen. Satz 2 des Artikels bestimmt, dass unter Berücksichtigung der Zwecke der Verarbeitung die betroffene Person das Recht hat, die Vervollständigung unvollständiger personenbezogener Daten zu verlangen, beispielsweise durch eine Ergänzung.

§ 12 BMG normiert das Recht auf Berichtigung mit Verweis auf § 6 Abs. 1 Satz 2 BMG, wonach die öffentlichen Stellen zu informieren sind, dass die personenbezogenen Daten berichtigt bzw. vervollständigt wurden. Im Bundesmeldegesetz wird dieser Vorgang „Fortschreibung“ genannt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BMG). Die hier maßgeblichen Normen des Bundesmeldegesetzes wurden nach Einführung der Datenschutz-Grundverordnung neu gefasst, womit der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfes (S. 224) klarstellen wollte, dass sich im Melderecht der Berichtigungsanspruch unmittelbar aus Art. 16 DSGVO ergibt.

Angaben müssen objektiv und nachweislich richtig sein

Das Gericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Auf das Argument der fehlenden Möglichkeit zur technischen Umsetzbarkeit der Berichtigung bereits archivierter Daten ist das Verwaltungsgericht hierbei nicht eingegangen, da es die Klage bereits aus anderen Gründen als unbegründet angesehen hat.

Die Datenschutz-Grundverordnung findet Anwendung

Der Berichtigungswunsch des Klägers richtet sich auf einen Zeitraum weit vor der Einführung der DSGVO. Im streitgegenständlichen Jahr 1988 gab es noch keine vergleichbaren datenschutzrechtlichen Regelungen. Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist jedoch der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Kammer des Verwaltungsgerichts im Jahr 2019. Zu dieser Zeit – wie bekannt – galt bereits die Datenschutz-Grundverordnung. Aus diesem Grund ist der vom Kläger geltend gemachten Berichtigungsanspruch aus Art. 16 DSGVO in Verbindung mit § 12 BMG in der Neufassung vom 20. November 2019 maßgebend.

Meldeadresse als personenbezogenes Datum

Nach Art. 16 Satz 1 DSGVO kann jeder Betroffene die Korrektur eines unrichtigen personenbezogenen Datums verlangen. Nicht überraschend ist, dass die Wohnanschrift ein personenbezogenes Datum ist, denn vom Tatbestandsmerkmal der „personenbezogenen Daten“ werden alle Informationen erfasst, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person – im Sinne der DSGVO „betroffenen Person“ – beziehen, Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Wenn die Meldeadresse so unstreitig ein personenbezogenes Datum ist, warum greift nicht der Anspruch auf Berichtigung?

Nur Tatsachenangaben können berichtigt werden

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, da es auch Sicht des Gerichts nicht erweislich war, dass das Begehren des Klägers auf die „Berichtigung“ eines „unrichtigen Datums“ gerichtet war. Denn – so führte es in Randnummer 72 des Urteils aus:

„Bei dem – unionsrechtlichen und daher autonom auszulegenden – Tatbestandsmerkmal der „Unrichtigkeit“ handelt es sich um ein objektives Kriterium, das nur auf Tatsachenangaben anwendbar ist. Es ist erfüllt, wenn die fragliche über die betroffene Person gespeicherte Information nicht mit der Realität übereinstimmt.“

Unter Verweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 10.03.2020 führt das Verwaltungsgericht aus, dass sich ein Berichtigungsanspruch daher nur ergeben könne, wenn feststehe, dass das vom Verantwortlichen verarbeitete personenbezogene Datum objektiv nicht mit der Realität übereinstimme. Zugleich müsse feststehen, dass das vom Betroffenen als richtig benannte Datum tatsächlich mit der Wirklichkeit übereinstimme.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts sei der Kläger diesen Anforderungen an den Berichtigungsanspruch nicht nachgekommen. Es spräche aus Sicht des Gerichts zwar einiges dafür, dass die gespeicherten Anschriften im Melderegister tatsächlich unrichtig seien, es habe sich aber keine Überzeugungsgewissheit dazu bilden können, dass die Angaben des Klägers zu seiner Wohnanschrift für das Jahr 1988, deren Eintragung er begehrt, objektiv richtig seien. Die im Parteivortrag dargelegten Unterlagen würde keinen Aufschluss über die konkreten Ein- und Auszugsdaten ergeben.

Folgen des Urteils für eine Anspruchsbegründung?

Das Urteil beinhaltet keine neue oder überraschende Rechtsposition. Das Verwaltungsgericht verdeutlicht vielmehr, dass es für die gerichtliche Geltendmachung nicht ausreicht nachzuweisen, dass der Verantwortliche unrichtige Daten verarbeitet oder verarbeitet hat. Daneben ist es zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Art. 16 Satz 1 DSGVO unerlässlich auch nachzuweisen, dass das als richtig benannte Datum objektiv mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Insbesondere im Rahmen der vermehrt auftretenden gerichtlichen Verfahren rund um das Thema Berichtigungsanspruch ist dies zu beachten.

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