Mit Art. 20 DSGVO hat das Recht auf Datenübertragbarkeit als Betroffenenrecht Einzug in den deutschen Datenschutz gefunden. Oft wird dieses Recht nur im Zusammenhang mit Online-Dienstleistungen gesehen, wie z.B. beim Wechsel eines Kunden zu einer anderen Social Media Plattform oder einem Musikportal. Der Artikel versucht zu klären, ob dieses Recht auch im Beschäftigungsverhältnis geltend gemacht werden kann.
Der Inhalt im Überblick
Umfang des Anwendungsbereichs
Bei Art. 20 DSGVO stellt sich zunächst die Frage, ob dieser auf den Bereich der Beschäftigungsverhältnisse überhaupt anwendbar ist? Wie schon erwähnt, liegt der ursprüngliche gewollte Anwendungsbereich der Norm bei Online-Dienstleistungen, die sich an Verbraucher richten. Hierunter fallen z.B. soziale Netzwerke, Filmportale, E-Mail-Provider oder Cloud-Anbieter. Der Wortlaut der DSGVO beschränkt den Anwendungsbereich des Art. 20 DSGVO jedoch nicht, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Recht auf Datenübertragbarkeit nicht auch auf das Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Verhältnis angewendet werden kann.
§ 26 BDSG als Hindernis für die Anwendung
Die Anwendung des Art. 20 DSGVO auf Beschäftigungsverhältnisse könnte durch die speziellere Norm des § 26 BDSG verhindert werden. Nach Art. 88 DSGVO können spezialgesetzliche Normen für den Bereich Arbeitsverhältnisse erlassen werden, die dann vorrangig zur DSGVO anzuwenden sind. Hiervon wurde durch § 26 BDSG Gebrauch gemacht. Der § 26 BDSG beinhaltet aber keine Regelung über das Rechts auf Datenübertragbarkeit, die gegenüber Art. 20 DSGVO vorrangig anzuwenden wäre. Somit modifiziert der § 26 BDSG das Recht auf Datenübertragbarkeit nicht und schließt es für Beschäftigungsverhältnisse auch nicht aus.
Einwilligung oder Vertrag
Erste Voraussetzung für die Anwendung des Art. 20 DSGVO ist, dass der Betroffene seine Daten aufgrund einer Einwilligung oder eines Vertrags an den Verantwortlichen übermittelt hat. In Arbeitsverhältnissen werden hohe Anforderungen an die Einwilligung eines Arbeitnehmers gestellt. Freiwilligkeit wird dann angenommen, wenn der Arbeitgeber durch die Einwilligung einen wirtschaftlichen oder rechtlichen Vorteil erlangt. Hierdurch wird der Anwendungsbereich der Einwilligung in Beschäftigungsverhältnissen erheblich eingeschränkt. Als Alternative, um das erste Tatbestandsmerkmal des Art. 20 DSGVO zu erfüllen, kann aber auf den Arbeitsvertrag verwiesen werden. Da zur Begründung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich immer ein Vertrag geschlossen wird, durch den dem Arbeitgeber personenbezogene Daten des Arbeitnehmers zugehen, wird hierdurch die erste Anforderung des Art. 20 DSGVO erfüllt. Das Recht auf Datenübertragbarkeit greift nicht, wenn die Datenverarbeitung auf Art. 6 Abs. 1, lit. f) DSGVO oder einer Betriebsvereinbarung basiert.
Bereitgestellte Daten
Der Begriff des Bereitstellens ist in der DSGVO nicht definiert. Er ist nach Auffassung der Artikel-29-Datenschutzgruppe wegen der politischen Ziele des Rechts auf Datenübertragbarkeit grundsätzlich weit auszulegen. Hierunter fallen zumindest alle wissentlich und aktiv zur Verfügung gestellten Daten. Im Bereich der Beschäftigungsverhältnisse gehören hierzu z.B. Unterlagen die sich in der Bewerbungsmappe finden, Stammdaten die der Arbeitnehmer zur Verfügung stellt oder Daten die ein Arbeitnehmer in einem Intranet zur Verfügung stellt.
Ausnahmen des Art. 20 Abs. 4 DSGVO
Nach Absatz vier darf das Recht auf Datenübertragbarkeit die Recht und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen. Ein Vergleich mit den anderen sprachlichen Fassungen der DSGVO legt jedoch offen, dass es sich bei dem Verweis um einen redaktionellen Fehler handelt. Andere Personen sind nicht nur Dritte, sondern auch der Verantwortliche selbst. Daher sind durch die Norm auch Rechte und Freiheiten des Arbeitgebers umfasst. Unter den Begriff „Rechte und Freiheiten“ fallen alle vom europäischen Primärrecht geschützten Individualinteressen. Ein solches geschütztes Primärrecht eines Arbeitgebers kann gefährdet sein, wenn durch die Erfüllung eines Anspruchs auf Datenübertragbarkeit gleichzeitig Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers verletzt werden.
Auswirkungen für die Praxis
Nach Auslegung des Art. 20 DSGVO kann das Beschäftigungsverhältnis vom Recht auf Datenübertragbarkeit nicht ausgeklammert werden. Was allerdings aus juristischer Sicht vertretbar erscheint, kann zu erheblichen Problemen in Unternehmen führen, da bei zahlreichen Prozessen in Unternehmen Daten des Arbeitsnehmers, zur Durchführung des Arbeitsvertrags, an den Arbeitgeber fließen. Hierbei kann es zu ausufernden Ergebnissen kommen, wenn z.B. auch die erfassten personenbezogenen Daten eines Mitarbeiters für ein Protokoll zur Dokumentation einer Projektsitzung auf einmal unter das Recht auf Datenübertragbarkeit fallen. Im Zweifel müssen sich Arbeitgeber hier auf Abs. 4 berufen.
Was soll das bringen? Meine alte Personalakte in elektronischer Form mit zu meinem neuen Arbeitgeber mitnehmen? Mit allen Krankmeldungen, Abmahnungen und was man sonst noch lieber verschweigt. Das dient lediglich dazu, meinen alten Arbeitgeber zu ärgern. Hier könnte und sollte der Gesetzgeber nachjustieren und konkrete Fälle für die Datenübertragbarkeit festlegen. Sonst werden/müssen Systeme erstellt und programmiert werden für Fälle, die niemals eintreten werden. Vorhalten muss ich es trotzdem.