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Datenschutz geht euch auf den Geist? Was für ein Schmarrn

Datenschutz geht euch auf den Geist? Was für ein Schmarrn

Beim Thema Datenschutz treffe ich überall auf Gscheidhaferl (Besserwisser): Er nerve, blockiere, sei schuld am Übel aller Welt. Ich habe fünf solcher lästigen Aussagen gesammelt und gebe nicht ganz ernst gemeinte mit bairischer Mundart gewürzte Tipps zum Kontern. Ein Kommentar.

Des Datenschützers täglich Brot: Stammtischgelaber und Gejammer

Wer sich für Datenschutz einsetzt, lebt zwar nicht gefährlich, aber unter ständigem Bombardement abstruser Vorwürfe und nerviger Jammerattacken. Gut, ich kann mir vorstellen, dass es Steuerberatern genauso geht (Wer wird freiwillig Steuerberater?), das ändert allerdings nichts daran, dass das Geschimpfe auf den Datenschutz weit verbreitet ist und Datenschützer das an vorderster Front abbekommen. Während man bei Steuerrecht nur noch die Augen verdreht, scheint sich die Bevölkerung bei egal welcher Angelegenheit am Datenschutz festzubeißen.

Fünf Antworten auf fünf blöde Phrasen

Ich habe mir mal die Mühe gemacht (zwei Sekunden Nachdenken) und fünf Aussagen gesammelt, die wir Datenschützer uns immer wieder anhören müssen, in Social Media, Nachrichten, privat und beruflich. Natürlich verläuft der Großteil aller Datenschutz-Diskussionen auf einem anderen Niveau. Die negativen Ausreißer nehmen jedoch zu, insbesondere bei emotionalen Themen, da laufen die Kommentarspalten heiß. Mir liegt viel an einem freundlichen Miteinander. Aber bei den folgenden Phrasen reißt uns Datenschützern der Geduldsfaden. Und der ist in unserem Beruf echt dick wie ein Strick.

„Datenschutz ist schuld an …“

… der mangelnden Digitalisierung, der Ausbreitung von Corona, Terrorismus, Kindesmissbrauch, dem Aussterben der Dinosaurier und dem Klimawandel. Datenschutz erhitzt die Gemüter folglich auch den Planeten, weiß doch jeder. Und die Arme des Tyrannosaurus Rex waren nur deshalb so kurz, weil ihm der Datenschutzbeauftragte zu oft auf die Finger geklopft hat. Diese ganze Sündenbock-Zuschieberei hängt mir zum Hals raus.

Meine Antwort:

Du willst wissen, wer Schuld hat? Deine Mutter. Spaß beiseite. Schuld hat so ziemlich jeder, nur nicht der Datenschutz: das Internetzeitalter, verschlafende Politiker, überforderte Regierungen, die Verursacher des Personal- und Ressourcenmangels bei Ermittlungsbehörden, Teile der Gesellschaft, die Idiotie. Die Menschheit verbockt so einiges, da braucht es keinen Datenschutz zu, zefix (Kruzifix, verdammt).

„Das geht nicht wegen Datenschutz“

Seien wir froh, dass es die DSGVO noch nicht vor Urzeiten gegeben hat, sonst säßen wir wohl immer noch auf den Bäumen. Denn dann hätte die auf dem Nachbarast niedergelassene Affen-Aufsichtsbehörde jedem Herunterkletterer gleich mal ein haariges Bußgeld erteilt. Der Datenschutz als Störfaktor und großer Blockierer – ohne DSGVO wäre der Papst längst nicht mehr single. Mein Lieblingsbeispiel für billige Ausreden ist folgendes: Ein Reisebus fährt dem Reisenden davon. Wo sich der Bus befinde, könne nicht mitgeteilt werden. Sie ahnen es: „aus Gründen des Datenschutzes“.

Meine Antwort:

Das geht sehr wohl, du Kasperl. Du hast nur wahlweise keine Lust oder keine Ahnung. Such es dir aus.

„Ihr schützt Straftäter“

Wer kennt ihn nicht, den dubiosen Datenschutzbeauftragten. Er zieht die DSGVO schneller als sein eigener Schatten. Tagsüber prüft er Auftragsverarbeitungsverträge, nachts sorgt er für unsichere Straßen. Deswegen laufen ja so viele Terroristen und sonstiges Gesocks durch die Gegend, – weil der Datenschützer der Polizei im Nacken sitzt. Ohne uns könnte man endlich dauerfilmen, dauerüberwachen, auf Vorrat speichern für immer. Denn wenn nur ein Krimineller dadurch gefasst wird, dann hat sich der Überwachungsstaat ja mal so richtig gelohnt.

