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Konflikt im Verein – Datenschutz der Mitgliederlisten

Konflikt im Verein – Datenschutz der Mitgliederlisten

Vereine sind die häufigste Organisationsform für ehrenamtliches Engagement in Deutschland. Egal ob Sport, Kaninchenzüchter oder Nachbarschaftsinitiative, wer die Daten aller Mitglieder hat und kennt, kann Allianzen schmieden und die Vereinsgeschicke beeinflussen. Hier kann es zu Konflikten kommen, wer überhaupt Einsicht in die Liste der Mitglieder haben darf. Was sagt der Datenschutz zum Thema?

Die Mitgliederliste

Kernstück jedes Vereins sind die Mitglieder. Um den Überblick über aktive Mitgliedschaften zu bewahren, wird eine Mitgliederkartei oder -datenbank geführt, in der sich allerlei personenbezogene Daten der Mitglieder finden. Vornehmlich Name und Adresse, oftmals aufgrund von SEPA-Mandaten aber auch Kontonummern. Zu Kommunikationszwecken zudem E-Mail-Adressen sowie ggf. weitere vereinsinterne Informationen wie die Zuordnung zu einer bestimmten Abteilung des Vereins.

Zugriff auf diese Mitgliederliste ist ein heikles Thema. Je größer der Verein, desto größer die Menge der betroffenen Personen. Der Vorstand und andere in die direkte Mitgliederverwaltung eingebundene Personen brauchen hierauf Zugriff. Doch wie steht es mit den Zugriffsrechten anderer Mitglieder?

Kontakt mit den Mitgliedern im Vereinsalltag

Im regulären Betrieb des Vereins ist die Kommunikation mit den Mitgliedern oft in eine Richtung organisiert: Der Vorstand informiert über Vereinsthemen und Termine im Vereinskalender und lädt zur Mitgliederversammlung ein. Hierfür werden regelmäßig alle Mitglieder kontaktiert. Gerade im Hinblick auf die Mitgliederversammlung ist die korrekte Ladung aller Mitglieder zwingend erforderlich.

Im täglichen Lauf der Dinge treten Trainer, Riegenführer oder Abteilungsleiter mit den Mitgliedern in Kontakt, die in ihrer jeweiligen Unter-Gruppe des Vereins aktiv sind, also in ihrer Trainingsgruppe sind oder der jeweiligen Abteilung angehören.

Diese Verarbeitungen der Mitgliederdaten können regelmäßig auf Art. 6 Abs. 1 S.1 lit. b) DSGVO gestützt werden, weil es sich um erforderliche Verarbeitungen im Hinblick auf die Mitgliedschaft im Verein handelt. Die Mitglieder sind im Verein angemeldet, um an den Vereinsaktivitäten teilzunehmen. Zudem dürfen sie ihre gesetzlichen Mitgliedschaftsrechte, wie die Teilnahme an der Mitgliederversammlung, wahrnehmen.

Die meisten einzelnen Mitglieder treten selten in Kontakt mit anderen Mitgliedern (ohne Sonderstellung wie Trainer oder Vorstand), abgesehen von Vereinsveranstaltungen. Dass Adressen aus der Mitgliederdatenbank an einzelne, reguläre Mitglieder offenbart werden, ist regelmäßig nicht vorgesehen.

Wer darf sonst noch in Kontakt treten?

Gibt es im Verein Streit über Ausrichtung oder Personalien, so organisiert sich oft aus der Menge der Mitglieder heraus eine Art „Opposition“ zur aktuellen Vereinsleitung. Ziel ist dann entweder die Abwahl einzelner oder aller Vorstandsmitglieder oder eine bestimmte Beschlussfassung auf einer Mitgliederversammlung.

