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BGH: Grenzen der DSGVO-Auskunft

BGH: Grenzen der DSGVO-Auskunft

Am Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO scheiden sich auch nach über fünf Jahren mit der DSGVO immer noch die Geister. Das ist allerdings nicht überraschend, da das Auskunftsrecht das mit Abstand relevanteste Betroffenenrecht ist. Die Erfüllung des Auskunftsbegehrens hat es aber in sich. Viele Fragen hierzu sind nach wie vor umstritten und immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Verfahren.

Grundlage für alle Betroffenenrechte

Ein Problem ist sicherlich, dass Art. 15 DSGVO vom Wortlaut her sehr weit gefasst ist. So kann eine betroffene Person Auskunft zu sämtlichen Verarbeitungszwecken und sämtlichen Datenkategorien verlangen. Der Begriff der Verarbeitung ist in Art. 4 Nr. 2 DSGVO legaldefiniert und schließt so ziemlich jede Tätigkeit ein, für die man personenbezogene Daten verwenden kann. Auch ist beim Verarbeiten der gesamte „Lebenszyklus“ eines Datums, also von der erstmaligen Erhebung bis hin zur Löschung, die ggf. erst Jahre später erfolgt, umfasst.

Der Auskunftsanspruch ist auch deswegen so bedeutsam, weil er die Grundlage für die weiteren Betroffenenrechte bildet. Denn nur wenn die betroffene Person weiß, ob und welche Daten beim Verantwortlichen über sie vorhanden sind, kann die betroffene Person feststellen, ob die Daten rechtmäßig verarbeitet werden oder nicht. Vor allem bei langjährigen Arbeitsverhältnissen fällt eine große Menge an Daten an. Es ist daher nicht überraschend, dass die meisten Unternehmen nicht unbedingt begeistert sind, wenn ein Auskunftsersuchen nach Art. 15 DSGVO ins Haus flattert.

Prämienanpassung durch Versicherung

Aus dem Berateralltag kann man zudem berichten, dass der Auskunftsanspruch gerne auch von betroffenen Personen benutzt wird, um Unternehmen, mit denen man nicht zufrieden war, eins auszuwischen. Vor allem frustrierte oder bereits gekündigte Arbeitnehmer scheuen sich nicht, ihren Noch-Arbeitgeber durch datenschutzrechtliche Ansprüche unter Druck zu setzen. Mit einem Auskunftsanspruch hat sich kürzlich auch der BGH beschäftigt. In dem nun entschiedenen Fall (BGH, Urteil vom 27.09.2023. Az. IV ZR 177/22, Pressemitteilung) hat sich der Kläger gegen die Wirksamkeit von Prämienanpassungen durch seine private Krankenversicherung gewandt.

In diesem Zusammenhang begehrte der Kläger Auskunft darüber, ob und wann in einem Zeitraum zwischen 2013 und 2016 Beitragsanpassungen erfolgt sind, um mit diesen Informationen einen möglichen Anspruch gegen die Beklagte geltend machen zu können. Insbesondere verlangte Kläger detaillierte Auskunft zur Höhe der Beitragserhöhungen unter Benennung der jeweiligen Tarife, die dem Kläger übermittelten Anschreiben mit Begründungen, die Nachträge zum Versicherungsschein sowie weitere Dokumente. Den Antrag hat der Kläger im Rahmen einer Stufenklage gestellt.

Eine stufenweise Auskunft

Eine Stufenklage nach § 254 ZPO ist immer dann sinnvoll, wenn es dem Kläger nicht möglich ist, den Klageantrag genau zu konkretisieren, da ihm noch erforderliche Informationen hierzu fehlen, die allein der Beklagte zur Verfügung stellen kann. Der Kläger müsste also zuerst den Informationsanspruch einklagen und ggf. durchsetzen. Erst danach könnte er eine zweite Klage erheben, mit der dann der genau bestimmte, eigentliche Anspruch verfolgt wird. Um das Verfahren zu vereinfachen und es zu ermöglichen, beide Ansprüche in einem Verfahren zu verfolgen, kann der Kläger gleich die Stufenklage erheben.

