In einem kürzlich ergangenen Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg hat dieses einem Betroffenen insgesamt 750 Euro Schadensersatz zugesprochen, weil der Verantwortliche seinem Auskunftsersuchen erst nach 19 Tagen nachkam. Mit der „verzögerten“ Beantwortung habe der Verantwortliche gegen das Gebot der Unverzüglichkeit verstoßen. Grundsätzlich wäre nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche keine Unverzüglichkeit mehr gegeben, solange keine besonderen Umstände vorlägen. Warum das Urteil auf kritische Stimmen stößt und ob es sich wohlmöglich auf die Praxis im Umgang mit Auskunftsansprüchen auswirken könnte, erfährt man hier.
Der Inhalt im Überblick
Schon wieder ein Urteil zum Auskunftsanspruch
Das wohl relevanteste Betroffenenrecht ist auch wieder Gegenstand eines Urteils des Arbeitsgerichts Duisburg vom 03. November 2023 (Az. 5 Ca 877/23). Im Fokus steht dieses Mal allerdings nicht der Umfang des Anspruchs, sondern die Frist zur Beantwortung durch den Verantwortlichen. Trotz Beauskunftung innerhalb von 19 Tagen nach Antragseingang sprach das Arbeitsgericht dem Betroffenen einen Schadensersatzanspruch wegen verspäteter Auskunftserteilung zu.
Was war passiert?
Der Sachverhalt, der dem Urteil zu Grunde liegt, ist nicht außergewöhnlich: Der Betroffene bewarb sich am 14.03.2017 auf eine Stellenanzeige bei einem Inkassodienstleister und sandte diesem hierzu seine Bewerbungsunterlagen zu.
Am 18.05.2023 – sechs Jahre später – begehrte der Betroffene schließlich Auskunft darüber, ob und welche Daten zu seiner Person durch den Verantwortlichen noch verarbeitet werden. In seiner E-Mail setzte der Beklagte außerdem eine Frist zur Auskunftserteilung bis zum 02.06.2023.
Der verantwortliche Inkassodienstleister reagierte hierauf zunächst nicht, weshalb der Betroffene einen Tag nach Ablauf seiner eigens gesetzten Frist, am 03.06.2023 erneut an sein Auskunftsbegehren erinnerte. Dieses Mal mit Erfolg: Der Verantwortliche erteilte dem Betroffenen am 05.06.2023 eine Negativauskunft. Daten des Betroffenen wurden zu diesem Zeitpunkt nicht mehr verarbeitet.
Der Betroffene wandte sich daraufhin erneut an den Verantwortlichen und bat um Stellungnahme, weshalb die Negativauskunft nicht innerhalb seiner eigens gesetzten Frist erteilt wurde. Ganz zum Empören des Verantwortlichen, der nämlich davon ausging, er habe mit Blick auf Art. 12 DSGVO die Auskunft fristgerecht innerhalb eines Monats erteilt.
Verletzung des Gebots der Unverzüglichkeit
Obwohl der Verantwortliche innerhalb von 19 Kalendertagen dem Auskunftsverlangen des Betroffenen nachkam, zog dieser vor Gericht – (teilweise) mit Erfolg:
Das Arbeitsgericht vertritt in seinem Urteil die Auffassung, der Verantwortliche habe mit der zögerlichen Beantwortung des Auskunftsanspruchs gegen das Gebot der Unverzüglichkeit aus Art. 12 Abs. 3 DSGVO verstoßen und sprach dem Betroffenen aufgrund der verspäteten Auskunft schließlich einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Höhe von 750 Euro zu.
Die Vorgabe des Art. 12 Abs. 3 DSGVO enthalte die Pflicht des Verantwortlichen zur unverzüglichen Unterrichtung, unabhängig davon, ob es sich um eine Negativ- oder Positivauskunft handele. Bei der in Art. 12 Abs. 3 S. 1 DSGVO genannten Monatsfrist handelt es sich um eine Höchstfrist, die
„nicht routinemäßig, sondern nur in schwierigeren Fällen ausgeschöpft werden (dürfe)“.
„Unverzüglich“ sei in Anlehnung zu § 121 BGB als „ohne schuldhaftes Zögern“ zu verstehen. Ein sofortiges Handeln oder eine starre Zeitvorgabe sei dem Begriff der Unverzüglichkeit zwar nicht zu entnehmen. Für die Entscheidung, wann einem Verantwortlichen ein solches „schuldhaftes Zögern“ vorgeworfen werden könne, müssten daher die jeweiligen Interessen der Beteiligten abgewogen werden.
