Der scheidende Bundesbeauftragte für den Datenschutz (BfDI), Prof. Dr. Kelber, hat am 22./23.05.2024 vor dem Bundesverwaltungsgericht Klage gegen den Bundesnachrichtendienst (BND) erhoben. Er beanstandet, dass der BND die Einsicht in Unterlagen verweigere, die seinem Einsichtsrecht unterliegen sollen. Dieser Beitrag beleuchtet die Stellung und Kompetenzen des BfDI gegenüber dem BND und, soweit bekannt, die Hintergründe der Klage.
Der Inhalt im Überblick
- Stellung des Bundesdatenschutzbeauftragten zum BND
- Abgrenzung zu anderen Kontrollinstanzen den BND betreffend
- Befugnisse des BfDI gegenüber dem BND
- Warum die Klage gegen den BND?
- Was wissen wir über den Inhalt der Klage gegen den BND?
- Warum klagt der BfDI und wendet keinen Verwaltungszwang an?
- Die Klage gegen den BND – ein nerviges Erbe!
Stellung des Bundesdatenschutzbeauftragten zum BND
Der BfDI ist die Datenschutzaufsichtsbehörde für alle öffentlichen Stellen des Bundes sowie für bestimmte Sozialversicherungsträger. Darüber hinaus beaufsichtigt er Telekommunikations- und Postunternehmen, soweit diese Telekommunikations- oder Postdienste erbringen. Er kontrolliert bei diesen Stellen die Umsetzung und Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften, insbesondere der DSGVO, aber auch anderer Datenschutzgesetze. Stellt der BfDI einen Datenschutzverstoß fest, kann er die Bundesstellen ermahnen, verwarnen und Untersagungen aussprechen.
Zu den öffentlichen Stellen, die der Aufsicht des BfDI unterliegen, gehört auch der BND. Das Referat 34 des BfDI ist für die datenschutzrechtliche Beratung und Kontrolle des BND sowie für die Begleitung von Gesetzesvorhaben den BND betreffend zuständig. Hierbei arbeitet das Referat 34 mit weiteren Kontrollgremien des Bundes zusammen.
Abgrenzung zu anderen Kontrollinstanzen den BND betreffend
Dies sind das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr), die G-10-Kommission und der Unabhängige Kontrollrat (UKrat). Diese Vielfalt an Stellen ist das Ergebnis verschiedener, teils überlappender Zuständigkeiten. Hierdurch soll das Defizit an der effektiven Durchsetzung von Betroffenenrechten gegen die oft verdeckten Maßnahmen des BND kompensiert sowie dessen Tätigkeit rechtstaatlich kontrolliert und legitimiert werden.
Das PKGr ist als innerparlamentarisches Gremium für die Kontrolle u.a. des BND zuständig. Nach dem Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz) ist die Bundesregierung verpflichtet, das PKGr über die Tätigkeit u.a. des BND und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Darüber hinaus kann es Tätigkeitsberichte anfordern. Damit soll die parlamentarische Verantwortlichkeit der Bundesregierung für die oft verdeckte Tätigkeit des BND sichergestellt werden.
Die G 10-Kommission entscheidet u. a. vorab über die Zulässigkeit und Notwendigkeit verdeckter Maßnahmen des BND, die in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) eingreifen. Will der BND z.B. ein Telefon abhören, muss er dies beim Bundesministerium des Innern (BMI) beantragen. Ordnet das BMI die Abhörung an, muss es zuvor die G 10-Kommission unterrichten. Ohne diese Unterrichtung ist die Maßnahme unzulässig, es sei denn, es ist Gefahr im Verzug. (§ 8b Abs. 1, 2 Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz – Bundesverfassungsschutzgesetz).
Aufgabe des UKRats ist die neutrale Rechtskontrolle der technischen Aufklärung und damit einhergehender Übermittlungen und Kooperationen des BND mit anderen Behörden zum Schutz der Grundrechte Betroffener.
Befugnisse des BfDI gegenüber dem BND
Die Kontrollbefugnisse des BfDI gegenüber Bundesbehörden wie dem BND – sind im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geregelt: Dort steht das Einsichtsrecht betreffend:
„Die öffentlichen Stellen des Bundes sind verpflichtet, der oder dem Bundesbeauftragten und ihren oder seinen Beauftragten (…) alle Informationen, die für die Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben erforderlich sind, bereitzustellen“ (§ 16 Abs. 4 Nr. 2 BDSG).
Art. 58 Abs. 1 lit. a) DSGVO dagegen findet auf rein geheimdienstliche Tätigkeit keine Anwendung, weil der BND
„zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit“
handelt (Art. 2 Abs. 2 lit d) DSGVO).
