Auch die Versicherungsbranche hat die „Datensammelwut“ gepackt. Dies kann man jedenfalls den immer häufiger wiederkehrenden Meldungen über Möglichkeiten zur Vergünstigung von Tarifen entnehmen, wenn man private Daten über sich preisgibt. Nur eine positive Entwicklung für „Sparfüchse“ oder eine Gefahr für die Rechte des Einzelnen oder der Versicherungsgemeinschaft?
Der Inhalt im Überblick
Beispiele
Mittlerweise gibt es eine ganze Reihe von Angeboten von Versicherungen, die dem Prinzip „Nachlass gegen Datenpreisgabe“ folgen. Hier einige Beispiele:
Sparen durch Zugriff auf Gesundheitsdaten
Die Generali Vitaly Versicherung bietet ihren Kunden eine App an, die es ermöglicht, Daten aus anderen bekannten Fitnesstrackern an die Generli Vitaly zu übermitteln. Der Grundgedanke: Je mehr Bewegung umso günstiger wird der Beitrag. Durch Aktivitäten sammeln die Teilnehmer folglich „Vitality-Punkte“. Durch das Sammeln von Vitality-Punkte kann man seinen eigenen Status verbessern und Vergünstigungen erlangen. Ist einmal der Platinstatus erreicht, winken bis zu 16 % – günstigere jährliche Versicherungstarife.
Sparen durch Zugriff auf Facebook
Ein weiteres Angebot nach dem Prinzip „Vergünstigung gegen Datenpreisgabe“ plante der KFZ-Versicherer Admiral in Großbritanien. Admiral bot Fahranfängern an, die Höhe der eigenen Versicherungsprämie individuell zu berechnen. Grundlage für die Berechnung sollte die Analyse der Facebook-Beiträge sein. Der Schreibstil der Beiträge soll dabei die Möglichkeit eröffnen, bestimmte Persönlichkeitsmerkmale festzustellen, aus denen offenbar die Schadenshäufigkeit abgeleitet werden kann. So ist es wohl so, dass selbstbewusstere junge Menschen eine höhere Schadenswahrscheinlichkeit aufweisen und daher keine oder nur geringere Rabatte erwarten können. Die Ausprägung des Persönlichkeitsmerkmals: Selbstbewusstheit sollte durch Algorithmen ermittelt werden, die z.B. die Häufigkeit der Verwendung von Worten wie „immer“ oder „nie“ berücksichtigt.
Sparen durch Telematik
Auch eine dauerhafte Überwachung des eigenen Fahrstils ermöglicht geringere Beiträge. So bietet die VHV-Versicherung ihren Kunden die Ersparnis von bis zu 30 % des jährlichen Beitrags an, wenn diese im eigenen PKW eine Telematik-Box einbauen lassen. Die Telematik-Box ermittelt dabei fortlaufend Daten über den eigenen Fahrstil (Geschwindigkeit, starke Beschleunigung, Bremsverhalten), aber auch Daten zu den Straßen, die genutzt werden und berücksichtigt zudem, wann gefahren bzw. welche Ziele angesteuert werden. Ungünstig sind dabei z.B. Nachfahrten am Samstag. Dies deshalb, weil „Diskofahrten“ mit einem erhöhten Unfallrisiko verbunden sind.
Datenschutz vs. „Geiz ist Geil“
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Angebote in der dargestellten Form nach der derzeitigen Rechtslage grundsätzlich datenschutzrechtlich konform ausgestaltet werden können. Nach § 4 BDSG kann eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten auf eine Einwilligung des Betroffenen gestützt werden. Die Erteilung einer solchen Einwilligung wird Voraussetzung für die Teilnahme an diesen Angeboten sein.
Gefahren und Risiken
Unabhängig von der Möglichkeit einer rechtskonformen Ausgestaltung solcher Angebote sollten jedoch die Gefahren und Risiken solcher Angebote berücksichtigt werden.
Zunächst einmal ist es zwar derzeit so, dass die Angebote nur die Möglichkeit einer Ersparnis und – noch nicht – die Möglichkeit von höheren Beitragen beinhalten. Allerdings ist es naturgemäß nur eine Frage der Zeit bis aus einem Bonus ein Malus wird. Wenn erstmal die Mehrzahl von Versicherungsnehmern solche Angebote wahrnehmen und in den „Genuss“ von geringeren Beiträgen kommen, werden diejenigen, die nicht teilnehmen durch das Vorenthalten solcher Nachlässe „bestraft“. Der eigene „Sparfuchs“-Trieb wird so mittelfristig zu einem Nachteil für andere Versicherungsnehmer, die nicht bereit sind, ihrer KFZ-Versicherung z.B. mitzuteilen, wann sie zur Disko fahren.