Das Gericht zitiert hierbei das Urteil des BAG vom 27.02.2020 (Az.: 2 AZR 390/19), in welchem zur Auslegung der Legaldefinition von „Unverzüglich“ entschieden wurde, dass zumindest
„Nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche (…) ohne das Vorliegen besonderer Umstände grundsätzlich keine Unverzüglichkeit mehr gegeben [ist].“
Etwaige Umstände, die eine längere Bearbeitungszeit des Verantwortlichen rechtfertigen würden, seien im vorliegenden Fall für das Gericht nicht ersichtlich gewesen. Auch der Umstand, dass dem Verantwortlichen zwischen Antragsstellung und Erteilung der Auskunft aufgrund von Feier- und Brückentagen zur Beantwortung nur insgesamt 9 Werktage zur Verfügung stand, fand keine Berücksichtigung.
Keine besondere Komplexität
Das Gericht stellte darauf ab, dass der Negativauskunft des Verantwortlichen keine besondere Komplexität innewohnte. Ein etwaig aufwändiges Sichten oder Zusammenstellen von Daten, wie sie bei einer Positivauskunft anfallen würden, entfiele für den Verantwortlichen im vorliegenden Fall. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, weshalb für einen einfachen Suchvorgang mehr als eine Woche benötigt wurde.
Nicht zu berücksichtigen sei außerdem, dass es sich um eine sechs Jahre alte Bewerbung des Betroffenen handelte, die aus subjektiver Sicht des Verantwortlichen möglicherweise deshalb nicht so dringend sein könne, wie bspw. „aktuellere“ Auskunftsanfragen anderer Betroffener. Art. 12 DSGVO setze schließlich keine objektive Dringlichkeit des geltend gemachten Betroffenenrechts voraus.
Temporärer Kontrollverlust als Schaden
Durch den Verstoß des Verantwortlichen gegen das in Art. 12 Abs. 3 S. 1 DSGVO verankerte Beschleunigungsgebot sei dem Betroffenen schließlich auch ein immaterieller Schaden entstanden, den er nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO vom Verantwortlichen ersetzt verlangen kann.
Durch die nach Auffassung des Gerichts verspätete Auskunft habe der Betroffene immerhin einen temporären Kontrollverlust bezüglich seiner personenbezogenen Daten erlitten – auch wenn der Verantwortliche zu diesem Zeitpunkt wohlgemerkt keine solchen Daten des Betroffenen mehr verarbeitete:
„Durch die verspätete Auskunft war der Kläger im Ungewissen und ihm die weitere Prüfung verwehrt, ob und ggf. wie die Beklagte seine personenbezogenen Daten verarbeitet.“
Die vermeintliche Monatsfrist beim Recht auf Auskunft
Ohne näher auf den Schaden eingehen zu wollen, der darin liegen soll, dass der Betroffene einen temporären Kontrollverlust über seine personenbezogenen Daten erlitten habe, (wo doch gar keine Daten durch den Verantwortlichen verarbeitet wurden), stieß das Urteil bereits im Netz auf vermehrte Kritik. Oftmals liest sich, der Verantwortliche habe doch die Monatsfrist eingehalten.
In der Tat hält sich vielfach die Vorstellung, es genüge, wenn man grundsätzlich bei jedem beliebigen Auskunftsersuchen die einmonatige Frist zur Beantwortung nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO einhält. Diese allgegenwärtige Annahme entspricht so aber nicht dem Wortlaut und der Systematik des Art. 12 Abs. 3 S. 1 DSGVO:
„Der Verantwortliche stellt der betroffenen Person Informationen über die auf Antrag gemäß den Artikeln 15 bis 22 ergriffenen Maßnahmen unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung.“
Anders, als in Abs. 3 S. 3 wird die Monatsfrist in Abs. 3 S. 1 als einzuhaltendes Höchstmaß genutzt, um die Rechte des Betroffenen nicht einer ungewissen Zeitkomponente zu unterwerfen, die im Ermessen des Verantwortlichen liegt. Auch Erwägungsgrund 59 S. 3 betont, dass die Beantwortung unverzüglich erfolgen sollte, spätestens aber innerhalb eines Monats zu erfolgen hat.
