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Veröffentlichung der Mailbox-Nachricht von Christian Wulff an „Bild“ ohne Einwilligung zulässig?

Veröffentlichung der Mailbox-Nachricht von Christian Wulff an „Bild“ ohne Einwilligung zulässig?

Die Schlammschlacht zwischen „Bild“ und Bundespräsident Christian Wulff geht weiter. Nach dem reumütigen Interview unseres Staatsoberhaupts gestern Abend kündigte „Bild“-Chefredakteur Diekmann heute an, die inzwischen berühmt gewordene Mailbox-Nachricht veröffentlichen zu wollen. Hintergrund: Wulff bestritt gestern bei seinem Interview bei ARD und ZDF, bei seiner Mitteilung der „Bild“ explizit gedroht zu haben, vielmehr habe er nur um Aufschub der Veröffentlichung gebeten.

Wer ist mächtiger: „Bild“ oder unser Staatsoberhaupt?

Auch rechtlich interessant ist die Ankündigung Diekmanns, die Aufzeichnung nur mit Zustimmung von Herrn Wulff zu veröffentlichen. Was auf den ersten Blick rücksichtsvoll erscheint, dürfte wohl eher als Machtspiel zu verstehen sein: „Bild“ setzt dem Bundespräsidenten spektakulär die Pistole auf die Brust. Denn eine Ablehnung der Veröffentlichung könnte so aussehen, als habe Wulff tatsächlich nicht nur um Aufschub gebeten – die „Bild“ im Machtkampf gegen das deutsche Staatsoberhaupt!

Veröffentlichung auch ohne Wulffs Zustimmung erlaubt?

Bundespräsident Wulff versagte kurz nach der Ankündigung Diekmanns seine Zustimmung. Unabhängig davon, wie „Bild“ nun mit dieser Reaktion umgeht, stellt sich die rechtlich interessante Frage, ob „Bild“ denn die Aufzeichnung trotzdem veröffentlichen dürfte. Betroffen ist das „Recht am eigenen Wort“, das aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet wird (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG). Die „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ ist gemäß § 201 Abs. 1 StGB sogar strafbar, allerdings setzt der Straftatbestand eine unbefugte Aufnahme voraus – die Aufzeichnung selbst war damals aber von Wulff durchaus gewollt, auch wenn er sie nun sicher bereuen wird.

Interessenabwägung: Persönlichkeit gegen Öffentlichkeit

Eine Veröffentlichung der Aufzeichnung würde einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Christian Wulff darstellen. Ob dieser Eingriff zulässig ist, muss letztendlich durch eine Interessenabwägung entschieden werden (datenschutzrechtlich müsste man dies über § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG lösen). Auf der anderen Waagschale befindet sich ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit, was sich in der aktuellen öffentlichen Diskussion widerspiegelt (dass man das Thema schon nicht mehr hören mag, liegt wohl vor allem an der Peinlichkeit der ganzen Geschichte).

Ergebnis: Kein Recht zur Veröffentlichung

Meiner Ansicht nach wäre eine Veröffentlichung ohne Zustimmung ein unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Christian Wulff: Zwar war er damals nicht als reine Privatperson betroffen, sondern schon als Person in einem besonderem Amt, in dessen Rolle er sich nur eingeschränkt auf Persönlichkeitsrechte berufen darf. Dennoch hat ein Telefonat und damit auch die Mitteilung auf einer Mailbox immer – also auch im dienstlichen Umfeld – einen sehr privaten Charakter. Dieser spiegelte sich auch in Wulffs heutiger Äußerung wieder. Wulff sagte laut Spiegel Online:

die „in einer außergewöhnlich emotionalen Situation gesprochenen Worte“ seien ausschließlich für Diekmann bestimmt

