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noyb gegen Meta: Wie okay ist „pay or okay“?

noyb gegen Meta: Wie okay ist „pay or okay“?

noyb, das Europäische Zentrum für digitale Rechte, hat nun am 28.11.2023 wie erwartet Beschwerde bei der österreichischen Datenschutzaufsicht gegen Metas Abo-Modell eingereicht und die Frage stellt sich: Besteht ein Grundrecht auf kostenlose Nutzung von Onlinediensten und wenn nein, wie hoch darf die Gebühr sein?

Facebook / Instagram – Pay or okay

Seit Anfang November haben die Nutzer der Meta-Dienste die Qual der Wahl: will man für die werbefreie Nutzung 12,99 EUR/Monat zahlen oder soll man personalisierte Werbung akzeptieren?

An dieser Praxis des „Pay or okay“ stört sich noyb – der Verein um Gründer Max Schrems, der sich dem Datenschutz verschrieben hat und wegweisenden Verfahren u.a. gegen Facebook (Schrems I und II) erwirkt hat, die letztlich ganze EU-Regularien zum Einsturz gebracht haben.

Im Kern wendet noyb ein, von „freier Entscheidung“ könne hier keine Rede sein: Denn kein Nutzer wolle ja wirklich getrackt werden. Wer dennoch in das Tracking zustimmt, tue dies nur, um der Gebühr zu entgehen, die mit 12,99 EUR unverhältnismäßig hoch sei. Letztlich führe das zu einer „Datenschutzsteuer“, man müsse sich sein Recht auf Datenschutz erkaufen, was sich letztlich nur Wohlhabende leisten könne. Würden alle anderen Onlinedienste das gleiche tun, käme eine

„Familie auf 35.263,20 EUR / Jahr nur um die Mobiltelefone der Familie von der Datenverarbeitung für personalisierte Werbung freizuhalten“.

Marktmissbrauch von Meta

Kann noyb damit Recht haben? Warum sollte Meta nicht Geld verlangen können, schließlich ist es ein kommerzielles Unternehmen und nicht zuletzt noyb hat ja zu verantworten, dass das kostenlose, trackingfinanzierte Geschäftsmodell einer Änderung bedarf? Und schließlich ist das Bezahlen mit Daten nicht nur in Deutschland (§§312ff, 327 BGB), sondern in der ganzen EU aufgrund der dID-Richtlinie ein anerkanntes Instrument – und es steht jedem Bürger grundsätzlich frei, über seine Daten zu verfügen (und auch unsinnige Entscheidungen zu treffen).

Generell wird als Argument gegen das „Bezahlen mit Daten“ bei Onlinediensten vorgebracht, jedenfalls dann könne eine Einwilligung nicht freiwillig abgegeben werden, wenn eine „Machtasymmetrie“ gegeben sei.

Zwar gibt es viele verschiedene Onlinedienste mit unterschiedlichen Funktionen. Diese Dienste haben aber oft eine Alleinstellung in ihrer jeweilen Nische, sprechen eine spezielle Zielgruppe an und kanalisieren Nutzergruppen in großer Zahl. Die Dienste seien daher untereinander nicht austauschbar und der Nutzer, der eine bestimmte Funktion nutzen wolle, sei quasi gezwungen den Dienst zu nutzen und habe keine andere Möglichkeit, als seine Daten preiszugeben (oder eben ein Abo abzuschließen).

Auswirkung auf sämtliche Abo-Modelle

Andererseits gilt, dass Dienste wie Facebook letztlich kommerzielle Unternehmen sind. Wenn ihnen aufgrund Datenschutzbedenken ein Werbetracking nicht mehr möglich ist, müssen sie auf anderem Wege Umsätze generieren.

Der Nutzer kann nicht ernsthaft erwarten, dass die Nutzung kostenlos ist. Insofern soll nach der gesetzlichen Konstruktion der mündige Nutzer ja auch entscheiden können, ob er mit Geld oder seinen Daten zahlt.

