Der Europäische Datenschutzbeauftrage (EDSB) veröffentlichte am 20. Januar seine Stellungnahme zu der vom EU-Gesetzgeber vorgeschlagenen Verordnung über Transparenz und Zielgruppenansprache in der politischen Werbung. Wir fassen die wichtigsten Erkenntnisse des Gesetzgebungsvorhabens zusammen.
Der Inhalt im Überblick
Sorge um politische Desinformation steigt
Es ist nicht lange her, dass Nachrichten um zielgruppenspezifische Werbung im US-Wahlkampf zwischen Trump und Biden 2020 durch die Presse gingen. So haben sich laut NYU Ad Observatory die Parteien Facebook zu Nutze gemacht, um mit gezielter Werbung Facebook-Nutzer:innen bei Unentschlossenheit von ihrer Partei zu überzeugen oder sogar zum Spenden anzuregen. Klingt das vertraut? Cambridge Analytica lässt grüßen!
Aber auch hierzulande ist die Sorge um den weitreichenden Einfluss von Social Media auf die Bundestagswahl nicht unerheblich gewesen. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung äußerte sich Ingrid Brodnig, österreichische Kolumnistin und Autorin über Themen wie Desinformation in der digitalen Welt, wie folgt:
„Soziale Medien sind nicht die Ursache, weshalb Leute sich streiten, aber sie wirken wie ein Katalysator für den Konflikt. Emotionalisierende Ereignisse führen zu Streit in der Gesellschaft, und immer, wenn die Gesellschaft streitet, wird es auf Social Media besonders schlimm.“
Eine Erhebung zur Wahrnehmung von Desinformation und politischer Werbung im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW von 2021 zeigte ebenfalls, dass die Angst vor Beeinflussung der politischen Meinungsbildung durch Desinformationskampagnen sehr präsent ist. Dennoch waren die Befragten politischer Onlinewerbung gegenüber nicht abgeneigt, sie solle nur notwendigen Regelungen zur Transparenz unterliegen.
Wie soll die notwendige Transparenz erreicht werden?
Den Handlungsbedarf sah auch die EU-Kommission und nahm am 25. November 2021 einen Vorschlag über eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung an. Zu diesem Verordnungsvorschlag wurde nun ebenfalls eine Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten veröffentlicht.
Mithilfe der Verordnung soll die Transparenz politischer Kampagnen sowie freie und faire Wahlen in der EU gefördert werden. Angriffspunkte sind insbesondere Desinformation, die Manipulation von Wähler:innen und etwaige Eingriffe in Wahlen.
Die Verordnung sieht für die Regulierung von politischer Werbung beispielsweise folgende Maßnahmen vor:
Einführung von Transparenzlabels
Bezahlte politische Werbung muss klar gekennzeichnet sein und eine Reihe von Schlüsselinformationen enthalten. Dazu gehören der Name des Sponsors (z.B. Politiker oder politische Organisationen) an prominenter Stelle und ein leicht auffindbarer Transparenzhinweis mit
- (1) dem für die politische Werbung ausgegebenen Betrag,
- (2) den Quellen der verwendeten Mittel und
- (3) einer Verbindung zwischen der Werbung und den betreffenden Wahlen oder Volksabstimmungen.
Strenge Bedingungen für Targeting und Amplifizieren
Unter „Verfahren zum Targeting oder Amplifizieren“ versteht die Verordnung Techniken, die eingesetzt werden, um eine maßgeschneiderte politische Anzeige nur an eine bestimmte Person oder Personengruppe zu richten oder um die Verbreitung, die Reichweite oder die Sichtbarkeit einer politischen Anzeige zu erhöhen.
Schwierig ist es dann für Targetingtechniken, die sensible personenbezogene Daten zur ethnischen Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung verwenden oder daraus schließen. Diese sollen nämlich verboten werden, es sei denn, es liegt eine ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Person vor.
