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Das Medienprivileg zw. Datenschutz und Meinungsfreiheit

Das Medienprivileg zw. Datenschutz und Meinungsfreiheit

Von den Panama Papers bis hin zu den Korruptionsvorwürfen gegen einen in Verruf geratenen ehemaligen König – die Verbreitung und Veröffentlichung dieser Skandale ist mit der Verarbeitung großer Mengen personenbezogener Daten verbunden, die mit zahlreichen Grundsätzen und Normen der DSGVO in Konflikt gerät. In diesem Artikel werden wir einen Blick auf das sogenannte Medienprivileg werfen, das diesen Konflikt zugunsten der Meinungs- und Informationsfreiheit löst.

Die DSGVO und die Digitalisierung

Seit dem 25. Mai 2018 gilt die DSGVO einheitlich und unmittelbar in der gesamten Europäischen Union. Diese ist in 11 Kapiteln unterteilt und enthält weitreichende Pflichten für Unternehmen im Umgang mit personenbezogenen Daten sowie Rechte von den betroffenen Personen.

Grundlegender Baustein der Norm ist Art. 6 Abs. 1 S.1 DSGVO, wonach jede Datenverarbeitung grundsätzlich verboten ist, es sei denn, diese ist ausdrücklich durch eine Rechtsnorm erlaubt. Demgemäß ist für die Datenverarbeitung eine Einwilligung der betroffenen Person, die jederzeit für die Zukunft widerrufbar ist, oder eine andere Rechtsgrundlage erforderlich.

Von wesentlicher Bedeutung zur Gewährleistung der Transparenz der Datenverarbeitungen sind die Informations- und Betroffenenrechte, die in Art. 12 ff. DSGVO geregelt sind. Wäre aber die Veröffentlichung der Panama Papers oder von anderen Medienskandalen möglich gewesen, wenn die Betroffenen in die Datenverarbeitung einwilligen müssten und sie Auskunftsrechte geltend machen könnten? Zur Lösung dieses Problems enthält die DSGVO das sogenannte Medienprivileg.

Das Medienprivileg aus Art. 85 DSGVO

Gemäß Erwägungsgrund 4 DSGVO sollte die Verarbeitung personenbezogener Daten im Dienste der Menschheit stehen. In diesem Sinne handelt es sich beim Recht auf Schutz personenbezogener Daten um kein uneingeschränktes Recht, sondern es muss stets um Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden. Die Meinungsfreiheit ist eine der wichtigsten Grundlagen eines demokratischen Systems und wird als Grundrecht in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Artikel 11 der Europäischen Grundrechtecharta und Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes geschützt.

Da der Journalismus seiner Natur nach auf freier Recherche und der Veröffentlichung großer Mengen personenbezogener Daten beruht, steht der Schutz von personenbezogenen Daten in einem Spannungsverhältnis zur Meinungs- und Pressefreiheit. Um eine freie, kritische und investigative Tätigkeit des Journalismus zu ermöglichen, hat der Europäische Gesetzgeber folglich eine Öffnungsklausel in Art. 85 DSGVO vorgesehen, nach der

„die Mitgliedstaaten durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen zwecken, in Einklang bringen [müssen].“

Art. 85 Abs. 2 DSGVO konkretisiert, dass die Mitgliedstaaten für die Verarbeitung, die zu journalistischen Zwecken, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, zahlreiche Abweichungen oder Ausnahmen von den Regelungen der DSGVO (Grundsätze, Rechte der betroffenen Person, Verantwortlicher und Auftragsverarbeiter, Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer, Unabhängige Aufsichtsbehörden, Zusammenarbeit und Kohärenz, usw.) vorsehen können, wenn dies erforderlich ist, um beide Grundrechte in Einklang zu bringen. Im Unterschied zur Vorgängerregelung des Art. 9 der Datenschutz-Richtlinie werden nun auch Verarbeitungen zu wissenschaftlichen Zwecken von der Öffnungsklausel umfasst.

Das Medienprivileg bedeutet prägnant ausgedrückt, dass die Vorgaben der DSGVO größtenteils für Datenverarbeitungen zu journalistischen oder literarischen Zwecken nicht anwendbar sind und an ihre Stelle spezifische Regelungen der Mitgliedstaaten zur Anwendung kommen.