Meine Antwort:

Datenschutz schützt auch dich. Du willst Dauer-„Tag der offenen Tür“, Datenspende bis ans Lebensende? Ja mei, kannst du machen. Aber beschwer dich später nach dem Auf-die-Schnauze-Fallen nicht bei Facebook.

„Aber dann können wir ja gar keine Werbung mehr machen!“

Ich glaube, es gibt keinen noch so unbekannten Tracking-Anbieter, den nicht irgendein Marketing-Mensch aus dem Hut zaubert. Meldet der, dessen Name nicht genannt werden darf (der Datenschutzbeauftragte) dann Zweifel an oder nimmt er auch nur das böse Wort „Einwilligung“ (der geheime vierte der drei unverzeihlichen Harry Potter-Flüche) in den Mund, sitzt der Schock tief. Selbst eine Herde Dementoren erschiene den Magiern des Marketings weniger bedrohlich als Muggel-Cookie Banner.

Meine Antwort:

Absolut. Sperrt am besten euren Laden einfach zu, weil keine Sau mehr Notiz von euch nimmt, wenn ihr das fancy Tool aus den USA nicht installiert.

„Andere tun das doch auch“

Egal, wie überzeugend ich dieses Argument als Kind vorgebracht habe, ich durfte nicht länger aufbleiben, keine Süßigkeiten essen bis zum Umfallen und meine Hausaufgaben nicht abschreiben. Irgendwann habe ich es dann halt kapiert – und meine Eltern nicht mehr gefragt. Aber Unternehmen, die denken sich: Ja genau. Das ist es. Wenn ich auf andere Firmen verweise, dann hält der Datenschutzbeauftragte endlich die Klappe.

Sorry für die Enttäuschung, aber wie mein Englischlehrer schon damals zu sagen pflegte: „Bei dia muas ma dei Mei no extra daschlong!“ (Bei dir muss man dein Mundwerk noch extra erschlagen).

Meine Antwort:

Sicher. Andere Unternehmen sagen zu Tracking nicht nein, sondern Tri-Tra-Trullala, machen sich die Welt, wie sie ihnen gefällt und haben Videoüberwachung auf dem Klo. Doch wenn alle von der Brücke springen, springst du dann auch?

Manche Kritik ist angebracht

Ja, es ist nicht alles Gold, was glänzt, auch nicht die DSGVO. Das ist mir klar. Wenn kleineren Unternehmen vor Angst die Knie zittern, während die Big Player der digitalen Welt mit einem tadelnden „Du du du“ davonkommen, regt mich das auf. Aber noch viel mehr bringt es mich auf die Palme, wenn stupide auf den Datenschutz geschimpft wird – einfach nur, weil man es nicht besser weiß oder weil man sehr wohl versteht, worum es geht, jedoch eine Ausrede braucht. Selig sind die geistig Armen, heißt es. Für alle anderen: Schamts eich (Schämt euch)!


Dieser Beitrag ist ein Kommentar und spiegelt daher die persönliche Meinung der Autorin / des Autors wider. Diese muss nicht mit der Meinung des Herausgebers oder seiner Mitarbeitenden übereinstimmen.

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  • Wenn sich unsere Politiker hinstellen und sagen: „Das deutsche Datenschutzgesetz ist das strengste der Welt, das müssen wir lockern“ , frage ich mich immer, sind die wirklich so blöd, oder halten sie das Volk für blöd? Die DSGVO ist ein deutsches Gesetz???
    Wenn allerdings darum geht, dass sie was unter der Decke halten wollen, dann ist natürlich der Datenschutz ein willkommenes Versteck. Dann kann er nicht streng genug sein.
    (Der Satz, den ich hier gerne schreiben würde, würde wahrscheinlich den nicht den Nutzungsbedingungen entsprechen, daher lasse ich ihn lieber weg :-) )

  • Sehr gut und auf den Punkt gebracht.????

  • Ich möchte hinzufügen, dass das Framing „Datenschutz darf kein Täterschutz sein“, im Kern die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung angreift. So mancher würde bei „Datenschutz darf kein Verdächtigenschutz sein“ wohl ins grübeln kommen – die Gewissheit verpufft, dass der Täter schon feststeht.

    • Ich leg noch eins drauf; allerdings in die andere Richtung: „Datenschutz darf kein Schutz für Werbemissbruch sein.“

      Indem die… üblichen Verdächtigen die Bedingungen für die Einwilligung oder die Abwägung der berechtigten Interessen immer so lange zurechtbiegen, bis ihnen der EuGH einzeln und konkret sagt, dass die Vorschrift anders gemeint war. Dann wird ein bisschen an der Schraube gedreht und behauptet, die Situation hätte sich komplett geändert.

