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NOYB: Beschwerden gegen Cookie-Paywalls

NOYB: Beschwerden gegen Cookie-Paywalls

Es gibt Neuigkeiten aus der Welt des Max Schrems. Der Datenschutzaktivist und seine Datenschutz-Organisation noyb (Akronym für „none of your business“) legten vergangene Woche Beschwerde gegen die Cookie-Paywalls von sieben großen Nachrichten-Websites ein. Die Frage, die sich ihnen stellt: Wie freiwillig ist eine Einwilligung, wenn man zahlen muss, um seine Daten zu behalten?

Die Sache mit der Freiwilligkeit

Wer kennt es nicht? Im Newsfeed ploppt eine Schlagzeile auf, man ist interessiert und möchte mal eben schnell die Hintergründe nachlesen. Doch halt! Zunächst muss man sich entweder damit einverstanden erklären, dass die eigenen Daten zu Werbezwecken genutzt werden dürfen, oder sich entscheiden, ein kostenpflichtiges Abo mit dem jeweiligen Verlag abzuschließen. Hier setzt die Beschwerde von Max Schrems und noyb an.

NOYB: Großer Aufwand und Kosten für die Nutzer

Nachdem Max Schrems und seine Datenschutz-Organisation am 10. August bereits 422 formelle Beschwerden bei 10 europäischen Aufsichtsbehörden auf Grund von unzureichenden Cookie-Bannern eingelegt hatte, geht es nun um die sog. „Pay or Okay“-Lösung als „Cookie-Paywall“ für den Zugang zu Nachrichten. Der Nutzer wird vor die Wahl gestellt: Zahlt er einen festgelegten Preis für ein Abo und kann sämtliche Nachrichten ohne ein Verarbeiten seiner Daten zu Werbezwecken lesen oder stimmt er dieser Verarbeitung seiner Daten zu und kann dann „loslesen“.

Nach Ansicht von noyb fehlt es bei dieser Lösung an der notwendigen Freiwilligkeit für die Einwilligung und somit an einer Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO. Alan Dahi, Datenschutzjurist bei noyb erklärt hierzu:

„Die Leute müssten mitunter das zehn-, zwanzig- oder hundertfache zahlen, damit ihre Daten nicht mehr weitergegeben würden. Man bekommt den Eindruck, dass es hier nicht um eine faire Alternative zur Einwilligung geht, sondern darum, teure Abos zu verkaufen.“

Als Ursache für die zunehmende Verbreitung der „Pay or Okay“-Lösung sieht noyb eine Entscheidung der österreichischen Datenschutzbehörde aus dem Jahr 2019, die in dem System keinen Verstoß gegen die DSGVO sieht. Diese Entscheidung begründete die österreichische Datenschutzbehörde – in Anlehnung an die ehemalige Art.29-Datenschutzgruppe – damit, dass der Nutzer einen erkennbaren Vorteil erlangt und zudem eine echte Wahlmöglichkeit habe.

Rechtmäßige Gestaltung des Banners, aber…?

Der entscheidende Punkt liegt bei den vorliegenden Beschwerden gegen die Verlage nun also nicht mehr allein in einer rechtmäßigen Gestaltung des Cookie-Banners, sondern geht einen Schritt weiter. Man könnte sagen, dass eine Art „Ablehn-Button“ gegeben ist. Allerdings ist dieser mit dem kostenpflichtigen Abschluss eines Abos verbunden. Reicht dies jedoch aus, um die erforderliche Freiwilligkeit zu verneinen?

Kann man nicht auch mit Daten bezahlen?

Im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Neuregelung von Verbraucherverträgen des Bundestages haben wir uns bereits mit dem Thema „Bezahlen mit Daten“ beschäftigt. Hintergrund war hier, dass auf Grund der Umsetzung der europäischen dID-Richtlinie (Richtlinie EU 2019/770) Neuregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geplant sind. Diese sollen es erlauben, Daten künftig als Gegenleistung in einem wechselseitigen Vertrag anzusehen.

Eventuell stellt sich also nicht die Frage, wie freiwillig eine Einwilligung ist, wenn man zahlen muss, um seine Daten zu behalten, sondern vielmehr: Wenn ich kein kostenpflichtiges Abo abschließen möchte, um Zugang zu den Nachrichten auf den Websites der Verlage zu erhalten, ist es dann eine gleichwertige Alternative, mit meinen Daten zu bezahlen? Vielleicht sollen die Daten der Nutzer von diesen gar nicht zu einem „Wucherpreis zurückgekauft“ werden. Ist es denkbar, dass ein kostenpflichtiges Abo nur deutlich macht, das und was unsere Daten wert sind?