Zudem ist Facebook nicht allein. Eine Entscheidung hier hätte natürlich Auswirkung auf sämtliche Abo-Modelle und auch im Verlagsgeschäft.

Angemessene Gebühren sind okay

In dieser Richtung hat ja auch der EuGH in seiner Entscheidung Meta vs. Bundeskartellamt vom 04.07.2023 ausgeführt, dass selbst bei einem marktbeherrschenden Dienst wie Facebook nicht per se eine Einwilligung ausgeschlossen ist.

Letztlich hat der EuGH hier den Weg vorgegeben für Bezahlmodelle im Sinne „Pay or Okay“, bei denen die Betreiber angemessene Gebühren verlangen können.

„Daher müssen diese Nutzer die Freiheit haben, im Zuge des Vertragsabschlusses die Einwilligung in bestimmte Datenverarbeitungsvorgänge, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind, einzeln zu verweigern, ohne dazu gezwungen zu sein, auf die Nutzung des vom Betreiber des sozialen Online-Netzwerks angebotenen Dienstes vollständig zu verzichten, was bedingt, dass ihnen, gegebenenfalls gegen ein angemessenes Entgelt, eine gleichwertige Alternative angeboten wird, die nicht mit solchen Datenverarbeitungsvorgängen einhergeht.“ EuGH aaO Rdnr. 251

Aber was ist angemessen… und wer legt das fest?

Während also klar scheint, dass werbegetriebene Onlinedienste Gebühren für werbefreie Angebote nehmen können und niemand ernsthaft von Facebook, Instagram oder einem anderen Dienst erwarten kann, den Dienst tracking- (und werbefrei) und kostenlos anzubieten, stellt sich die Frage, was angemessen ist, wie das berechnet wird und wer das zu entscheiden hat.

Die Beschwerde von noyb richtet sich gegen die Wirksamkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung und wurde vor der österreichischen Aufsichtsbehörde erhoben. noyb selbst führt einige Berechnungsbeispiele an. Es darf aber bezweifelt werden, dass Aufsichtsbehörden im Datenschutz, selbst die für Facebook / Meta zuständige in Irland, die ökonomischen Kenntnisse und/oder die rechtlichen Befugnisse haben, um wirklich eine solche Prüfung vorzunehmen.

Soll letztlich eine datenschutzrechtliche Aufsicht einem Medienunternehmen vorschreiben, was wirtschaftlich ist und angemessen? Nach welchen Kriterien soll dies geschehen? Was fließt in die Berechnungsgrundlage ein, die eigenen Umsätze, die der Wettbewerber?

Die hier angerufene Aufsicht in Österreich hatte übrigens 2018 übrigens entschieden, dass eine trackingfreie Abo-Alternative einer einzigen lokalen Zeitung von 6 EUR/Monat in Ordnung ist. Ist der insoweit viel weitreichendere Online-Dienst Facebook mit 12,99 EUR hier unangemessen teuer?

noyb-Beschwerde soll diese Frage beantworten

Während klar scheint, dass das „Bezahlen mit Daten“ zulässig sein muss, sind viele Details also letztlich vollkommen offen.

Die Beschwerde von noyb nun eine Fortsetzung eben jener Frage, die bereits beim im Juli 2023 EuGH im war: Was ist eine angemessene Gebühr für eine werbefreie Nutzung?

Letztlich sind Abo-Modelle ein kleiner Schritt weg vom „Überwachungskapitalismus“ (Zuboff) hin zu einer digitalen Souveränität der Nutzer. Ob diese Souveränität aber kostenlos zu haben ist und wie es möglich sein kann, dass alle daran teilhaben, ist offen. Es bleibt spannend.

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  • Das „kostenlos“-Argument zieht überhaupt nicht. Auch Zeitungen und diverse andere Angebote finanzieren sich durch Werbeeinnahmen und das nicht erst seit gestern. Die Millioneneinnahmen der Fußballer werden ebenfalls zu großen Teilen über Werbe- und Sponsorenverträge finanziert und wurden dies auch in der Vergangenheit. Sie sind nur nicht personalisiert, sondern die Werbung wird über den Ort der Rezeption gesteuert und allgemeine Erhebungen, was die Leute interessieren könnte, die dort aufschlagen. Und deswegen ist dazu eben keine derart invasive Datenerhebung notwendig.
    Das Konzept der personalisierten Werbung sollte nicht über diese falsche Dichotomie verteidigt werden.