Will der BfDI dem BND gegenüber Kontrollrechte geltend machen, soll er sich gem. § 64 Nr. 1 b) S, 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz)
„(…) an die Bundesregierung sowie an die für die Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes zuständigen Gremien (Parlamentarisches Kontrollgremium, Vertrauensgremium, G 10-Kommission, Unabhängiges Gremium) wenden (.);“
Will der BfDI eine Beanstandung dem BND gegenüber aussprechen, ist das Verfahren zweistufig. Dann setzt
„eine Befassung der für die Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes zuständigen Gremien (.) voraus, dass (…) er der Bundesregierung (…) zuvor Gelegenheit gegeben hat, innerhalb einer von ihr oder ihm gesetzten Frist Stellung zu nehmen“ (§ 64 Nr. 1 b) S. 2 BND-Gesetz).
Warum die Klage gegen den BND?
Angesichts dieser auf den ersten Blick eindeutigen Rechtslage fragt man sich, wie es zu dieser Klage kommen konnte. Ganz einfach: Weil sich BfDI und BND im konkreten Fall nicht einig sind, ob die vom BfDI begehrte Einsichtnahme zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Man wundert sich über diese Uneinigkeit, wurde doch der BND im Tätigkeitsbericht des BfDI 2023 – zwar in trockenem Verwaltungsdeutsch, aber immerhin – mit liebestrunkenem Lob bedacht:
„Ebenfalls positiv ist, dass dieses Jahr eine praxistaugliche Einigung zum Umfang meiner Einsichtsrechte erzielt werden konnte. Vor diesem Hintergrund sehe ich zurzeit keine Notwendigkeit, meine Einsichtsrechte gegebenenfalls per Klage durchsetzen zu müssen.“
Was wissen wir über den Inhalt der Klage gegen den BND?
Wie immer in BND-Angelegenheiten wissen wir sehr wenig. Die vom BfDI zur Einsicht angeforderten Unterlagen und die Klageschrift sind als Verschlusssache eingestuft. Sofern nicht – anders als beim Taurus-Leak – jemand den Datenschutz vergisst, kann über den Inhalt der Klage daher nur gemunkelt werden. Man kann aber spekulieren, dass es Bezüge zum Ausland gibt, denn der BND
„(…) sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus“ (§ 1 Abs. 2 BNDG).
Warum klagt der BfDI und wendet keinen Verwaltungszwang an?
Connaisseure des Verwaltungsrechts mögen sich nun fragen, warum der BfDI nicht ein Zwangsgeld gegen den BND verhängt, um die Einsicht zu erzwingen? Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes (VwVG) könnte er dies tun: Dieser besagt:
„Kann eine Handlung durch einen anderen nicht vorgenommen werden und hängt sie nur vom Willen des Pflichtigen ab, so kann der Pflichtige zur Vornahme der Handlung durch ein Zwangsgeld angehalten werden.“
Die Antwort folgt auf dem Fuße in § 17 VwVG:
„Gegen Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts sind Zwangsmittel unzulässig, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.“
Das wird – böse Zungen mögen sagen lebens- und praxisfremd – damit begründet, dass es widersinnig und mit dem Ansehen der Behörden nicht vereinbar erscheine, wenn Behörden gegeneinander vollstreckten.
Liest man das Pendant in § 168 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) scheint die Begründung zu § 17 VwVG auch wenig tragfähig, wenn es Verwaltungsgerichten als behördenähnlichen Akteuren erlaubt ist, ihre Urteile gegen Behörden durchsetzen zu lassen.
So heißt es auch in der Bundestagsdrucksache zu § 168 VwGO:
„Der hiergegen erhobene Einwand, daß (sic) eine solche Vorschrift das Ansehen der Verwaltung schädige (…), greift nicht durch. Geschädigt wird das Ansehen (…) nur, wenn die Zwangsstrafe (.) verhängt werden muß (sic) (…). Die Befolgung gerichtlicher Urteile (…) müßte (sic) freilich (…) eine Selbstverständlichkeit sein; doch hat (.) die Nachkriegserfahrung gelehrt, daß (sic) es (…) auch Behörden gegenüber nicht ohne Zwang geht.“
Die Klage gegen den BND – ein nerviges Erbe!
Eine gerichtliche Klärung wird Herr Prof. Dr. Kelber als scheidender BfDI aber wohl nicht mehr erreichen. Zu langsam mahlen die Mühlen der Verwaltungsgerichte hierfür. Eher wird es seiner Nachfolgerin Frau Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider zufallen, den Streit auszufechten. Wie das Urteil ausgeht, wird sich zeigen, nur wird die Öffentlichkeit von seinem Inhalt als Verschlusssache allenfalls mittelbar aus dem nächsten Bericht des BfDI erfahren. Zumindest aber könnte der Fall die Frage neu aufwerfen, ob der BfDI ein selbständig durchsetzbares Anordnungsrecht gegenüber dem BND zustehen soll.
Man stelle sich vor im Zeitalter bevor es Messenger und Internet gab, hätte jemand ein Gesetzesentwurf vorgelegt, dass ab sofort jede Postsendung anlasslos geöffnet wird. Ich könnte mir vorstellen dass derjenige nicht mehr lange in Amt und Würden gewesen wäre.