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Ist die persönliche Bewertung von Mitarbeitern in Rezensionen zulässig?

Ist die persönliche Bewertung von Mitarbeitern in Rezensionen zulässig?

Rezensionen und Bewertungen im Internet sind ein Mienenfeld. Ob und wann eine Rezension gelöscht werden muss und wie sich die Meinungsfreiheit im Verhältnis zu den Rechten des Bewerteten verhalten, ist oft unklar. Jedoch gibt ein kürzlich ergangenes Urteil erneut Anhaltspunkte, in welchen Fällen die Meinungsäußerung im Verhältnis zum Datenschutz Bestand haben kann.

Der Löschanspruch

In einem Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Essen (LG Essen, Az.: 4 O 9/20) begehrte eine Bäckereiangestellte gegenüber einer Suchmaschinenbetreiberin Löschung ihres Namens aus einer Rezension über das Café, in dem sie arbeitete.

Diese lautete:

„Ich bin hier immer zum Frühstücken und sonst auch immer zufrieden und finde das Team sehr nett aber wurde heute so unfreundlich „bedient von Frau (S…      ?)! Nicht schön in einer Bäckerei zu arbeiten aber Menschen derart unfreundlich zu behandeln.“

Ein Anspruch auf Löschung könnte sich aus Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO ergeben. Dafür müssen die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet worden sein.

Muss immer gelöscht werden?

Gelöscht werden muss jedoch nur, wenn unrechtmäßig verarbeitet wurde und die Ausnahmen des Art. 17 DSGVO nicht erfüllt sind. Hiernach muss unter anderem nicht gelöscht werden, wenn die personenbezogenen Daten „zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information“ verarbeitet werden. Diese Ausnahme hat den Zweck zu verhindern, dass die freie Meinungsäußerung auch in Form einer Rezension unter Berufung auf den Datenschutz ausgehebelt wird.

Ob dies der Fall ist, bemisst sich anhand einer Abwägung aller im Einzelfall betroffenen Interessen. Sollte das Recht der bewerteten Person überwiegen, ist die Rezension zur Ausübung der Meinungsäußerung und Information nicht erforderlich. Folglich bestünde ein Löschungsanspruch.

Anhaltspunkte für die Abwägung

Um einen gerechten Ausgleich durch die Abwägung zu erlangen, sollten laut Gericht die Grundsätze angewendet werden, die der BGH zu Unterlassungsansprüchen bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen gegen Suchmaschinenbetreiber aufgestellt hat. Daraus folgend müssen Suchmaschinenbetreiber Rechtsverletzungen nur löschen, wenn sie vom Betroffenen auf die mögliche Verletzung hingewiesen wurden. Dabei ist der Hinweis so konkret zu fassen ist, dass ein Rechtsverstoß aufgrund der Behauptung des jeweils Betroffenen unschwer zu erkennen ist. Beispiele für einen offensichtlichen Rechtsverstoß sind unter anderem:

  • Aufrufe zu Gewalt gegen Personen.
  • Offensichtliche Personenverwechslungen.
  • Vorliegen von rechtskräftigen Titeln gegen den unmittelbaren Störer.
  • Erledigung jeglichen Informationsinteresses durch Zeitablauf.
  • Hassreden oder eindeutige Schmähkritik.

Diese Grundsätze gelten ebenso hinsichtlich der Abwägung der gegenüberstehenden Interessen nach Art.17 Abs. 3 DSGVO, da der Suchmaschinenbetreiber wie bei Unterlassungsansprüchen regelmäßig nicht selbst die Inhalte einstellt und sämtliche Rezensionen prüfen kann. Es bedarf also auch in diesem Fall eines hinreichend konkreten Hinweises an den Suchmaschinenbetreiber. Dabei muss eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung aufgezeigt werden.

Einzelne Mitarbeiter bewerten. Das geht?

Die Abwägung des Landgerichts Essen fiel zugunsten der Suchmaschinenbetreiberin aus. Eine offensichtliche Rechtsverletzung sei in der Rezension nicht erkennbar.