Aus Sicht des Einzelnen ist zu berücksichtigen, dass auch die eigenen Stärken und Schwächen in der Regel ausgewogen verteilt sind. So hat der Einzelne als begeisterter Sportler vielleicht die Möglichkeit durch Preisgabe von Bewegungsaktivitäten bei Krankenversicherungsbeiträgen zu „sparen“. Gleichzeitig liebt er aber auch das sportliche Autofahren und muss dann mit „höheren“ KFZ-Versicherungsbeiträgen rechnen. Letztlich handelt es sich daher eigentlich um ein „Nullsummen“ – Spiel.
Das Wesen einer Versicherung
Schließlich konterkariert das Bestreben nach individuell auf das eigene Risikoverhalten zugeschnittenen Versicherungsbeiträgen letztlich das Wesen einer Versicherung. Das Wesen einer Versicherung ist es, dass die Versicherten durch gemeinsame Beiträge Schäden eines Einzelnen abdecken. Es geht also um die Absicherung des Schadensrisikos aller Beteiligten und nicht um die Absicherung des eigenen individuellen Schadensrisikos! In aller Regel wird es ja auch im Interesse des Betroffenen nicht von einem Schadensereignis betroffen zu sein – wer hat schon gerne einen Unfall oder wird krank? Im günstigsten Fall erhält der Einzelne also nie eine „Gegenleistung“ für seine Beiträge. Es geht bei einer Versicherung nicht darum, dass eigene individuelle Schadensrisiko möglichst genau zu berechnen oder nur „angemessene“ Beiträge zu zahlen. Es geht um die Absicherung eines Schadensereignisses, dass möglicherweise die eigenen finanziellen Schadensmöglichkeiten übersteigt – und hoffentlich nie eintritt.
Bewusstsein für den Wert der eigenen Daten
Das aus Sicht des Datenschutzes natürlich wesentlichste Argument sind die Bedenken, die entstehen, wenn man betrachtet, welche Vielzahl von Daten übermittelt werden und auch welche Datenkategorien betroffen sind. Dem Einzelnen sollte klar sein, dass er sich für ein paar Prozentpunkte weniger Beitrag weitgehend zum gläsernen Menschen macht. Krankenkassen erhalten z.B. Gesundheitsdaten, die weitgehende Rückschlüsse auf den aktuellen Gesundheitszustand ermöglichen und sicherlich auch geeignet sind, Prognosen über die zukünftige Entwicklung zu errechnen. Durch die Vielzahl von Daten, die Krankenkassen erhalten, wird es zukünftig wahrscheinlich möglich sein, Gesundheitsrisiken genauer zu errechnen. Und so mag ein Ergebnis sein, dass z.B. eine bestimmte Sportart – nehmen wir Joggen – , die Wahrscheinlichkeit von z.B. Gelenkverschleiß deutlich erhöht. Die Information, dass man joggt hat man der eigenen Krankenkasse dann bereits geliefert und diese wird natürlich – der Logik von maßgeschneiderten Beiträge folgend – die Beiträge des enthusiastischen Joggers anpassen – allerdings dann nach oben.
Last but not least: Und muss denn wirklich die eigene KFZ-Versicherung wissen, wann man zur Disko fährt?
Mit Sicherheit keine positive Entwicklung. Fakt ist, dass Stärken und Schwächen in der Gesellschaft nicht ausgewogen verteilt sind. Eine „Gemeinschaft“ zeichnet sich gerade dadurch aus, dass Sie da ein gerechtes Gleichgewicht herstellt.
In der Vergangenheit waren die Stärken und Schwächen des Einzelnen für die Gemeinschaft aber kaum ermittelbar, weil die individuellen Daten in der Detailliertheit weder vorlagen noch in der Menge hätten verarbeitet werden können.
Erst die aufgrund des technischen Fortschritts nun ständig wachsenden Möglichkeiten immer detaillierte und größere Datenmengen zu verarbeiten und den Einzelnen transparent zu machen bergen die Gefahr für die Gemeinschaft. Ein System, das zu sehr auf individuelle Stärken und Schwächen abstellt, insbesondere wenn diese vom Betroffenen nicht oder nur wenig beeinflussbar sind, führt am Ende möglicherweise zum Auseinanderbrechen der Gemeinschaft.
Last but not least: Sind wir mit der Vielzahl der erforderlichen Interessenabwägungen überfordert, und wo führt uns diese Entwicklung noch hin?