Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat gestern ein möglicherweise wegweisendes Urteil gegen die Pressefreiheit und den Auskunftsanspruch der Öffentlichkeit gegen Behörden getroffen – und eine Klage eines Journalisten gegen den Bundesnachrichtendienst (BND) auf Auskunft zu dessen Nazi-Vergangenheit abgewiesen.
Konkret ging es darum, dass ein Journalist Auskunft vom BND haben wollte wie viele hauptamtliche sowie inoffizielle Mitarbeiter der Bundesnachrichtendienst bzw. sein Vorläufer, die Organisation Gehlen, in bestimmten Jahren zwischen 1950 und 1980 hatte und wie viele davon Mitglied der NSDAP, der SS, der Gestapo oder der Abteilung „Fremde Heere Ost“ waren.
Der Inhalt im Überblick
Hintergrund
Der Bundesnachrichtendienst ging hervor aus der „Gruppe Gehlen„, einer informellen Geheimdienstorganisation im amerikanischen Sektor nach dem 2. Weltkrieg. Dessen Gründer und langjähriger Präsident des BND Reinhard Gehlen, war als Chef der „Fremde Heere Ost“ zentral am Krieg der Wehrmacht im Osten und der dortigen Verbrechen beteiligt.
Gehlen erkannte früh die drohende deutsche Niederlage und diente sich nach Kriegsende bei der beginnenden Blockkonfrontation den USA mit seinem Geheimdienstwissen über die UdSSR an. Diese erste Geheimdienstorganisation, die „Gruppe Gehlen“, war zunächst auf die amerikanische Besatzungszone beschränkt und ging später, Mitte der 50er Jahre, mit Gründung der Bundeswehr in den Bundesnachrichtendienst auf.
Kennzeichnend für beide Dienste war, dass sich Gehlen vieler seiner langjährigen Weggefährten aus dem Geheimdienst aus der NS-Zeit bediente. Über deren Verwicklung in aktive NS-Verbrechen und -Mitgliedschaften in NSdAP, SS und Gestapo gab und gibt es seit Jahren zahlreiche Spekulationen und nicht-offizielle Untersuchungen und Schätzungen.
Mit dem Auskunftsantrag verlangte der Journalist, gestützt auf § 4 Berliner Pressegesetz und den dort verankerten Informationsanspruch der Presse gegen Behörden, konkrete Auskunft über diese Verstrickungen.
Urteil
Das Bundesverwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Auskunft im konkreten Fall ab. Zwar bestehe grundsätzlich ein Auskunftsanspruch auch gegen Bundesbehörden. Dieser Anspruch beziehe sich aber nur auf tatsächlich vorhandene Informationen und gehe nicht soweit, dass man von der Behörde verlangen könne, die gewünschten Informationen erst zu beschaffen.
Denn, so dasBVerwG,
der Auskunftsanspruch bezieht sich nur auf Informationen, die bei der auskunftspflichtigen Behörde aktuell vorhanden sind. Das Auskunftsrecht führt nicht zu einer Informationsbeschaffungspflicht der Behörde. Bezogen auf den Anteil früherer Beschäftigter mit NS-Vergangenheit stehen dem Bundesnachrichtendienst gegenwärtig keine auskunftsfähigen Informationen zur Verfügung.
Bewertung
Im vorliegenden Fall mag das Ergebnis nachvollziehbar scheinen. Denn, so liest sich das Urteil des BVerwG, da der BND selbst eine Historikerkommission zur Rolle der mit der Beantwortung der Fragen beauftragt hat, scheint es am tatsächlichen Interesse des Klägers zu fehlen, der Kläger möge doch das Ergebnis der Prüfungskommission abwarten.
Allerdings hat diese Rechtsprechung, angewandt auf andere Fälle, die Konsequenz, dass die Behörde vollkommen selbst bestimmen kann, welche Informationen sie liefert oder nicht. Vorliegend mag zwar eine wissenschaftliche arbeitende Historikerkommission eingesetzt sein. Was aber, wenn sich der BND weigern würde eine solche Kommission einzusetzen, so wie er sich 60 Jahre geweigert hat, die Nazi-Vergangenheit viele seiner führenden Kader offiziell aufzuarbeiten.
