Eine Art Verbrecher-Schufa ist dieses Jahr in Schweden online gegangen. Wie gestern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nachzulesen war, kann jetzt jeder Schwede über das Portal www.lexbase.se herausfinden, ob der Kollege oder Nachbar in ein Gerichtsverfahren verwickelt ist.
Der Inhalt im Überblick
Internet-Pranger als Start-up-Idee
Ende Januar dieses Jahres ging das Portal erstmals online. Nutzer konnten ohne sich zu registrieren einen Namen eingeben und erfuhren dann, ob der Träger des Namens an einem Gerichtsverfahren beteiligt war oder nicht. Damit stand er schon am Pranger. Denn ob er nur einen Rechtsstreit mit seinem Vermieter über eine Nebenkostenabrechnung geführt hat, ob er jemand umgebracht hat, freigesprochen, nur als Zeuge vernommen worden oder gar Opfer war, wurde nicht mitgeteilt. Ausschließlich zahlende Nutzer erhielten diese Information und auch das Urteil.
Mit einer Kartensuchfunktion konnte man sich die Adressen aller Verfahrensbeteiligten in einer Straße, einem Stadtviertel oder einem Dorf anzeigen lassen. Allerdings beruhte die Funktion ausschließlich auf den Prozessakten, sodass die Nachmieter des verurteilten Betrügers gleich mit am Pranger standen.
Als weitere Komplikationen auftraten wurde das Portal vorläufig vom Netz genommen. Dabei spielte allerdings keine Rolle, dass es im ganzen Land Kritik hagelte: Gründer und Geschäftsführer Jonas Häger befriedige aus kommerziellen Gründen schäbigen Voyeurismus.
Auskunftei der besonderen Art
In der Selbstdarstellung des Portals wird ein ganz anderes Geschäftsmodell beschrieben:
„Die juristischen Auskünfte ermöglichen es den Kunden, Risiken in den Geschäftsbeziehungen besser einzuschätzen.“
Also eine Art Schufa, die nicht über die Kreditwürdigkeit Auskunft erteilt, sondern über jedwede Beteiligung an einem gerichtlichen Verfahren. Unter diesem Motto ist das Portal inzwischen wieder online. Die Kartensuche ist nicht mehr möglich und Auskünfte gibt es nur noch gegen Entgelt.
400 Anzeigen wegen Verleumdung gehen ins Leere
Gerade für Opfer von Straftaten ist die Prangerwirkung des Portals eine erhebliche Belastung, daher sind die Betreiber des Portals mehrfach wegen Verleumdung angezeigt worden. Doch die Anzeigen werden wahrscheinlich nicht verfolgt. In Schweden sind Verwaltungsvorgänge öffentliche Angelegenheiten. Jeder Bürger kann Urteile einsehen und Kopien davon anfordern. Das Öffentlichkeitsprinzip ist durch die Verfassung geschützt ist und geht in den meisten Fällen dem Schutz der Persönlichkeit vor.
Was die massenhafte Sammlung und Veröffentlichung von Urteilen angeht, kann sich der 30jährige Gründer von Lexbase überdies auf die Pressefreiheit berufen, die in Schweden für alle Internetanbieter gilt. Und über eine prächtige Rendite kann er sich offenbar auch schon freuen.
Wenn in Europa die Auffassungen über Persönlichkeits- und Datenschutz so weit auseinander gehen, erscheint das Projekt einer gemeinsamen Datenschutzgrundverordnung fast schon ein wenig utopisch…
Der schwedische Kollektivismus, in dem sich die Rechte des einzelnen Bürgers gegenüber Staat und Gesellschaft unterordnen müssen, ist unerträglich.
Lexbase.se ist allerdings nicht das primäre Problem. Es ist eher Symptom einer kranken Gesellschaft.