Im Hinblick auf die Mitgliederversammlung besteht immer die Möglichkeit, dass durch eine geschlossene Aufforderung eines Teils der Mitglieder eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen wird. Um dieses Quorum der Mitglieder zu erreichen, ist es meist erforderlich, zunächst alle Mitglieder zu kontaktieren um sie über die vereinsinterne Opposition zu informieren und zur Unterstützung aufzufordern. Hierfür wünschen diese Initiatoren regelmäßig Einsicht in die vollständige Mitgliederliste oder Mitgliederdatenbank. Da der Konflikt regelmäßig gerade mit der aktuellen Vereinsleitung besteht, ist diese als Verwalter der Mitgliederliste wenig erfreut und bereit, den Datensatz offen zu legen.

Rechtslage hinsichtlich Datenoffenlegung gegenüber Vereinsmitgliedern

Der Vorstand führt zur Abwehr des Begehrens der Opposition regelmäßig datenschutzrechtliche Bedenken an. Die Mitgliederdatenbank mit einer Masse an personenbezogenen Daten einfach an Einzelpersonen weitergeben – das klingt zunächst nicht nach guter datenschutzrechtlicher Praktik.

Allerdings ist der Reflex hier wie in so vielen Fällen nicht interessengerecht und eher dem Themenfeld „Datenschutz als Allzweck-Verhinderungswaffe“ zuzuordnen. In den meisten Fällen, in denen es heißt „Geht nicht, wegen Datenschutz“ ist die Intention eher „Geht nicht, weil will ich nicht“. Die tatsächliche Situation ist deutlich komplexer, und nur in sehr seltenen Fällen ist der Datenschutz das einzige und schlagende Hindernis.

Im Hinblick auf die Überlassung einer Mitgliederliste oder Einsicht in die Mitgliederdatenbank sind hierzu bereits mehrere Gerichtsurteile ergangen. Meist wurde dabei im Sinne der klagenden Mitglieder entschieden, die daraufhin eine Mitgliederliste erhalten haben.

Urteil AG Hannover

Schon im Jahr 2019 erging ein viel rezipiertes Urteil zu einer Mitgliederliste, angestoßen durch eine Vereins-Initiative, die eine außerordentliche Mitgliederversammlung erreichen wollte. Im Urteil des AG Hannover 435 C 10856/18 vom 13.02.2019 wurde die Herausgabe der Mitgliederliste eines Hannoveraner Fußballvereins an einen Treuhänder ausgeurteilt. Um datenschutzrechtliche Interessen der Mitglieder zusätzlich zu schützen, hatte man sich auf diese Treuhänder-Lösung berufen. Demnach erhielten nicht die Mitglieder selbst, sondern ein besonders zur Vertraulichkeit verpflichteter Treuhänder die Mitgliedsdaten.

Urteil des OLG Hamm

Im Urteil des OLG Hamm 8 U 94/22 vom 26.04.2023 wurde nun von einem Oberlandesgericht in einem Berufungsverfahren entschieden, dass eine Mitgliederliste mitsamt E-Mail-Adressen an den Kläger herausgegeben werden muss.

Wichtiges Detail in der Entscheidung war unter anderem die direkte Herausgabe an das Mitglied selbst, nicht an einen Treuhänder. Dies wurde als gebotene Art der Herausgabe angesehen. Datenschutzrechtliche Bedenken standen dem nach Ansicht des OLG Hamm nicht entgegen. Auch hinsichtlich der E-Mail-Adressen, die keine Pflichtangabe der Mitglieder waren, wurde ein berechtigtes Interesse des Klägers gesehen.

Begründet wurde dies aus dem Mitgliedschaftsverhältnis heraus. Mitglieder haben danach auch das Recht, in die Bücher und anderen Dokumente des Vereins Einsicht zu nehmen. Eine Kontaktaufnahme durch andere Mitglieder ist nach Ansicht des OLG Hamm nicht mit einer werblichen Ansprache im Sinne des UWG zu vergleichen, weil zwischen den Vereinsmitgliedern eine Sonderbeziehung besteht.

In der Gesamtschau bestand damit für das OLG Hamm ein berechtigtes Interesse des Klägers als Mitglied daran, die Mitgliederliste samt E-Mails zu erhalten. Dem standen aufgrund der Sonderbeziehung der Mitglieder untereinander auch keine anderen überwiegenden Interessen entgegen. Dass der Zweck der Kontaktaufnahme direkt mit Mitgliedschaftsrechten zusammenhing, sprach ebenfalls für die Überlassung.

