Politisches Mikrotargeting ist spätestens nach Donald Trumps Wahlsieg 2016 in aller Munde. Auch in Deutschland wurde die Tracking-Methode bereits zur Bundestagswahl 2021 eingesetzt. Nun stehen bald wieder Wahlen an und das Politische Mikrotargeting wird abermals Gegenstand des Wahlkampfes werden. Dieser Artikel beleuchtet die Herausforderungen des Politischen Mikrotargetings und erläutert, was sich seit den letzten Wahlen gesetzlich geändert hat.
Der Inhalt im Überblick
Was ist politisches Microtargeting?
Das Demokratieprinzip ist einfach erklärt: Alle Herrschaftsgewalt geht vom Volke aus. Das bedeutet, dass das Volk die politische Richtung des Landes mitgestalten kann. Und diese Entscheidung kann das Volk frei und ohne Zwang treffen. Übertragen auf den Wahlkampf bedeutet dies, dass Wähler sich über politische Richtungen und Parteien eine freie Meinung bilden können und diese dann in Form einer Stimmabgabe zum Ausdruck bringen kann.
Politische Werbung von Parteien ist daher ein wichtiger demokratischer Pfeiler. Sie kann Parteien bei der Kommunikation von Zielen und Werten helfen und diese dem Wähler so zugänglich machen.
Politisches Microtargeting ist die neuste und digitale Form der politischen Werbung, welches insbesondere auf Social Media Plattformen wie Facebook, Instagram und Co. betrieben wird.
„Microtargeting ist eine Form der gezielten Online-Werbung, bei der persönliche Daten analysiert werden, um die Interessen einer bestimmten Zielgruppe oder Einzelperson zu ermitteln und so deren Verhalten zu beeinflussen“ – ico
Politisches Microtargeting wird ferner dazu verwendet, zielgruppenorientiert potenzielle Wähler anzusprechen und für diese zugeschnittene Botschaften zu übermitteln. Diese Wähler werden für diesen Zweck regelmäßig mithilfe von Datenauswertungen ermittelt.
Dieses Vorgehen wurde bereits 2015 im Rahmen der US-Präsidentschaftswahl bekannt. Hier galt Microtargeting als mitverantwortlich für den Wahlsieg Donald Trumps im Jahr 2016. Aber nicht nur in den USA wird politisches Microtargeting im großen Stil betrieben, sondern auch in Deutschland. Die Bundestagswahl 2021 soll erheblich vom Microtargeting beeinflusst worden sein. Doch wie genau? Darüber hüllen sich Online-Plattformen und Parteien in Schweigen.
Politische Werbung auf Social Media – kein neues Problem
Politisches Microtargeting hat zwar das Potenzial, politische Kampagnen effizienter und effektiver zu gestalten, es bringt jedoch auch diskussionswürdige Probleme und Herausforderungen mit sich. Zwei prominente Beispiele sind der Cambridge Analytica-Skandal und die Beschwerden von der Datenschutz-NGO noyb (None of Your Business).
Der Cambridge Analytica-Skandal aus dem Jahr 2015 zeigt bereits auf welche Risiken und ethischen Probleme das politische Microtargeting mit sich bringen kann. Cambridge Analytica, ein Datenanalyseunternehmen, sammelte ohne Einwilligung der Nutzer Millionen von Facebook-Profilen, um detaillierte Profile der User zu erstellen. Diese Profile wurden verwendet, um personalisierte politische Botschaften und Anzeigen zu schalten, die auf die individuellen Merkmale der Nutzer abgestimmt waren. Dies führte zu Vorwürfen der Wählermanipulation, da die Botschaften darauf abzielten, die Meinungen und das Verhalten der Wähler subtil zu beeinflussen. Der Skandal löste weltweit Empörung aus.
Im Jahr 2021 reichte noyb Beschwerden gegen mehrere deutsche Parteien ein. noyb kritisierte, dass die Parteien ohne ausdrückliche und informierte Einwilligung personenbezogene Daten von der Plattform Facebook verarbeiteten und umfangreiche Wählerprofile erstellten. Facebook habe zudem die politischen Ansichten der User ausgewertet. Der Datenschutzverein sah hierbei eine erhebliche Gefahr für die Demokratien und die freie politische Meinungsbildung.
„Politische Parteien können spezifischen Wähler:innengruppen unzählige geheime Versprechungen machen, die für alle anderen gar nicht wahrnehmbar sind. So können ganz unterschiedliche Erwartungen entstehen, denen die Politik niemals gerecht werden kann. Die Folge ist eine Polarisierung der Gesellschaft und einzelne Parteien können sich durch widersprüchliche Versprechen Vorteile im Wahlkampf erschaffen“ – noyb
So soll Politisches Microtargeting künftig reguliert werden
Politisches Microtargeting muss künftig besser reguliert werden, um zum einen Desinformationen und Manipulation von Nutzern online zu verhindern und die demokratischen Grundsätze nicht zu gefährden.
Hierfür gibt es nun den Digital Services Act. Dieser soll insbesondere Online-Plattformen wie Facebook, Instagram und Co. mit neuen Vorschriften belegen und so für Nutzer sicher und transparenter machen. Zudem gibt es seit Frühjahr 2024 eine Verordnung über Transparenz und Targeting politischer Werbung, die nächstes Jahr Inkrafttreten wird und politische Werbung angemessen regulieren soll.