Die Einwilligung und das Kopplungsverbot

Nach der DSGVO gilt bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten der vorherrschende Grundsatz des „Verbots mit Erlaubnisvorbehalts“. Dieser kann mit einer Einwilligung durchgebrochen werden. Das bedeutet, dass eine Datenverarbeitung immer dann erlaubt ist, wenn der Betroffene zuvor freiwillig eingewilligt hat, Art. 6 Abs. 1 lit a) DSGVO.

Allerdings ist hierbei das ebenfalls in Art. 7 Abs. 4 DSGVO verankerte Kopplungsverbot zu beachten, das besagt: Wenn die Einwilligung an einen Vertrag gekoppelt ist, also für den Vertragsschluss vorausgesetzt wird, ist die Einwilligung nicht freiwillig und damit grundsätzlich unwirksam.

Aber auch hier stellt sich nun die Frage: Kann eine Einwilligung in die Verarbeitung von personenbezogenen Daten freiwillig sein, wenn der Betroffene im Gegenzug eine vertraglich garantierte Leistung erhält? Unter Heranziehung des Erwägungsgrundes 43, S. 2 könnte argumentiert werden, dass die Einwilligung in die Datenverarbeitung für die Erfüllung gerade erforderlich ist, da sie den Kaufpreis darstellt. Die hiermit verbunden Fragen sind jedoch nach wie vor höchst umstritten.

BayLDA und HmbBfDI nehmen Freiwilligkeit an

Auch deutsche Aufsichtsbehörden haben sich daher bereits mit dem Thema beschäftigt. So äußerte sich das BayLDA in seinem aktuellen Tätigkeitsbericht jüngst zu einem ähnlichen Thema. Hier ging es um die Anmeldung zu einem Newsletter im Gegenzug für ein kostenloses Produkt eines Verlages. Alternativ konnte das Produkt kostenpflichtig und ohne Einwilligung erworben werden. Unter Beachtung der Guidelines der EDSA zur Einwilligung kam die Behörde zu folgendem Ergebnis: die Anmeldung zum Newsletter im Gegenzug zu einem kostenlosen Produkt sei freiwillig, wenn das gleiche Produkt an gleicher Stelle kostenpflichtig und ohne Pflicht zur Newsletter-Anmeldung angeboten werde. Übertragen auf die Cookie-Paywall der Verlage wäre diese Voraussetzung erfüllt.

Auch der HmbBfDI nahm die Entscheidung der österreichischen Behörde im Jahr 2019 offenbar direkt zum Anlass und organisierte einen Austausch zwischen Aufsichtsbehörden und dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger. Angemerkt sei, dass dem Verfahren bei der österreichischen Behörde das „Pur-Abo“-Modell des Standard.at zugrunde lag, welches sich in den folgenden Jahren weitere Verlage als Vorlage nahmen und das nun ebenfalls Gegenstand der durch noyb eingereichten Beschwerden ist. Dem Tätigkeitsbericht des HmbBfDI aus dem Jahr 2019 ist zu entnehmen, dass sich jedoch zunächst nicht auf ein Modell geeinigt werden konnte, obwohl „bereits branchenspezifische Lösungen in europäischen Nachbarländern existierten, die die Anforderungen des HmbBfDI erfüllen würden“.

Anschließend überprüften im Sommer 2020 zehn Landesdatenschutzbeauftragte in einer koordinierten Prüfung die Cookie-Banner von Zeitungsverlagen, um deren Cookie-Nutzung transparenter und nutzerfreundlicher zu gestalten. Ein Großteil der von noyb angegriffenen Banner dürfte daher schon von den Behörden begutachtet worden sein.

Und was sagen die Verlage?

Den Beiträgen der von der Beschwerde betroffenen Verlage ist wahrscheinlich auch deswegen zu entnehmen, dass man bei der Entwicklung des „Paywall-Modells“ in Kontakt mit der Datenschutzbehörde stand. Auch sei das Produkt „in dieser Form von der Datenschutzbehörde bestätigt worden“. Es bleibt also spannend, wie sich die jeweiligen Datenschutzbehörden, u.a. in Hamburg und Hessen, aber auch in Österreich, verhalten werden und was ggfs. die zuständigen Gerichte in der Sache entscheiden werden. Eines ist allerdings klar: Max Schrems und noyb ist es nach der von ihnen initiierten Schrems II-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs und den Beschwerden gegen die Ausgestaltung von Cookie-Bannern erneut gelungen, wichtige Datenschutzthemen in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.

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