Der Europäische Gerichsthof (EuGH) hat heute in der Frage entschieden, ob Herr Maximilian Schrems seine in Österreich gegen Facebook gerichtete Klage weiterführen darf. In dem Urteil wurde auch entschieden, inwieweit ein Verbraucher gleich gelagerte Ansprüche anderer Verbraucher aus abgetretenem Recht an seinem Verbrauchergerichtsstand geltend machen kann – kurz gesagt: Kann sich Herr Schrems Ansprüche anderer Facebook-Nutzer abtreten lassen, um diese in Wien gerichtlich durchzusetzen?
Der Inhalt im Überblick
Zum Hintergrund
Herr Maximilian Schrems, der mit seinem Vorgehen gegen Facebook im Jahre 2015 bereits das Safe-Harbor-Abkommen zu Fall brachte, reichte vor einiger Zeit vor dem Landgericht Wien eine weitere Klage gegen Facebook ein. Zusammengefasst macht er in dem Verfahren geltend, dass Facebook seine Rechte auf Achtung der Privatsphäre und auf Datenschutz verletzt habe. Darüber hinaus macht Herr Schrems die Verletzung der genannten Rechte auch für sieben weitere Facebook-Nutzer geltend, die ihm ihre Ansprüche aus der Verletzung dieser Rechte abgetreten haben. Die weiteren Facebook-Nutzer haben ihren Wohnsitz in Österreich, in anderen Mitgliedstaaten der EU oder in Drittstaaten.
Das Verfahren in Österreich
Mit seiner Entscheidung vom 30.06.2015 wies das Landgericht Wien die Klage zunächst ab. In der Begründung des Gerichts hieß es, dass Herr Schrems, der im Zusammenhang mit seinem rechtlichen Vorgehen gegen Facebook u.a. bereits mehrere Bücher veröffentlichte und – teilweise entgeltlich – Vorträge zu dem Thema hielt, in der Sache nicht mehr als Verbraucher anzusehen und eine Klage in Österreich daher nicht zulässig sei. Davon abgesehen ermögliche der besondere Gerichtsstand in Verbraucherangelegenheiten auch nicht, dass ein Verbraucher abgetretene Ansprüche anderer Verbraucher an seinem Wohnsitz geltend mache.
Im Zentrum der Entscheidung standen demnach die §§ 15 und 16 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) in der Fassung vom 1. März 2002. Nach § 16 Abs. 1 der besagten Verordnung kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.
Das Oberlandesgericht Wien änderte die Entscheidung des Landgerichts in der nächsten Instanz teilweise ab. Es bejahte die Verbrauchereigenschaft von Herrn Schrems und somit die teilweise Zulässigkeit der Klage hinsichtlich der den Kläger persönlich betreffenden Ansprüche.
Sowohl Herr Schrems als auch Facebook gingen gegen die Entscheidung des Wiener Oberlandesgerichts vor und brachten das Verfahren vor den Obersten Gerichtshof Österreichs.
Die Rolle des Europäischen Gerichtshofs
Der Oberste Gerichtshof Österreichs hat das innerstaatliche Verfahren mit Beschluss vom 20.07.2016 zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Vor der eigentlich interessanten Frage, inwieweit Facebook die Rechte von Herrn Schrems und weiterer Nutzer verletzt, waren durch den EuGH demnach zwei wesentliche Fragen zu klären:
- Verliert ein Verbraucher seine Verbrauchereigenschaft, wenn ein zunächst privat genutzter Facebook-Account zunehmend auch für geschäftliche Zwecke genutzt wird?
- Kann ein Verbraucher, der an seinem Wohnsitz eigene Ansprüche aus einem Verbrauchergeschäft geltend macht, auch gleich gerichtete Ansprüche anderer Verbraucher mit Wohnsitz im gleichen Mitgliedsstaat, in einem anderen Mitgliedsstaat oder in einem Drittland geltend machen, wenn ihm diese Ansprüche zuvor abgetreten wurden und die Abtretung für den klagenden Verbraucher keine gewerbliche Tätigkeit darstellt?
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Mit seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof, dass der Nutzer eines privaten Facebook-Kontos die Verbrauchereigenschaft nicht verliert, wenn er Bücher publiziert, Vorträge hält, Websites betreibt, Spenden sammelt und sich die Ansprüche zahlreicher Verbraucher abtreten lässt, um sie gerichtlich geltend zu machen. Seine eigenen Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis mit Facebook kann Herr Schrems demnach in Österreich (an seinem Wohnsitz) geltend machen.
Dagegen kann der Verbrauchergerichtsstand nicht für die Klage eines Verbrauchers in Anspruch genommen werden, mit der er am Klägergerichtsstand nicht nur seine eigenen Ansprüche geltend macht, sondern auch Ansprüche, die von anderen Verbrauchern mit Wohnsitz im gleichen Mitgliedstaat, in anderen Mitgliedstaaten oder in Drittstaaten abgetreten wurden. Ansprüche anderer Facebook-Nutzer kann Herr Schrems somit nicht an seinem Verbrauchergerichtsstand geltend machen.
Zurück nach Österreich
Mit seiner Entscheidung ist der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.11.2017 gefolgt. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist an der Entscheidung erfreulich, dass das Verfahren in Österreich weitergehen wird und wir eine Entscheidung darüber erwarten dürfen, inwieweit Facebook das Recht auf Achtung der Privatsphäre von Herrn Schrems verletzt.
Es wäre sicherlich spannend zu sehen und von ungleich höherer Signalwirkung, wenn in einem Verfahren gegen Facebook die Ansprüche von bis zu 25.000 Nutzern – wie im Ausgangsverfahren zunächst angekündigt – verhandelt werden würden. Die Entscheidung des EuGH, dass ein Verbraucher Ansprüche aus abgetretenem Recht nicht an seinem Verbrauchergerichtsstand geltend machen kann, kommt jedoch nicht überraschend. Wie erwähnt gingen die Empfehlungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts bereits in die gleiche Richtung.