  • Was ich ja bei all diesen Diskussionen um Tracking, personalisierte Werbung, Einkommensquellen für Betreiber von Plattformen und Webseiten immer nicht verstehe: Warum sind denn keine Mischformen möglich? Warum kann keine Werbung ohne Tracking ausgespielt werden (und damit Werbeeinnahmen erzielt), die sich zum Beispiel auf den Inhalt eines Artikels auf einer Webseite oder eines Facebook-Posts bezieht, ohne deren Personenbezug auszuwerten. Auch diese Werbung müsste doch als relevant wahrgenommen werden. Vielleicht sogar als relevanter verglichen mit sogenannter „personalisierter“ Werbung, die allzuoft an den Interessen der Empfängers vorbei geht.

    Damit könnte dann, selbst wenn solche ungetrackte Werbung weniger einbringt als getrackte, in einer Art Mischfinanzierung ein günstiger Preis für ein monatliches Abo erzielt werden (so wie die Einnahmen eines Print-Magazins sich mischen aus dem Verkaufspreis und der darin befindlichen nicht personaliserten Werbung).

  • Entscheidend muss letztlich der Umfang der Datenverarbeitung sein. Jede Regung des Nutzers auf Facebook und allen Websites von Dritten, die mit einem Trackingpixel von Facebook versehen sind, zu protokollieren, kann nicht durch eine Einwilligung gerechtfertigt werden. Es ist näher zu betrachten, ob eine solche Vereinbarung sogar sittenwidrig sein könnte oder jedenfalls in AGB unzulässig ist.
    Auch der datenschutzrechtliche Grundsatz der Datenminimierung gilt für Facebook und zudem unabhängig von der Rechtsgrundlage, kann also durch eine Einwilligung nicht beliebig ausgehebelt werden. Trackingdaten nach sehr kurzer Zeit zu aggregieren und nach wenigen Monaten vollständig zu löschen, würde das Datenschutzniveau bereits erheblich anheben. Dass durch ein weiteres Plus an Daten stets ein Mehrgewinn erzielt werden kann, ist keine Rechtfertigung für grenzenloses Tracking. Die Angemessenheit, Erheblichkeit und Notwendigkeit der konkreten Ausgestaltung der Datenverarbeitung müssen stärker berücksichtigt werden.

  • Das Abo-Modell ist inhärent paradox: Wird für Tracking-Freiheit zu viel Geld verlangt, bleibt keine Freiwilligkeit zur Einwilligung der weitreichenden Verarbeitung personenbezogener Daten mehr; verlangt man zu wenig Geld, imliziert das (Waagschalenprinzip) eine erschreckende Geringschätzung des Wertes personenbezogener Daten.

  • Werbung in gewissem Maß ist zu akzeptieren, ob man als Single allerdings deshalb (egal ob Mann o. Frau) deshalb mit eindeutigen Sex-Angeboten von Personen, die nicht den Realnamen (wie eigentlich von META gefordert) zugemüllt werden muss? Ich bin Fotograf, mit vielen internationalen prominenten Freunden etc. Berechtigt dies META alle meine Fotos, auch wenn ein Copyright vermerkt ist gratis für eigene kommerzielle Zwecke zu nutzen? Angemessen kann dies kaum sein. Freiwillig habe ich 260 Fotos bei Google Maps eingestellt, diese wurden fast 9.000.000 Mal aufgerufen. mit nur einem Cent/Klick wäre man schon zufrieden. Wie und wo Facebook etc. die Fotos handeln, mag man sich nicht vorstellen, zumal wie bekannt die biometrischen Daten erhoben und gehandelt wurden! Ich meine, damit ist META mehr als „überbezahlt“!

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