Am besten lässt sich der private Charakter einer Mailbox-Nachricht bei einem Vergleich mit einer dienstlichen E-Mail nachvollziehen. Beim Versand einer dienstlich veranlassten E-Mail muss in Einzelfällen damit gerechnet werden, dass diese auch an Dritte weitergeleitet wird (LG Köln, Urteil v. 28.05.2008, AZ: 28 O 157/08). Sobald sich aber erkennen lässt, dass eine Weiterleitung nicht gewollt ist, muss diese schon unterbleiben (LG Saarbrücken, Urteil v. 16.12.2011, Az.: 4 O 287/11). Eine Mailbox-Nachricht ist hingegen immer nur für den Angerufenen bestimmt. Mit einer Weiterleitung an Dritte kann hier – anders als bei einer E-Mail – nicht gerechnet werden. Der angeblich sehr emotionale Ton der Mitteilung spricht in diesem konkreten Fall schließlich recht eindeutig für einen privaten Charakter der Aufzeichnung. Ergebnis: Ohne Einwilligung keine Veröffentlichung.

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  • En contraire!

    Das grottenfalsche Kölner Urteil zu den E-Mails ist nie rechtskräftig geworden. Weiß ich aus erster Hand … ;-)
    Das Saarbrücker Urteil ist ebenfalls noch nicht rechtskräftig und zitiert ausgerechnet die dümmste Stelle aus dem Kölner Schandurteil. Die Vorsitzende hatte das Brief- und Fernmeldegeheimnis nicht verstanden, das nun einmal nur die Übertragung einer verschlossenen Mail zum Adressaten schützt, nicht aber eine Information aufgrund Fixierung zur Geheimsache erklärt.

    Ich bezweifle, dass ein freiwillig entäußerter Text Datenschutzverpflichtungen auslöst, sofern dieser nicht sensible Daten enthält. Die Drohung der Presse mit „Krieg“ ist definitiv ein Thema, an dem die Öffentlichkeit ein legitimes Interesse hat.

  • @RA Kompa

    Datenschutzrecht ist hier in der Tat weniger interessant. Wir sind uns ja zumindest darin einig, dass die unbefugte Aufzeichnung eines Telefonats und die Weitergabe der Aufzeichnung rechtswidrig wäre. Diese vom Strafrecht (§ 201 StGB) vorgegebene Wertung gilt unabhängig davon, in welcher Position die Äußerungen erfolgen und wie groß das Interesse der Öffentlichkeit an einer Kenntnisnahme sein mag. Es ist fragwürdig, ob man diese Wertung komplett umkehren kann, nur weil eine Aussage am Telefon auf einer Mailbox festgehalten wird. Man sollte vielleicht doch noch differenzieren – z.B. auch im Vergleich zu einem offiziellen Schreiben oder zu einer SMS, weil das gesprochene Wort von Person zu Person stets einen sehr privaten Charakter hat (auch von Bundespräsident zu Chefredakteur), der sich dadurch ausdrückt, dass es oft weniger durchdacht ist – hierfür hat Herr Wulff ein Paradebeispiel geliefert (andere Auffassung vom Kollegen Stadler: http://www.internet-law.de/2012/01/der-bundesprasident-und-die-mailbox.html )

  • Sorry, aber spätestens in dem Moment, indem Pattex zur besten Sendezeit in den den beiden Staatssendern groß und breit zur Mailboxnummer Stellung bezogen und den seine Sicht des Inhalts wiedergegeben hat, zieht das Argument mit der Privatheit nicht mehr. Er hat die Glaubwürdigkeit des obersten Staatsamtes an den konkreten Inhalt der Kommunikation geknüpft und mithin selbst zu einem Thema mit öffentlichen Interesse gemacht. Er kann sich nicht nur die Rosinen rauspicken.

  • So sehr man hier im Grundsatz durchaus eine andere Position vertreten kann – aber dieses Argument zieht wohl kaum: Öffentlich gemacht wurde die „Mailboxnummer“ nun gerade nicht von Wulff sondern von Diekmann. Auch wenn Wulff im Nachhinein besser beraten gewesen wäre, es selbst zu tun…

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