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Automatisierter Abfallgebührenbescheid: Ein DSGVO-Verstoß?

Automatisierter Abfallgebührenbescheid: Ein DSGVO-Verstoß?

Man kann es ja mal versuchen: Ein Bremer ging wegen eines vollständig automatisiert erstellten Abfallgebührenbescheides bis vor das VG Bremen. Er hielt den Bescheid für rechtswidrig, da damit aus seiner Sicht gegen Art. 22 DSGVO verstoßen worden sei. Das VG Bremen erteilte der Klage zwar im Ergebnis eine Absage, zeigte aber der Behörde auf, dass der Ausgangsbescheid tatsächlich gegen Art. 22 DSGVO verstoßen habe. Hierzu ein Überblick.

Der Sachverhalt in Kürze

Ein Bremer erhielt einen Bescheid der Behörde „Die Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau“, in dem diese ihm gegenüber automatisiert Abfallgebühren festsetzte. Daraufhin erhob er u. a. mit der Begründung Widerspruch, dass der Abfallgebührenbescheid entgegen Art. 22 DSGVO automatisiert erlassen worden und daher nichtig sei. Nach umfassender Überprüfung dieses Widerspruchs durch einen – nun menschlichen – Sachbearbeiter wies die Behörde diesen mit einem Widerspruchsbescheid als unbegründet zurück und erlegte ihm darin auch die Kosten für den Erlass des Widerspruchsbescheides auf. Daraufhin erhob der Bremer Klage vor dem VG Bremen.

Worum geht es in Art. 22 DSGVO?

Art. 22 Abs.1 DSGVO besagt, dass eine betroffene Person grundsätzlich das Recht hat, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt.
Kurz gesagt: Computer oder automatisierte Systeme sollten keine wichtigen Entscheidungen über Menschen fällen dürfen – vor allem dann nicht, wenn diese Entscheidungen rechtliche Folgen haben oder das Leben der betroffenen Person stark beeinflussen.

Für den vorliegenden Fall trug der Bremer Kläger also u. a. vor, dass durch die vollständig automatisierte Festlegung der Abfallgebühren unter Verarbeitung seiner persönlichen Meldedaten und der seiner Familie im Rahmen des Ausgangs-Abfallgebührenbescheides eine direkte rechtliche Wirkung auf ihn persönlich entstanden sei.

Das klingt passend. Wäre eine solche Entscheidung aber nun generell unzulässig?

Kurz gesagt: Nein. Denn es können z. B. die in Art. 22 Abs. 2 DSGVO genannten Ausnahmen greifen, z. B.:

„Absatz 1 gilt nicht, wenn die Entscheidung

  1. für den Abschluss oder die Erfüllung eines Vertrags zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen erforderlich ist,
  2. aufgrund von Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, denen der Verantwortliche unterliegt, zulässig ist und diese Rechtsvorschriften angemessene Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen der betroffenen Person enthalten oder
  3. mit ausdrücklicher Einwilligung der betroffenen Person erfolgt.“

Von diesen Ausnahmen bestehen aber wiederum Ausnahmen, die in Art. 22 Abs. 4 DSGVO genannt sind.

Wie sah es aber nun in diesem Fall aus? Lag eine solche Verarbeitung vor? Falls ja, griff eine Ausnahme zu Gunsten der Behörde?

Das Urteil

Das VG Bremen ging zunächst davon aus, dass es sich bei dem Ausgangs-Abfallgebührenbescheid um eine ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhenden Entscheidung im Sinne des Art. 22 Abs. 1 DSGVO handele, und, dass keine der Ausnahmen in Art. 22 Abs. 2 DSGVO greifen würde. Denn in Bremen gab es im Vergleich zu anderen Städten/Bundesländern beispielsweise noch keine Rechtsvorschrift im Sinne des Art. 22 Abs. 2 DSGVO, nach der eine solche Verarbeitung zulässig gewesen wäre.

Ein Sieg für den Bremer Kläger?

Nein. Denn dadurch, dass ein Sachbearbeiter der Behörde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eine umfassende Überprüfung des Ausgangsbescheides durchgeführt hatte und anknüpfend ein Widerspruchsbescheid erlassen wurde, sei letztlich doch noch eine (menschliche) Einzelfallentscheidung über die Beitragsfestsetzungen gefertigt und getroffen worden. Da das Ausgangsverfahren mit dem Widerspruchsverfahren eine Einheit bilde und erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen sei, hätte ab dann keine vollständig automatisierte Verarbeitung im Sinne des Art. 22 Abs. 1 DSGVO mehr vorgelegen. Der Mangel in Form der ursprünglich vollständigen Automatisierung sei somit geheilt worden.

Dementsprechend urteilte das VG Bremen am 14.07.2025 (Az.: 2 K 763/23), dass der angefochtene Abfallgebührenbescheid nur hinsichtlich der Gebühren für den Erlass des Widerspruchsbescheids aufgehoben wird und die Behörde auch nur die auf diese Gebühren entfallenden Kosten des Klageverfahrens zu tragen habe.

Erst Art. 22 prüfen, dann automatisierte Entscheidung fällen

Wenn Behörden oder auch Unternehmen vollständig automatisierte Entscheidungen treffen wollen, sollten sie sich zuvor insbesondere mit den Bestimmungen des Art. 22 DSGVO näher auseinandergesetzt haben.

Von den sich ggfs. aus der KI-Verordnung ergebenden Pflichten und Verboten oder ggfs. aus Art. 13 Abs. 2 lit. f DSGVO resultierenden Informationspflichten sei an dieser Stelle einmal abgesehen.

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