Die Ausschöpfung der Monatsfrist stellt demnach bereits dem Wortlaut und der Systematik der Norm nach eine Ausnahme dar, die – wie das Arbeitsgericht betonte – richtigerweise nicht routinemäßig und ohne Anlass ausgereizt werden darf.
Monatsfrist nur noch für komplexe Fälle?
Der Verantwortliche hat somit geeignete Maßnahmen zu treffen, um der Verpflichtung zur unverzüglichen Auskunft nachzukommen. Er sollte in der Lage sein, die eingehenden Anfragen beschleunigt und damit grundsätzlich unverzüglich beantworten zu können. Doch die Annahme, die in Art. 12 Abs. 3 S. 1 DSGVO genannte Höchstfrist von einem Monat sei nur noch schwierigen Fällen vorbehalten, dürfte sich in der Praxis wohl kaum durchsetzen.
Zum einen wird es schwierig sein eine klare Linie zu ziehen, bis wann welche Auskünfte zu erteilen sind, um die Unverzüglichkeit nach Auffassung des Arbeitsgerichts zu bedienen. Erfahrungsgemäß dürfte zwar eine Negativauskunft mit weniger Aufwand verbunden sein als die Erteilung einer vollumfänglichen Positivauskunft. Doch welchen Umfang müssen Positivauskünfte erreichen, um die Ausschöpfung der Monatsfrist nach Auffassung des ArbG Duisburgs zu rechtfertigen?
Zum anderen ist es fraglich, inwiefern die Fristverlängerung nach Art. 12 Abs. 3 S. 2 DSGVO dann überhaupt noch von Bedeutung wäre. Denn hiernach kann die – wohlgemerkt nur für schwierige Fälle auszuschöpfende – Monatsfrist nach Art. 12 Abs. 3 S. 1 DSGVO um weitere zwei Monate verlängert werden,
wenn dies unter Berücksichtigung der Komplexität und der Anzahl von Anträgen erforderlich ist.
Bedeutung des Urteils für den Auskunftsanspruch
Die Bedeutung des Urteils für den Auskunftsanspruch ist schwer auszumachen, insbesondere deshalb, weil der Verantwortliche (Beklagte) scheinbar an vielen Stellen seiner Darlegungslast nicht nachkam.
Selbstverständlich sollte die Monatsfrist zur Beantwortung von Auskunftsansprüchen nicht routinemäßig ausgeschöpft werden. Gerade dann, wenn es sich um einfache Fälle handelt, wie bspw. Negativauskünfte, die keine besondere Such- und Recherchearbeit verlangen. Doch die Ausführungen und Anforderungen im Urteil gehen deutlich zu weit und entfernen sich von der umsetzbaren Realität in den wohl meisten unternehmerischen Strukturen.
Es bleibt zu hoffen, dass es sich hierbei um eine Einzelfallentscheidung handelt, der sich keine weiteren Gerichte oder Behörden anschließen werden. In jedem Fall sollten Verantwortliche, die sich etwaigen Beschwerden über „verspätete“ Auskünften innerhalb der Monatsfrist ausgesetzt sehen, darlegen können, weshalb sie die Monatsfrist ausschöpfen mussten.
[Unsachlich. Kommentar gelöscht.]
Die Schufa verzögert die Auskunft ebenfalls um eine Woche, um die kostenpflichtige Auskunft vorteilhaft darzustellen. Das Urteil könnte unschöne Folgen für die Schufa haben und gute für den Verbraucher, denn gerade bei der Schufa lassen die Prozesse vermuten, dass die Verzögerung beabsichtigt ist und gerade darauf abzielen, den Verbraucher in Richtung kostenpflichtige Auskunft zu lenken, während der Schaden bei verspäteter Auskunft z.B. bedeuten könnte, dass eine Wohnung nicht gemietet werden kann. Ich begrüße dieses Urteil.
Fehlerhaft an dem Urteil ist, dass es sich bei der DSGVO um europäisches Recht handelt, weshalb zur Auslegung des Begriffs „unverzüglich“ nur europäisches, nicht deutsches Recht herangezogen werden kann. Andernfalls würde das Recht wieder national zersplittern, was ja die DSGVO gerade vermeiden will.