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Massive Zunahme von Einsichtnahmen in Konten durch den Staat

Massive Zunahme von Einsichtnahmen in Konten durch den Staat

Seit 2005 haben sich die jährlichen, staatliche Zugriffe auf Bankkonten deutscher Staatsbürger um etwa 700% zugenommen. Aus datenschutzrechtlicher Hinsicht ist dies eine alarmierende Zahl.

Hintergrund

Finanz- und Sozialämter, Arbeitsagenturen und auch Bafög-Stellen sind seit 2005 dazu berechtigt, Einsicht in die Konten von Bürgern zu nehmen. Im ersten Jahr waren es lediglich 9000 Zugriffe, hingegen 2011 bereits 63.000 Zugriffe.

Die Einsichtnahmemöglichkeit wurde vor allem zur Kontrolle von Steuersündern eingeführt. Die Behörden haben dabei Zugriff auf die sogenannten Stammdaten von Bürgern.

Stammdaten sind:

  • Name und Geburtsdatum des Kontoinhabers
  • Kontonummer
  • Kontoerrichtungsdatum
  • Verfügungs- und wirtschaftlich Berechtigte

Im Jahr 2007 erklärte das Bunderverfassungsgericht das Gesetz für verfassungskonform, da unter anderem bei der Kontenabfrage keine Angaben zu Kontostand oder  Transferdaten erhoben werden. Aus Sicht von Datenschützern ist das Gesetz dennoch kritikwürdig.

Intransparenz der Zugriffe

Nicht nur der enorme Zuwachs der Zugriffsanzahlen ist alarmierend.

Datenschützer kritisieren, dass für den Staat keinerlei zwingende Auskunftspflicht gibt, die betroffenen Bürger über den Eingriff zu informieren. Auch müssen keine konkreten Angaben für die Begründen der Einsichtnahme protokolliert werden. Die Einsichtnahme erfolgt allein nach Ermessen des Beamten.

Da die Stammdaten in einem gesonderten von staatlicher Stelle verwalteten Datenpool einfließen, haben auch die Geldinstitute selbst keine Möglichkeit von den Zugriffen Kenntnis zu nehmen, um ihre Kunden über mögliche Eingriffe zu informieren. Die zuständigen Behörden sind lediglich dazu verpflichtet in amtlichen Vordrucken oder Merkblättern auf die Möglichkeit einer solchen Kontrolle hinzuweisen. Das reicht jedoch aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht aus.

Fazit

Im Zeitalter der digitalen Vernetzung gilt es nicht nur wohl bekannten Datenkraken wie Google Einhalt zu gebieten. Auch besonders dem Staat gegenüber muss klar gemacht werden, dass er nicht willkürlich und ohne das Wissen des Betroffenen, dessen Daten ausspähen darf.

Erst vergangene Woche Donnerstag hat der Bundestag einer Gesetzesvorlage zur Bestandsdatenauskunft zugestimmt. Wie wir in unserem Beitrag berichteten, soll es Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden künftig möglich sein, bereits bei bloßen Ordnungswidrigkeiten, Daten wie Name, Adresse, dynamische IP-Adresse, aber auch PINs PUKs oder gar Passwörter automatisiert abzurufen.

Nach Ansicht des Bundesdatenschutzbeauftragen Peter Schaar verkommt die eigentliche Ausnahmeermächtigung zum routinierten Eingriff in Privatdaten. Derartige gesetzliche Regelungen müssen ein Ende haben!

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  • „Die Einsichtnahmemöglichkeit wurde vor allem zur Kontrolle von Steuersündern eingeführt.“

    Wurde das Kontenabrufverfahren nicht eher aus Gründen der „Terror“bekämpfung eingeführt?

    „Datenschützer kritisieren, dass für den Staat keinerlei zwingende Auskunftspflicht gibt, die betroffenen Bürger über den Eingriff zu informieren.“

    Nicht ganz richtig. Ein Bürger kann ein gewöhnliches Auskunftsersuchen nach § 19 Bundesdatenschutzgesetz an das Bundeszentralamt für Steuern und an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht stellen. Hierbei wird dem Petenten Auskunft darüber erteilt, ob und an wen die Kontostammdaten übermittelt wurden.

    „Da die Stammdaten in einem gesonderten von staatlicher Stelle verwalteten Datenpool einfließen, haben auch die Geldinstitute selbst keine Möglichkeit von den Zugriffen Kenntnis zu nehmen, um ihre Kunden über mögliche Eingriffe zu informieren.“

    Dies ist eine durchaus sinnvolle Regelung, um die Betroffenen vor den Reaktonen der Bank zu schützen. Stellen Sie sich vor, Ihre Bank erfährt, dass staatliche Stelle gegen Sie ermitteln. Wie lange würde es wohl dauern, bis Ihnen Ihre Bank das Konto kündigt?

    „Im Zeitalter der digitalen Vernetzung gilt es nicht nur wohl bekannten Datenkraken wie Google Einhalt zu gebieten. Auch besonders dem Staat gegenüber muss klar gemacht werden, dass er nicht willkürlich und ohne das Wissen des Betroffenen, dessen Daten ausspähen darf.“

    Ach was. Tatsächlich? Der Staat als Datenfresser? Noch nie gehört…

    „Derartige gesetzliche Regelungen müssen ein Ende haben!“

    Träumen Sie weiter. Der Überwachungsstaat wird von einer Überwachungsgesellschaft flankiert. Sämtliche rechtsstaatlichen und freiheitlichen Grundsätze wurden über Bord geworfen. Die Büchse der Pandora wurde geöffnet. Es gibt kein Zurück mehr. Die Mehrheit des Volkes will die totale Überwachung.

    Sie gehören zu den letzten Verfechtern eines freiheitlich und grundrechtsorientierten Wertesystems, das durch die digitale Revolution in den Orkus der Geschichte gespült wurde.

    Es braucht erst einen Daten-Super-GAU, bis diese Entwicklung ernsthaft anders verlaufen wird. Wenn mehr als 50 % des Volkes Opfer von Datenmissbrauch, Falschverdächtigungen und Staatswillkür wurde, werden die Massen aufwachen.

    Bis dahin, rette sich wer kann.

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