Interessensabwägung und Widerspruchsrecht

Da die Herausgabe der Daten hier letztlich immer auf ein berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs 1 S.1 lit. f) DSGVO gestützt wird, ist eine Interessensabwägung durchzuführen. Nach Ansicht der angerufenen Gerichte (die wohl herrschend sein dürfte) geht diese im Sinne der Mitgliedschaftsrecht aus. Damit sind Einsicht in oder Überlassung einer Mitgliederliste regelmäßig zulässig. Dennoch sind im Rahmen der Interessensabwägung nicht nur allgemeine, sondern auch besondere Interessen der Betroffenen in der Abwägung zu berücksichtigen.

Das OLG Hamm hat betont, dass die Verarbeitung zu den mitgliedschaftlichen Zwecken wie der Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung nicht vergleichbar sind mit einer werblichen Ansprache, die das UWG verbietet. Entsprechend reicht ein einfacher Widerspruch der Betroffenen auch nicht aus. Nur bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu Werbezwecken ist ein einfacher Widerspruch einer betroffenen Person immer zu beachten.

Um als betroffene Person dennoch einen wirksamen Widerspruch gegen eine solche Datenverarbeitung geltend zu machen müssen in der individuellen Person besondere Gründe vorliegen. Wenn z.B. einer der Initiatoren der Opposition eine persönliche Feindschaft mit einem Mitglied hat, wäre ein solches beachtliches Interesse ggf. gegeben. Diesen individuellen Grund für einen Widerspruch muss man darlegen, wenn ein entsprechender Widerspruch gegen eine Verarbeitung eingelegt wird. Dann obliegt es der verantwortlichen Stelle – hier also dem Verein – eine erneute, individuelle Abwägung vorzunehmen. „Ich mag die Initiatoren nicht“ mag ein Grund sein, aber hieraus wird sich dennoch kein überwiegendes Interesse gegen die Datenverarbeitung ableiten lassen. „Der Initiator X ist per Gerichtsbeschluss vom xx.xx.xxxx dazu verpflichtet, sich von mir fernzuhalten, da zuvor Stalking betrieben wurde. Meine aktuelle Adresse darf ihm aus Gründen des Opferschutzes nicht bekannt werden“ wird hingegen ein überwiegendes Interesse begründen, diesen Datensatz aus der Mitgliederliste zu löschen, bevor diese übergeben wird.

Konflikt gelöst, Verein befriedet

Dass sich ein Vereinsvorstand angegriffen fühlt, wen Mitglieder gegen dessen Entscheidungen rebellieren, ist verständlich. Dennoch ist eine professionelle Abwägung und Berücksichtigung der Rechtslage angezeigt, auch wenn es um ein Ehrenamt geht. Ein Verein ist als verantwortliche Stelle vollständig im Anwendungsbereich der DSGVO und muss die gesetzlichen Verpflichtungen des Datenschutzes einhalten.

Gibt es trotzdem Streit im Verein, so wird eine rechtlich abgesicherte Handhabung den Konflikt besser befrieden können, als das Vorschieben des Datenschutzes. In großen Vereinen werden die Quoren für organisierte Opposition selten erreicht. Sich dann auf dem Nebenkampfschauplatz des Datenschutzes in ein ggf. kostspieliges Gerichtsverfahren ziehen zu lassen, wird den Belangen des Vereins selten gerecht.

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  • heutzutage braucht man keine Mitgliederlisten mehr. In jedem Verein gibt es diverse WhatsApp-Gruppen in denen man ggf. eine Opposition organisieren kann.

  • Interessant wäre es, wenn man das jetzt mal bei einem Großverein wie dem ADAC (über 20 Millionen Mitglieder) oder ähnlichen durchexerziert. Ich bin mir sicher, dass die Rechtsabteilung des ADAC das bis zum Ende ausfechten würde.

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