Umsetzung des Medienprivilegs vor der DSGVO

Das Medienprivileg war bis zum 25.05.2018 trotzt der Föderalismusreform vom Jahr 2006 in § 41 BDSG aF geregelt. Gemäß Art. 75 I Nr. 2 i.V.m. Art. 72 Grundgesetz verfügte der Bund über eine Rahmengesetzgebungskompetenz diesbezüglich. Die Regelung führte zu einer beachtlichen Freistellung von den Datenschutzvorgaben.

Das Privileg erstreckte sich auf Datenverarbeitungen von Unternehmen und Hilfsunternehmen zu eigenen journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken. Zu der privilegierten Datenverarbeitung gehören nicht nur die Veröffentlichung und Verbreitung von Informationen, sondern den gesamten Prozess der Informationsverarbeitung. Auch die Beschaffung von Informationen Daten fällt hierunter. Nach dem Gesetzeswortlaut galt die Privilegierung allerdings nicht für alle Medien, sondern nur für die Presse und die Deutsche Welle.

Waren die Voraussetzungen für eine Privilegierung erfüllt, so galten für die Datenverarbeitung nur die §§ 5, 9, 38a und 7 BDSG. Eine Einwilligung oder eine andere Rechtsgrundlage war demnach für die von der Vorschrift erfassten Datenverarbeitungen nicht erforderlich. Die Rechte der betroffenen Personen (Auskunft, Löschung, usw.) wurden ebenfalls ausgeschlossen.

Rechtslage des Medienprivilegs nach dem Medienstaatsvertrag

Da der Bund aufgrund der erwähnten Föderalismusreform nun über keine Rahmengesetzgebungskompetenz hierüber verfügt, wird das Medienprivileg nun in den §§ 12 und 23 des Medienstaatsvertrag (vorher Rundfunkstaatsvertrag) für den Rundfunk und die Telemedien geregelt. Im Folgenden werden wir einen Blick auf die wichtigsten Regelungen des Rundfunkstaatsvertrages werfen.

Für wen gilt das Medienprivileg?

Der subjektive Anwendungsbereich des Medienprivilegs für Rundfunkveranstalter erstreckt sich gemäß § 12 MStV auf

„die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF, das Deutschlandradio oder private Rundfunkveranstalter“.

Für den Bereich der Telemedien bestimmt § 23 MStV erstreckt sich der subjektive Anwendungsbereich auf

„die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF, das Deutschlandradio, private Rundfunkveranstalter oder Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse als Anbieter von Telemedien“.

Hier stellt sich die Frage, ob das Medienprivileg auch für Youtuber und Blogger gilt.

Gemäß Erwägungsgrund 153 DSGVO müssen Begriffe wie Presse und Journalismus weit ausgelegt werden. Das 10. Zivilsenat des Kammergerichts Berlin hat am 17. Februar 2023 mit Beschluss festgestellt, dass personenbezogene Daten bereits dann zu journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet werden, wenn die Zielrichtung in einer Veröffentlichung für einen unbestimmten Personenkreis besteht. Dieses Merkmal diene dazu, Presseveröffentlichungen von privat motivierten Veröffentlichungen abzugrenzen. Insofern können sich Youtuber, Freizeitreporter, Blogger und Bürgerjournalisten auch auf das Medienprivileg berufen, wenn sie personenbezogenen Daten zu journalistischen Zwecken verarbeiten. Dies muss im Einzelfall geprüft werden.

Welche Regeln sind zu beachten?

Wie oben erwähnt bleiben die allgemeinen Bestimmungen der DSGVO (Art. 1 bis 4), Kapitel 8 (Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen), Kapitel 10 (delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte) und Kapitel 11 (Schlussbestimmungen) trotz des Medienprivilegs weiterhin anwendbar. Darüber hinaus finden Art. 5 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit Abs. 2, Art. 24 und Art. 32 DSGVO Anwendung. Und Art. 82 und 83 DSGVO gelten mit der Maßgabe, dass nur für eine Verletzung des Datengeheimnisses sowie für unzureichende Maßnahmen nach Artikel 5 Abs. 1 Buchst. f, Artikel 24 und 32 DSGVO gehaftet wird. Dies bedeutet, dass Bußgelder nur dann in Betracht kommen, wenn gegen das Datengeheimnis oder die Datensicherheit verstoßen wird.