Das Gericht betonte, dass eine solch negative Bewertung keine Schmähkritik sei. Eine Bewertung der Kundenfreundlichkeit von Angestellten als „unfreundlich“ oder „derart unfreundlich“ enthalte Elemente der Stellungnahme, des Meinens und des Empfindens. Dies entspräche dem üblichen Sprachgebrauch zur Bewertung eines menschlichen Verhaltens, so dass die Rezension von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Daran ändere auch die Namensangabe der Angestellten in der Bewertung nichts. Solange sich eine Bewertung nur auf den beruflichen Wirkungskreis bezieht, ist das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung nicht in einem erheblichen Umfang beeinträchtigt. In dem entschiedenen Fall sei die Namensnennung auch noch dadurch abgeschwächt worden, dass die Namensangabe in Klammern gesetzt und ein Fragezeichen hinter den Namen gesetzt worden sei. Ein durchschnittlicher Leser bekäme hierdurch den Eindruck, dass nicht sicher ist, ob es sich um die bewertete Einzelperson handele.

Außerdem sei eine Identifikation der bewerteten Person maßgeblich auf die Kollegen des Cafés beschränkt. Nur diese würden genau wissen, wer die benannte Person ist. Außerhalb des Cafés sei die Identifikation erschwert, da nur der Nachname genannt worden ist.

Ein Fragezeichen muss ausreichen (?) – darauf kommt es an!

Zwar bewertet das Landgericht Essen vorliegend nur die „offensichtliche Rechtswidrigkeit“ des Kommentars bzw. der Namensnennung, dennoch steht die Begründung auf wackeligen Beinen. Insbesondere die Einschätzung, dass eine in Klammern gesetzte Namensnennung mit Fragezeichen hinter den Namen die Aussage relativiere, geht fehl. Ein durchschnittlicher Leser der Bewertung wird im schlimmsten Fall das auf den Namen bezogene Fragezeichen überlesen und sich eine Meinung zu der Angestellten bilden. Dies selbst oder gerade dann, wenn es sich um die falsche Person handeln würde.

Außerdem bleibt dabei völlig unberücksichtigt, dass bei der Bewertung einzelner Angestellter auf einem Bewertungsportal ein weitaus intensiverer Eingriff stattfindet, als wenn lediglich ein Unternehmen bewertet würde. Im Gegensatz zum Unternehmen setzt sich ein Mitarbeiter nicht freiwillig Bewertungen von außen aus. Dies gerade unter dem Gesichtspunkt, dass ein Unternehmen von positiven Bewertungen deutlich mehr profitieren kann und wird, als ein durchschnittlicher Mitarbeiter. So haben positive Bewertungen für Unternehmen regelmäßig Werbeeffekte. Negative Bewertungen hingegen fallen für den einzelnen Mitarbeiter deutlich mehr ins Gewicht. So ist die Bewertung auf seine persönliche Tätigkeit zurückzuführen und eben nicht auf ein unternehmerisches Gesamtkonstrukt. Anders als das Landgericht behauptet, können nicht nur Kollegen bei ausschließlicher Nennung des Nachnamens Rückschlüsse auf die jeweilige Person ziehen, sondern auch Freunde, Familie, Bekannte und Verwandte.

Insofern überwiegt meines Erachtens im vorliegenden Fall gerade nicht das Recht auf freie Meinungsäußerung. Vielmehr ist nach Abwägung sämtlicher Aspekte unschwer erkennbar, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in einem erheblichen Umfang beeinträchtigt wurde, so dass ein Löschanspruch hätte bestehen müssen.

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  • Ihre Kritiken waren auch schon mal fachlich fundierter und tiefer. Das Urteil steht in einer Linie mit der jahrelangen Rechtsprechung zu Bewertungsportalen. Das findet leider keine Erwähnung.

    Aber vergessen wir mal die juristische Einordnung. Vielleicht interpretiere ich zu viel in den letzten Absatz. Aber welche verzerrte Vorstellung von einer demokratischen Gesellschaft liegt der Auffassung zu Grunde, die Personen ein überwiegendes Interesse zuspricht, bei ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in der Öffentlichkeit vor den Reaktionen ihrer Mitmenschen (deren öffentlichen Meinungsäußerungen/Bewertungen) geschützt zu werden.

