Beim „Targeting“ sammeln Werbedienstleister Online-Nutzungsdaten von Verbrauchern, um deren mutmaßliche Interessen zu ermitteln und ihnen dann Werbung zu präsentieren, die auf diese Interessen zugeschnitten ist. Die deutsche Werbewirtschaft hat sich nun selbst Regeln für das „Targeting“ auferlegt, die – wie nicht anders zu erwarten war – hinter den Bestimmungen der EU-Cookie-Richtlinie zurückbleiben.
Der Inhalt im Überblick
Deutscher Datenschutzrat Online-Werbung (DDOW)
Die Selbstregulierung der deutschen Online-Werbewirtschaft geht auf eine Initiative des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft ZAW zurück. In einem „Kodex für Telemedienanbieter“ für sog. Erstparteien verpflichten sich Webseiten-Betreiber zu Transparenz für Nutzer und Verbraucher. Vor allem müssen sie auf ihrer Website klar und verständlich auf die Datenerhebung hinweisen. Der zweite Kodex enthält die „Selbstregulierung der OBA-Dienstleister (Drittparteien)“. Diese Regeln richten sich nicht an den Betreiber einer Website, sondern an Dritte, die auf einer Website Anzeigen platzieren. Auch für Drittparteien, unter anderem Werbenetzwerke oder Online-Mediaagenturen, gilt eine Kennzeichnungspflicht.
Zur Koordinierung und Durchsetzung der Pflichten aus den Kodizes wurde der Deutsche Datenschutzrat Online-Werbung (DDOW) mit Sitz in Berlin gegründet.
Wir können mit dieser Initiative die Angst vor dem gläsernen Bürger nehmen,
sagte der Sprecher des neuen Rates, Matthias Wahl. „Akzeptanz und Vertrauen sind die Basis für erfolgreiche Werbung. Hierfür soll die neue Selbstregulierung die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Ihre Vorgaben sind europäisch harmonisiert“, betont Wahl. Die European Interactive Digital Advertising Alliance (EDAA) soll sich künftig auf europäischer Ebene für Transparenz im Bereich der nutzerverhaltensbasierten Onlinewerbung einsetzen.
Selbstregulierung sieht „Opting-Out“ vor
Targeting ist die Grundlage nutzungsbasierter Online-Werbung („Online Behavioral Advertising“, kurz „OBA“). Die Werbeunternehmen setzen dazu in der Regel Cookies ein. Damit können sie den Browser auf allen Sites wiedererkennen, die zu ihrem Werbenetzwerk gehören. Als Bestandteil der Initiative sollen Verbraucher jetzt mehr Kontrolle darüber erhalten, wer in ihrem Browser Cookies setzen darf.
Ein „i“ in einem Dreieck soll als europaweit einheitliches Piktogramm in der oberen rechten Ecke von Online-Anzeigen eingeblendet werden, soweit die Anzeige oder andere Werbemittel so konfiguriert sind, dass das Verhalten einzelner Nutzer aufgezeichnet wird. Per Klick auf das Piktogramm wird ersichtlich, welche Dienstleister hinter der Datenerhebung und -nutzung stehen.
Auf der Website meinecookies.org informieren die Werber den Verbraucher über Cookies allgemein und zeigen ihm, welche Werbenetze Cookies setzen. Mit einem Präferenzenmanager kann der Verbraucher die Cookies einzelner oder auch aller Werbenetze deaktivieren (Opting-Out). Das gilt natürlich nur für Werbenetze, die sich an der Initiative beteiligen. Unter den verzeichneten Anbietern finden sich immerhin Schwergewichte wie AOL, Google, Microsoft Advertising und Yahoo!
Ergänzt wird das System durch einen Beschwerdemechanismus und ein verbindliches Sanktionsverfahren, wobei offen bleibt, welche Sanktionen vorgesehen sind.
Cookie-Richtlinie sieht „Opting-In“ vor
Die 2008 beschlossene EU-Richtlinie zum Datenschutz in der elektronischen Kommunikation regelt unter anderem den Zugriff Dritter auf Informationen, die vom Nutzer etwa auf Festplatten gespeichert werden. Dabei geht es vor allem um Browser-Cookies, in denen Webdienstleister Informationen über den Internetnutzer ablegen. Den Einsatz von OBA-Werbemitteln gestattet die Richtlinie nur, wenn der Betroffene „auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen“ seine Zustimmung erteilt hat. Obwohl die Einzelheiten noch umstritten sind, knüpft die Richtlinie mit dem „Opting-In“ deutlich strengere Voraussetzungen an den Einsatz von „Targeting“-Maßnahmen als die Regularien der Werbewirtschaft.
Allerdings ist die Richtlinie in Deutschland noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden. Obschon die Frist zur Anpassung des nationalen Rechts in den EU-Mitgliedstaaten bereits am 25. Mai 2011 ausgelaufen ist, sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf. Die EU-Richtlinie werfe noch einige praktische Fragen auf, die derzeit auf europäischer Ebene beraten würden, zitiert „heise-online“.
Im Konflikt zwischen dem Informationsbedarf der Wirtschaft und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Nutzer setzt die Bundesregierung stattdessen auf Selbstregulierung, wie das „Hamburger Abendblatt“ berichtet.
Effiziente Werbung muss potenzielle Kunden erreichen,
verlautbarte die Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Anne Ruth Herkes. „Das ist ein nachvollziehbares Ziel.“
Harsche Kritik unabhängiger Experten
Weniger begeistert hat der Verein Digitale Gesellschaft die Gründung des Datenschutzrates Online-Werbung aufgenommen. Der Vorsitzende Markus Beckedahl hat in einem Blog geäußert: „Dieser vorgebliche Datenschutzrat löst kein einziges Datenschutzproblem, er dient offensichtlich zu dem, was im Umweltbereich als Greenwashing bezeichnet wird. Die Onlinewerbewirtschaft speichert das Surfverhalten quer durch das Web und ignoriert dabei auch geltendes europäisches Datenschutzrecht.“ Sein Fazit:
Die Werbewirtschaft will den Nutzern nicht die Wahl lassen – sondern sie für dumm verkaufen.