Nach §§ 12 Abs. 1 S. 1 und 23 Abs. 1 S. 1 MStV dürfen personenbezogene Daten, die für journalistische Zwecke verarbeitet werden, nicht für andere Zwecke verarbeitet werden. Zudem müssen Journalisten gemäß §§ 12 Abs.1 S.2 und 23 Abs. 1 S. 2 MStV auf das Datengeheimnis verpflichtet werden.

Ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO kann nicht gegen Unternehmen geltend gemacht werden, die das Medienprivileg genießen. Betroffene Personen können allerdings gemäß §§ 12 Abs. 3 und 23 Abs. 2 MStV Auskunft über die sie betreffenden gespeicherten Daten verlangen, wenn sie in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt werden. §§ 12 Abs. 3 und 23 Abs. 2 MStV erlauben dennoch eine Verweigerung der Auskunft soweit:

„1. aus den Daten auf Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung mitgewirkt haben, geschlossen werden kann,

2. aus den Daten auf die Person des Einsenders oder des Gewährsträgers von Beiträgen, Unterlagen und Mitteilungen für den redaktionellen Teil geschlossen werden kann oder

3. durch die Mitteilung der recherchierten oder sonst erlangten Daten die journalistische Aufgabe des Anbieters durch Ausforschung des Informationsbestandes beeinträchtigt würde.“

Stellt sich in diesem Zusammenhang heraus, dass unzutreffende personenbezogene Daten des Betroffenen gespeichert werden, kann der Betroffene verlangen, dass diese unverzüglich berichtigt werden.

Schließlich können sich die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF, das Deutschlandradio und andere Rundfunkveranstalter sowie ihre Verbände und Vereinigungen Verhaltenskodizes geben. Unterliegen Unternehmen der Selbstregulierung durch den Pressekodex und der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates, dann erfolgt eine Aufsicht durch die Datenschutzbehörden gemäß § 23 Abs. 1 S. 5 MStV nicht. Der Pressekodex enthält dann auch eigene pressespezifische Sanktionen.

Besondere Pflichten müssen beachtet werden

Trotz der mit dem Medienprivileg verbundenen Befreiung von vielen Pflichten aus der DSGVO sind bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken noch zahlreiche Pflichten zu beachten. Besonders relevant und komplex ist in der Praxis die Frage, ob das Medienprivileg für Blogger, Bürgerjournalisten und Youtuber gilt oder nicht. Hier ist eine Prüfung im Einzelfall erforderlich. Insofern ist es hier auch ratsam, den Datenschutzbeauftragten frühzeitig einzuschalten.

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  • Wenn ein Unternehmen Fotos an eine Zeitung gibt, braucht das Unternehmen dann hierfür eine Rechtsgrundlage oder ist das vom Medienprivileg gedeckt?

    • Vielen Dank für Ihre Frage. Grundsätzlich kommt es auf den Inhalt der Fotografien an. Die Regelungen des Datenschutzrechts gelten weiterhin für die Anfertigung von Fotografien mit personenbezogenen Daten, welche nicht dem Medienprivileg unterfallen. Dies bedeutet, dass eine Rechtsgrundlage erforderlich ist, wenn die Verarbeitung von Fotografien mit personenbezogenen Daten nicht zu journalistischen Zwecken erfolgt. Wenn die Fotografien aber zu journalistischen Zwecken veröffentlicht werden, dann sind die Regelungen der §§ 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes zu beachten. Hierbei handelt es sich um eine Regelung, die sich auf die Öffnungsklausel des Artikels 85 DSGVO stützt. Es ist daher zu prüfen, ob eine der in § 23 KunstUrhG enthaltenen Ausnahmen greift: Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte; Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; Bilder von Versammlungen, Aufzügen oder ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben; Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient, usw. Insofern muss im Einzelfall geprüft werden, ob eine Verarbeitung der Bilder mit personenbezogenen Daten zulässig ist.

  • Da der RStV ja durch den MStV abgelöst wurde, sollte in einem aktuellen Bericht/Beitrag auch auf die Paragraphen des selbigen verwiesen werden.

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