Bei bestimmten politischen Organisationen, die ihre Mitglieder adressieren möchten, sieht die Verordnung vor, dass in die Anzeigen Informationen darüber aufgenommen werden, auf welcher Grundlage die Person angesprochen wird und zu veröffentlichen, welche Gruppen von Personen angesprochen wurden sowie welche Kriterien und Maßnahmen zum Targeting oder Amplifizierung eingesetzt wurden. Zudem müssen politische Organisationen eine interne Richtlinie für den Einsatz solcher Techniken einführen und veröffentlichen.
Geldbußen bei Verstößen
Werden die Transparenzpflichten nicht eingehalten, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine verhältnismäßige und abschreckende Geldbuße zu verhängen. Interessant ist hier insbesondere, dass die nationalen Datenschutzaufsichtsbörden einbezogen werden. Der Vorschlag der Verordnung sieht vor, dass auch die Datenschutzaufsichtsbehörden die Verarbeitung personenbezogener Daten für die politische Werbung überwachen und befugt sind, Geldbußen im Einklang mit den europäischen Datenschutzvorschriften zu verhängen.
Und was sagt der Europäische Datenschutzbeauftragte dazu?
Grundsätzlich begrüßt der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) Wojciech Wiewiórowski in seiner Stellungnahme die Ziele der Verordnung und das Vorhaben selbst. Dennoch ist seiner Meinung nach noch mehr zu tun. Neben den Transparenzpflichten sollen strengere Regeln für den Einsatz von gezielter politischer Werbung im Netz in Betracht gezogen werden.
Insbesondere fordert der EDSB dazu auf, dass ein vollständiges Verbot des Microtargetings für politische Zwecke geprüft werden sollte. Beim Microtargeting werden personenbezogene Daten analysiert, um die Interessen eines bestimmten Publikums oder einer bestimmten Person zu ermitteln und so deren Handlungen mittels Online-Werbung zu beeinflussen.
Der EDSB ist außerdem der Ansicht, dass weitere Einschränkungen in Bezug auf die Kategorien personenbezogener Daten eingeführt werden sollten, die zum Zweck der politischen Werbung verarbeitet werden. Ein entsprechendes Verbot solle insbesondere Fälle betreffen, die ein übergreifendes Tracking über Webseiten und Dienstleistungen hinweg auf Basis des Profilings vorsehen.
Darüber hinaus ist der EDSB der Meinung, dass die Rollen und Verantwortlichkeiten der beteiligten Akteure und die Zusammenarbeit zwischen den für die Aufsicht und Durchsetzung zuständigen Behörden, einschließlich der Datenschutzbehörden, klarer definiert werden müssten. So sollen die Datenschutzbehörden für alle Aspekte der politischen Werbung zuständig sein, die eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten zum Inhalt haben und nicht nur für das eingesetzte Mittel des Targetings.
Der politische Diskurs im Netz
Die Digitalisierung hat dazu beigetragen, dass Informationen immer und überall zugänglich sind. Dementsprechend ist es auch denkbar leicht, sich eine Meinung zu jedem x-beliebigen Thema zu bilden. Wir erinnern uns aber auch an Schlagzeilen aus der Bundestagswahl 2021: Laschet lacht angesichts der verheerenden Überschwemmungen in Westdeutschland. Baerbock will das Haustierverbot einführen. So schnell kann das Meinungsbild wie es entsteht auch verändert, beeinflusst und bewusst manipuliert werden.
Der Vorschlag einer Verordnung ist in jedem Fall zu begrüßen, um freie und faire Wahlen weiterhin gewährleisten zu können. Jedoch sind die Maßnahmen noch nicht ausreichend. Transparenz ist zu begrüßen, aber wir kennen auch den bekannten Fall, dass Datenschutzhinweise lediglich überflogen werden. Insofern sollte wie der EDSB treffend anmerkte mit klaren Einschränkungen gearbeitet werden, die in jedem Fall das Risiko von Desinformation und Manipulation von Wähler:innen eindämmen.
Interessant wird in jedem Fall sein, ob und wie weit sich der Zuständigkeitsbereich der Datenschutzbehörden für die politische Werbung im Rahmen der neuen Verordnung erweitern wird und wie sich dies auf die Geldbußen nach Art. 83 DSGVO auswirkt.