Der Einfluss des Digital Services Acts
Der Digital Services Act (DSA) der EU regelt digitale Dienste und Plattformen, um den digitalen Binnenmarkt sicherer und transparenter zu gestalten. Er legt Haftungs- und Verantwortungsregeln für Online-Plattformen fest. Zudem müssen Plattformen transparente Informationen über Inhaltsmoderation und Algorithmen bereitstellen und regelmäßig Berichte veröffentlichen. Adressat dieses Acts sind mithin nicht die politischen Parteien, sondern die Online-Plattformen, auf denen personalisierte politische Werbung geschaltet wird.
Beim politischen Microtargeting werden zumeist Informationen wie die Lebenssituation, das Alter, Interessen oder gewisse Überzeugungen von einer Person ausgewertet und daraus ein Profil zu der Person erstellt. Dies widerspricht zwei Regelungen des DSA ganz besonders:
- Zum einen müssen Anbieter gemäß Art. 26 Abs. 1 DSA sicherstellen, dass ihre Nutzer die Werbung in klarer, präziser und eindeutiger Weise und in Echtzeit erkennen können.
- Zum anderen widerspricht das Vorgehen Art. 26 Abs. 3 DSA das Zeigen von Werbung aufgrund von Profilings.
In vergangenen Fällen hatten die Nutzer keine Kenntnis davon, dass ihre personenbezogenen Daten für derartige Auswertungen und Werbung verwendet wurden. Zudem wurde aufgrund des Profilings auf Facebook personalisierte Werbung geschaltet, die das Wählerverhalten (zumindest im Falle der US-Wahl) beeinflusst hat.
Diese Problematiken sollen künftig durch die Regelungen des DSAs gelöst oder zumindest gemindert werden. Hierzu werden auf Anbieter von Online-Plattformen weitere Verpflichtungen zu Risikoabschätzungen gemäß Art. 34 Abs. 1 DSA zukommen, welche mit Hinsicht auf die angedrohten 6%-Jahresumsatzgeldbuße, unbedingt durchzuführen sein werden.
Mehr Transparenz durch TTVO?
Die Verordnung über Transparenz und Targeting politischer Werbung (TTVO) regelt die Offenlegung und Regulierung von politischer Werbung, um deren Transparenz und Fairness zu gewährleisten. Sie verpflichtet Werbetreibende, klare Informationen über den Absender der Werbung, die Finanzierungsquelle und die Zielgruppe offenzulegen. Die Verordnung tritt im Oktober 2025 in Kraft.
Die TTVO erlegt dem politischen Microtargeting weitere Verpflichtungen auf. So verlangt Art. 18 TTVO, dass Verantwortliche nur aufgrund einer ausdrücklichen Einwilligung Targeting- und Anzeigenschaltungsverfahren durchführen dürfen. Zudem dürfen die personenbezogenen Daten nur noch von dem Betroffenen selbst erhoben werden. Eine mittelbare Beschaffung von Daten ist damit ausgeschlossen. Außerdem ist die TTVO im Bezug auf Profiling (i.S.d. Art. 4 Nr. 4 DSGVO) noch restriktiver als der DSA und verbietet dieses grundsätzlich.
Hinzu kommen Transparenz- und Sorgfaltsverpflichtungen gemäß Art. 6 ff. TTVO, die neben den Transparenzpflichten der DSGVO stehen. Ferner verlangt auch das TTVO eine jährliche Risikobewertung, in der Grundrechte und Grundfreiheiten der Betroffenen eingehend geprüft werden sollen.
Regulierung mit Erfolg?
Das Regelkorsett für das politische Microtargeting wird für Anbieter enger. Nicht nur der hohe Strafrahmen der neuen Gesetze hat für Anbieter nun eine abschreckende Wirkung, auch werden Nutzer ein neues Bewusstsein für Manipulationen auf Social Media Plattformen haben. Dies kann zur Folge haben, dass Nutzer den Online-Plattformen keine Einwilligung zur Verarbeitung ihrer Daten erteilen, um sich vor unterbewusster Einflussnahme zu schützen. Diese Entwicklung zeigt mithin erste „Erfolge“: Alle Plattformen des Konzerns Meta wollen künftig von Empfehlungsalgorithmen Abstand nehmen und auch die chinesische App Tiktok kündigte an „politische Inhalte eindämmen“ zu wollen.
Ausblick auf die anstehenden Wahlen
Mit den anstehenden Wahlen in den USA und Deutschland wird politisches Mikrotargeting eine zentrale Rolle spielen. In den USA sind politische Kampagnen bekannt dafür, modernste Datenanalyse-Techniken einzusetzen, um Wähler gezielt anzusprechen. Insbesonders Präsidentschaftskandidat Donald Trump, der politisches Microtargeting bereits zuvor eingesetzt hat, wird auch dieses Mal nicht davor zurückschrecken und versuchen Wähler auf Social Media Plattformen für sich zu gewinnen.
In Deutschland, wo der Datenschutz traditionell strenger ist, wird das Mikrotargeting aufgrund von zahlreichen Berichten und den Beschwerden von noyb voraussichtlich mit mehr Vorsicht angewendet werden. Unklar ist, ob die TTVO pünktlich zum Wahlkampf in Deutschland bereits in Kraft sein wird. Der Einsatz von Mikrotargeting ist jedoch ohnehin sehr wahrscheinlich und wird insbesondere darauf abzielen, jüngere Wähler zu mobilisieren.