    Stattdessen hätte ich mir mehr zu der ungeklärten Verwechslungsproblematik gewünscht, die der Autor kurz anspricht. Zumal weiter oben offensichtliche Personenverwechslungen noch als Anhaltspunkt für kein überwiegend schützenswertes Interesse der Meinungsfreiheit deklariert wird.

  • Hier unterscheiden sich Medienrechtler von Datenschützern: Natürlich ist Verhalten in Öffentlichkeit auch öffentlich bewertbar. Wäre das der Presse vorbehalten und ginge die DSGVO Art. 5 GG vor, bekämen wir ein echtes gesellschaftliches Problem! Über Grenzen kann man diskutieren, nicht aber über den Maßstab.

  • Die Namensnennung in den Bewertungen und Rezensionen ist ja mittlerweile fast ein Klassiker. Tatsächlich nicht einfach zu beurteilen. Es hängt vom Einzelfall ab, wie es so schön heisst. Trug die Dame ein Namensschild? Wie hat sie sich in der konkreten Situation verhalten? Können wir von einer Bloßstellung sprechen? Wir bewegen uns hier in der sog. Sozialsphäre. Dem Persönlichkeitsschutz wird daher nur dann Vorrang einzuräumen sein, wenn die Darstellung eine Bloßstellung bewirkt hätte, ohne dass es auf den Namen der Dame ankäme. Hierüber lässt sich trefflich streiten. Gut zu wissen: Die meisten Portale untersagen die Namensnennung in ihren Nutzungsbedingungen. Danke für den Beitrag.

  • Ich finde es gut, wenn Portale die Namensnennung verbieten; ich denke, sie wissen, warum sie das tun. Ich kann den Ausführungen im Beitrag nur zustimmen. Eine Person ist anders zu betrachten als ein Unternehmen. Die Argumentation des Gerichtes in seiner Urteilsbegründung halte ich für naiv – und realitätsfern. Es ignoriert mögliche Folgen, auch wenn der verhandelte Fall für Außenstehende relativ harmlos erscheint. Gerichte, Richter*innen haben so ihre eigene Betrachtung, wenn es um Persönlichkeitsrechte geht. Das mag daran liegen, dass noch nicht genügend Praxis und damit Erfahrung im Umgang mit der Verletzung personenbezogener Daten existiert. Neue Gesetztestexte sind noch mit Leben zu füllen und dabei scheint man sich an Zeiten vor dem Internet zu orientieren. Mein Eindruck ist, dass deutsche Gerichte sich sehr schwer damit tun, einer betroffenen Person das Recht einzuräumen, sich zu wehren; sei es, dass die DSGVO zum Zuge käme oder andere Gesetze.
    Ich hinterfrage die Aussage in einem Kommentar, dass eine Verkäuferin – oder ein Kellner, oder irgendjemand, wer im Rahmen der eigenen Berufsausübung Kontakt zu anderen Menschen hat, dass dieser Kontakt als Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in der Öffentlichkeit zu betrachten ist. Ich halte dagegen. Die Aussage zu einer verzerrten Vorstellung von einer demokratischen Gesellschaft stufe ich als mutig ein.

  • Genau eine Person ist anders zu beurteilen als ein Unternehmen und wenn der/die Bewerter/in mit dem Unternehmen sonst zufrieden ist, muss er/sie, seine/ihre Bewertung auf eine Perosn beziehen und das macht sie korrekt wenn sie zwar ihre kritik peronalisiert aber nicht den Namen der Person nennt – meiner Ansicht nach muss hier also nur darüber disskutiert werden, ob hier eine ausreichende Anonymisierung staftgefunden hat.

  • Das OLG Hamm (Urteil vom 29.06.2021, Az. I-4 U 189/20) hat sich dem LG Essen angeschlossen. Die Begründung dieser Entscheidung ist im Kern gestützt auf Art. 17 Abs. 3a) DSGVO. Werden schwerere Vorwürfe als ein „unfreundlich“ gegen den Mitarbeiter erhoben, dürften dessen Persönlichkeitsrechte eventuell berührt sein. Einmal im Jahr unfreundlich – ein Leben lang am Pranger namentlich? Das wäre höchst fraglich.

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