Und schlimmer, was wenn der BND, wie offensichtlich geschehen, aktiv Akten vernichtet, um eine Aufarbeitung zu torpedieren? So berichtet der Spiegel davon, dass 2007 rund 250 Personalakten vernichtet worden seien, darunter auch Akten von Personen, die während der NS-Zeit „in signifikanten geheimdienstlichen Positionen, in der SS, dem SD oder der Gestapo tätig gewesen sind“; gegen einige sei sogar nach 1945 wegen NS-Verbrechen ermittelt worden.
Zudem ist diese Kommission, das Bemühen um wissenschaftlichen Objektivität vorausgesetzt, selbst vollkommen abhängig von den Informationen, die ihm der BND liefert. Denn der BND hält sich ausdrücklich vor, bestimmte Informationen vorzuenthalten bzw. bei bestimmten Informationen gegen eine Veröffentlichung sein Veto einzulegen. Er kann, in letzter Konsequenz, also weiterhin, Art und Weise der Veröffentlichung selbst bestimmen.
Zudem ist die Argumentation schlicht nicht nachvollziehbar, der BND müsse sich die Information erst beschaffen. Denn die NS-Verwicklung des BND und der Gruppe Gehlen ist dem BND selbst seit jeher bekannt und es gab zahlreiche Untersuchungen zu dem Komplex, sowohl ausländischer Dienste (CIA; MfS) als auch von anderen Historikern.
Das BVerfwG honoriert nun die jahrzehntelange Untätigkeit des BND zur öffentlichen Aufarbeitung indem es schlicht behauptet, die Informationen lägen beim BND selbst nicht vor – diese müssten erst ermittelt werden, daher könne der BND auch keine Auskunft geben.
Fazit
Es ist zu begrüßen, dass das BVerwG überhaupt einen Informationsanspruch auch gegen Bundesbehörden bejaht.
Allerdings ist das Ergebnis enttäuschend. Denn in letzter Konsequenz darf der BND weiterhin seine braune Vergangenheit bemänteln und selbst bestimmen, ob und welche Informationen aufgearbeitet und herausgegeben werden, ist 60 Jahre nach Gründung des BND nicht mehr nachvollziehbar.
Informationsfreiheit sieht anders aus!
Sehr geeehrte Kolleginnen und Kollegen, ich verstehe Iin diesem Newsletter ihre Argumentation und das
Ergebnis, zu dem Sie kommen, nicht. Hier geht es um die Neugier eines Journalisten, man kann vermuten, um
irgendetwas zu skandalisieren, denn im Groben ist der Sachverhalt ja
bekannt. Diese Neugier trifft auf den Datenschutzanspruch von
Bundesbeamten. Die um Auskunft beklagte Behörde steht dazwischen. Wir als Datenschützer sollten uns aber konsequent an den
Datenschutzregeln entlag bewegen. Da fällt mir zuerst ein: Es geht um
personenbezogene Daten und da greift das Abwehrrecht des Einzelnen.
Der Staat ist zur Fürsorge wie zur Durchsetzung des Datenschutzes
verpflichtet. Wir sollten uns aber nicht populistischen Stimmungen
(Aufklärung) hingeben. Es greift auch nicht das Diktum von Alfred
Einwag „Datenschutz darf nicht zum Täterschutz werden!“ Denn es
behauptet ja keiner, die Verwicklungen und ggf. Verbrechen hätten
sich während der Dienstzeit im BND zugetragen. Ich möchte in meinem Bereich nicht den Arbeitnehmern oder dem Betriebsrat mitteilen: I ch kümmere mich zwar um den Schutz Eurer Daten, außer wenn ein Journalist zu Eurem Vorleben etwas wissen möchte.
Freundlich S.Wolf