      Die Masse turnt dieses Beispiel mehr oder weniger nach. Kann ja nicht falsch sein, wenn die Großen /alle das so machen. Wenn es verboten wäre, dann…

      D., der das in der Praxis sehr, sehr häufig beobachten muss. Die können doch nicht so begriffsstutzig sein! – Nein, sie wissen das ganz genau und wollen(!) sich blöd stellen.

  • Ich kann mich nicht erinnern, bei irgendeiner Abhandlung zum Thema Datenschutz jemals gelacht zu haben. Heute schon. Diese ist wirklich sehr erfrischend und auf den Punkt gebracht. Gerne mehr!

  • Endlich mal ein wahres Wort vergnüglich vorgebracht. Genau mit diesen Anwürfen setze ich mich täglich auseinander. Habe herzhaft gelacht – weil heulen hilft nicht.

  • Wohl wahr!
    Sehr erfrischend! Encore plus SVP! -:)

  • Herzlichen Dank für diesen erfrischenden Beitrag. Ich werde Ihn als „Standard-Vorlage“ in meinem E-Mail-Dienst hinterlegen…

  • Ich mag Deine Artikel, Bianca. Sehr cool, danke!

  • Köstlich liebe Fr. Pettinger, toller u. unterhaltsamer Schreibstil… trefflich is er sowieso ;)

  • Es ist gut, wenn dieses Themas auch mal humorvoll aufgegriffen wird. Hier verweise ich auch gerne auf den geschätzten „Datenschutz-Guru“ aus Kiel. Natürlich kommt das Thema DS bei vielen als lästig und paragrafen-lastig rüber. Und wenn die Unternehmensführung das auch nur als notwendiges Übel ansieht, das in deren Wahrnehmung eher ein Hindernis (und keine zusätzliche „Marketing“ – Chance) darstellt, hat es der/die DSB noch schwerer. Locker bleiben, weitermachen! DS ist kein Selbstzweck, und es liegt an uns, das Thema gut zu „verkaufen“. Humor ist dabei eine bisweilen hilfreiche Unterstützung.

  • Mei schee, des hob i heid brauchd.
    DS mal mit Humor – schöner Start in die neue Woche! Danke

  • Im Beitrag hätte nur noch die besonders intelligente und verbreitete These eines Arztes im Vorstand des deutschen Internisten-Verbandes während der Frühjahrstagung gefehlt: „Der Datenschutz kostet Menschenleben, nicht die Daten, sondern der Mensch solle geschützt werden.“
    Mir fehlen dazu anständige Worte. Was hätte Bianca da erwiedert?

    • „Sacklzement (bairischer Fluch in Anlehnung an Sakrament), wenn du so behandelst wie du sprichst, wundert es mich, dass es deine Patienten überhaupt noch zur Tür raus schaffen! Das gibt’s ja nicht: Menschen schützen, aber nicht die Daten, wo Datenschutz doch Menschen schützt. Host mi (hast du mich verstanden)?“

  • Tut mir leid, ich finde es gar nicht lustig. Die in dem Artikel aufgeführten Beispiele mögen blöde Phrasen zu blödsinnigen Behauptungen sein, sind aber nicht das kernproblem, weshalb der Datenschutz von vielen für überzogen gehalten wird.
    Wenn ich mir die ausufernde Rechtsprechung zum Auskunftsanspruch oder zum „Schmerzensgeld“ anschaue oder ein Bußgeld in Höhe von 60.000 € verhängt wird, weil ein Energieverosrger eine Rechnung an die alte und nicht aktualisierte Adresse eines Kunden schickt, dann ist das einfach nicht mehr verhältnismäßig. Ja, Datenschutz ist wichtig, aber bitte mit Augenmaß!

    • Das ist schade, aber man kann ja nicht jedermanns Geschmack treffen. Ich stimme Ihnen zu, dass die ein oder andere Bußgeldhöhe auch bei mir zu Fragezeichen führt, darum gings hier aber gar nicht. Hier gings um genervte Antworten auf Dauerbrenner-Phrasen. Es spricht allerdings Bände (und das finde ich ganz lustig), dass auf so einen Beitrag mit der Bitte um „Datenschutz mit Augenmaß“ kommentiert wird – wieder eine Dauerbrenner-Phrase!

  • Der Beitrag gfoad ma. So richtig schön auf den Punkt gebracht. Biance Du sprichst mir aus der Seele

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