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§ 4 BDSG: Die Rechtswidrigkeit der deutschen Videoüberwachung

§ 4 BDSG: Die Rechtswidrigkeit der deutschen Videoüberwachung

Kevin Leibold fragt auf Twitter, warum die Aufsichtsbehörde im letzten Newsletter die Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachungsanlage nur nach DSGVO und nicht nach BDSG prüft. Der LfDI von Baden-Württemberg antwortet: „Ganz klar: weil § 4 BDSGneu europarechtswidrig ist.“. Warum sagt er sowas und welche Bedeutung hat diese Aussage? Wir klären auf.

Keine Erklärung im Newsletter der Aufsichtsbehörde

Einem Landesbeauftragten für Datenschutz mag ganz klar sein, welche Ermächtigungsgrundlagen für die Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachung heranzuziehen sind. Dem hörigen Volk mag sich aber vielleicht nicht auf den ersten Blick erschließen, warum ein Paragraph, der mit „Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume“ übertitelt ist, nicht als Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume herangezogen werden kann. Eine Erklärung, warum § 4 BDSG keinen Platz in einem Aufsatz über die Rechtmäßigkeit von Videoüberwachungen findet und vielmehr noch, warum § 4 BDSG europarechtswidrig sein soll, hätte an dieser Stelle vielleicht geholfen. Aufklären hilft manchmal mehr als bloßes Behaupten.

Warum soll § 4 BDSG denn überhaupt europarechtswidrig sein?

Die DSGVO enthält eine Reihe von Ermächtigungsnormen, die es nationalen Gesetzgebern erlauben, für bestimmte Verarbeitungssituationen spezielle oder spezifizierende Rechtsgrundlagen zu erlassen. So darf der deutsche Gesetzgeber beispielsweise Normen für die Verarbeitung im Beschäftigtendatenschutz, oder im Bereich der Wissenschaft und Forschung erlassen.

Der deutsche Gesetzgeber darf über Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 DSGVO auch spezifischere Bestimmungen erlassen, wenn es um Verarbeitungen geht, die zur Erfüllung von rechtlichen Verpflichtungen, denen der Verantwortliche unterliegt, erforderlich ist oder, wenn es um Verarbeitungen geht die der Verarbeiter in Wahrnehmung öffentlicher Interessen oder öffentlicher, ihm übertragener Gewalt ausübt.

Auf diese Ermächtigungsnorm stützt sich § 4 BDSG. Der Verantwortliche darf demgemäß nach Nr. 1 Videoüberwachungen zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen durchführen. Das deckt sich mit der Befugnis, Verarbeitungen in Ausübung öffentlicher übertragener Gewalt auszuüben.

Fehlende Ermächtigung um § 4 zu erlassen

In den Nummern 2 und 3 der Norm wird dem Verarbeiter allerdings ermöglicht, Videoüberwachungen zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen durchzuführen. Da wird man jetzt schwerlich argumentieren können, dass solche Verarbeitungen der Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen, dem öffentlichen Interesse oder der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen, sondern muss vielmehr zu dem Schluss kommen, dass dies den Interessen des Verarbeiters selber dient.

Keine unübersichtliche Verästelung

Genau für diese Fälle gibt es keine Ermächtigungsnorm in der DSGVO, denn der europäische Gesetzgeber wollte bewusst, dass sich nicht öffentliche Stellen an einheitliche europäische Standards halten und keine unübersichtliche Verästelung durch die nationale Gesetzgebung stattfindet.

Dies nur kurz als Erklärung, warum § 4 BDSG wohl europarechtswidrig ist.

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  • Guten Morgen aus Baden-Württemberg.
    Wieso kann für die Verarbeitung nicht direkt der Art. 6, Abs. 1, lit. f) EU DS-GVO herangezogen werden, wenn ich mein berechtigtes Interesse nachvollziehbar begründen kann? VG

  • Wäre eine Videoüberwachung eines Fußballstadions während einer Fußballveranstaltung nicht eine VÜ öffentlich zugänglicher Räume zur Wahrnehmung des Hausrechts und zur Wahrnehmung einer Aufgabe (Sicherheit der Fussballfans) erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt?
    Fehlt für eine Europarechtskonformität von §4 Nr. 2 u. 3. somit nur eine Wiederholung des in Art. 6 Abs. 1, Buchst. e genannten „öffentlichen Interesses“?

    • Dann bräuchten Sie ja für jede Wahrnehmung des Hausrechts oder berechtigte Interessen zugleich ein öffentliches Interesse um eine Videoüberwachung rechtmäßig durchzuführen, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Da könnte dann jeder Baumarkt einpacken. Eine Videoüberwachung kann durchaus auf mehreren Rechtsgrundlagen fußen, also in Ihrem Beispiel auf Hausrecht UND öffentlichem Interesse.

  • Ich bin nach der Lektüre des 34. Tätigkeitsberichts 2018 LfDI BW Punkt 3.3 (S. 89) ein wenig zerknirscht. Sofern ich die Ausführungen zur „Videoüberwachung in Tanzschulen“ richtig verstehe, kommt nun § 4 BDSG nF (Hausrecht) als Rechtsgrundlage in Verbindung mit Art. 6 lit. f in Frage. Sofern § 4 europarechtswidrig ist, weshalb wird er überhaupt aufgeführt? Und das ohne Hinweis? Vielleicht ist mir das „öffentliche Interesse“ an Tanzschulen entgangen?

    • Auch wenn es die Aufsichtsbehörden gerne anders hätten: Für die verbindliche Feststellung, ob Gesetze rechtswidrig sind, sind immer noch Gerichte zuständig. Solange es hierzu also keine Entscheidung des EuGH gibt, ist § 4 BDSG auch anzuwenden.

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