Die Vorinstanz – hier das OLG Frankfurt (Urteil vom 07.04.2022 . Az.3 U 266/21) – hatte die Klage abgewiesen. Der BGH hat nun aber die beklagte Versicherung zur antragsgemäßen Auskunft verpflichtet. So weit, so klar? Dann könnte der heutige Blog hier eigentlich zu Ende sein. Ganz so einfach war es dann aber doch nicht. Zunächst hat der BGH entschieden, dass die Auskunftsklage zulässig ist, also die formalen Anforderungen erfüllt sind. Zwar hat es sich nach Auffassung des Senats nicht um eine klassische Stufenklage gehandelt, da es vorliegend nicht um die genaue Bezifferung eines Anspruchs ging, sondern eher um die Frage, ob überhaupt ein Anspruch besteht. Der BGH hat den Klageantrag daher kurzerhand in eine von der Stufung unabhängige Klage umgedeutet. Ein berechtigtes Interesse des Klägers sei zudem vorhanden, da dieser die Auskunft grundsätzlich benötige, um Beitragserhöhungen auf Richtigkeit zu prüfen und gegebenenfalls Rückzahlungsansprüche geltend zu machen.

Ein Auskunftsanspruch besteht, aber…

Inhaltlich kam der BGH zu der Erkenntnis, dass dem Kläger grundsätzlich ein Auskunftsrecht zusteht. Dieser ergebe sich im Regelfall aus „Treu und Glauben“, also zumindest mittelbar aus dem Versicherungsvertragsverhältnis. Dies könne aber nur gelten, wenn die betroffene Person nicht mehr über die betreffenden Unterlagen verfügt und sich die notwendigen Informationen nicht selbst auf zumutbare Weise verschaffen kann. Die Voraussetzung sah der BGH hier offenbar als erfüllt an.

Allerdings hat der BGH ebenso festgestellt, dass der Auskunftsanspruch vorliegend nicht auf Art. 15 DSGVO gestützt werden kann. Aus der Pressemitteilung ergibt sich die folgende Begründung:

„Ein Anspruch auf eine Abschrift der gesamten Begründungsschreiben samt Anlagen lässt sich aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht herleiten, da es sich weder bei den Anschreiben selbst noch bei den beigefügten Anlagen jeweils in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers handelt.“

Der BGH weist ferner darauf hin, dass sich aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO zwar ein Recht auf Erhalt einer Kopie ergebe. Allerdings könne sich dies natürlich nur auf Daten beziehen, für die der Verantwortliche nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO zur Auskunft verpflichtet ist. Ein genereller Anspruch auf Erhalt bestimmter Dokumente ergebe sich aus Art. 15 DSGVO gerade nicht.

Das Recht auf Auskunft gilt nicht uneingeschränkt

Der BGH bezieht sich dabei wenig überraschend auf eine Entscheidung des EuGH aus Mai dieses Jahres (Urteil vom 04.05.2023, Az. C-487/21). Hier hatte der EuGH im Rahmen einer Vorlagefrage wie folgt herausgestellt:

„Artikel 15 Absatz III 3VO (EU) 2016/679 ist dahin auszulegen, dass sich der im Sinne dieser Bestimmung verwendete Begriff „Informationen“ ausschließlich auf personenbezogene Daten bezieht, von denen der für die Verarbeitung Verantwortliche gemäß Satz 1 dieses Absatzes eine Kopie zur Verfügung stellen muss.“

Vergleichbar hatte sich zuvor auch das OLG Brandenburg in einem sehr ähnlich gelagerten Sachverhalt positioniert. Dies mag zwar aus Sicht betroffener Personen auf den ersten Blick negativ erscheinen, dürfte aber am ehesten mit dem Schutzzweck der DSGVO vereinbar sein. Denn auch der grundsätzlich sehr weit gehende Anspruch aus Art. 15 DSGVO findet seine Grenzen, wenn es der betroffenen Person nicht um ihr Recht als Datenschutzsubjekt geht, sondern diese den Anspruch gewissermaßen „missbraucht“, um an von ihr begehrte Informationen zu kommen. Aus Sicht von verantwortlichen Unternehmen und auch von einem neutralen Standpunkt aus ist die Entscheidung des BGH auf jeden Fall gut nachvollziehbar.

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