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Der Auskunftsanspruch – praktische Tipps aus Liechtenstein

Der Auskunftsanspruch – praktische Tipps aus Liechtenstein

Die Reichweite des Auskunftsanspruchs ist nach wie vor ein umstrittenes Thema. In Deutschland wurde bereits von verschiedenen Gerichten uneinheitlich entschieden. Die Datenschutzstelle Fürstentum Liechtenstein geht pragmatisch an die Frage heran und gibt „ihren“ Unternehmen praxistaugliche Tipps im aktuellen Tätigkeitsbericht. Grund genug, einmal einen Blick darauf zu werfen.

Lage in Deutschland

Die Lage in Deutschland ist nicht leicht zu durchschauen. Wie bereits kurz angedeutet, sind zur Reichweite des Auskunftsanspruchs bereits mehrere Urteile ergangen. Die Chance, dadurch etwas Licht ins Dunkel zu bringen, wurde aber leider verpasst. Im Gegenteil – was der Auskunftsanspruch umfasst und was nicht, ist fraglicher denn je.

Auskunft mit Einschränkungen

Das LG Köln sah durchaus Grund zur Beschränkung und sprach sich dafür aus, dass sich der Anspruch nicht auf

„sämtliche internen Vorgänge der Beklagten, wie z.B. Vermerke, oder darauf, dass die betreffende Person sämtlichen gewechselten Schriftverkehr, der dem Betroffenen bereits bekannt ist, erneut ausgedruckt und übersendet erhalten kann (…)“

beziehen könne (Urteil v. 18. März 2019 – 26 O 25/18). Auch rechtliche Bewertungen oder Analysen des Verantwortlichen stellen nach Ansicht des LG Köln keine Daten dar, die beauskunftet werden müssen.

In einer weiteren Entscheidung stellte wiederum das LG Köln klar, dass Art. 15 DSGVO nicht der „vereinfachten Buchführung“ des Betroffenen diene (Urteil v. 19. Juni 2019 – 26 S 13/18). Dieser Auffassung schloss sich auch das AG München mit Urteil vom 4. September 2019 an (155 C 1510/18).

Auch dieses Jahr erging bereits ein einschränkendes Urteil. Das Landgericht Heidelberg lehnt den Auskunftsanspruch eines Arbeitnehmers insoweit ab, als sich seine personenbezogenen Daten lediglich in Backup-Dateien seines E-Mail-Kontos befinden. Die Wiederherstellung solcher Daten stelle für den Verantwortlichen im Einzelfall einen unverhältnismäßigen Aufwand dar (Urteil v. 06.02.2020 – 4 O 6/19).

Der Auskunftsanspruch – ein umfassendes Recht

Dagegen sprach sich das OLG Köln im Juli 2019 für eine weite Auslegung des Umfangs des Auskunftsrechts aus (Urteil v. 26. Juli 20019 – 20 U 75/18, nicht rechtskräftig – Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH, Az. IV ZR 213/19).

Der Kläger begehrte Auskunft über alle im System der Beklagten erfassten Daten, insbesondere auch Gesprächsnotizen und Telefonvermerke.

In diesem Fall gab das OLG Köln dem Kläger recht. Eine Begrenzung auf die Stammdaten sei unvereinbar mit dem weit gefassten Datenbegriff der DSGVO. Aussagen des Klägers bzw. Aussagen über den Kläger in Gesprächsnotizen und Telefonvermerken stellten dabei ohne Weiteres personenbezogene Daten dar, über die Auskunft erteilt werden müsse.

Auch das Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg ging in seinem Urteil vom 20. Dezember 2018 (17 Sa 11/18) den Weg der weiten Auslegung. Das Gericht hatte entschieden, dass dem Betroffenen nicht nur die Kategorien von Empfängern offengelegt werden müssten, sondern konkret jeder einzelne Empfänger. Gerade in solchen Beziehungen zwischen Betroffenen und Unternehmen, die über längere Zeit bestehen, ist eine Auskunftserteilung in dieser Tiefe jedoch oftmals nicht zu realisieren.

Bußgelder lassen grüßen

Dass die Missachtung von Betroffenenrechten regelmäßig zu Bußgeldern führt, macht die Sache nicht einfacher. Die Nichtbearbeitung von Auskunftsanfragen war unter anderem Grund für das Rekordbußgeld gegen die Delivery Hero SE mit Sitz in Berlin.

Tipps aus Liechtenstein

Die uneinheitliche Rechtsprechung macht nicht nur deutschen Unternehmen zu schaffen. Auch Unternehmen anderer Länder, die dem Anwendungsbereich der DSGVO unterfallen, lassen sich durch deutsche Urteile verunsichern. Dies führte unter anderem zu einem erhöhten Beratungsaufwand in diesem Bereich bei der Datenschutzstelle Fürstentum Liechtenstein.

Die Datenschutzstelle spricht sich nun gegen eine extensive Auslegung des Auskunftsrechts aus. Folgende Grundsätze stellt sie auf:

  • Auskünfte dienen der Ermöglichung der Wahrnehmung weiterer Betroffenenrechte
  • Bei einer begrenzten Anzahl von Empfängern sind diese namentlich zu benennen, bei einer großen Anzahl genügt die Auflistung von Kategorien (bspw. Fluggesellschaften, Hotels, usw.)
  • Kopie umfasst nicht die Herausgabe einer Fotokopie sämtlicher Schriftstücke, Kopie bedeutet vielmehr „geordnete Darstellung der personenbezogenen Daten“
  • es sind nur jene Kopien herauszugeben, die notwendig sind, damit die betroffene Person die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ihrer Daten überprüfen und gegebenenfalls ihre Rechte wahrnehmen kann

„Folglich müssen unternehmensinterne Gesprächsnotizen oder Sitzungsprotokolle, rechtliche oder andere spezifische Beurteilungen eines Sachverhalts in Bezug auf die betroffene Person, Telefonnotizen, Vertragsentwürfe (im Überarbeitungsmodus), sämtlicher E-Mailverkehr mit der betroffenen Person bzw. mit Dritten in Bezug und unter Erwähnung (einzelner) personenbezogener Daten der betroffenen Person nicht in Form einer (Foto-) Kopie herausgegeben werden.“

Hilft uns das weiter?

Vielleicht fragen Sie sich, was das nun deutschen Unternehmen bringt und – Liechtenstein – ist das überhaupt EU?

Die Datenschutz-Grundverordnung gilt über die Grenzen der EU hinaus. Das sagt bereits Artikel 3 der DSGVO, der dem räumlichen Anwendungsbereich definiert. Und seit dem 20. Juli 2018 gilt die DSGVO darüber hinaus auch in den EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein. Die DSGVO ist europäisches Recht und auch, wenn hierzulande letztendlich deutsche Gerichte entscheiden, macht ein Blick in andere Länder gerade bei umstrittenen Themen durchaus Sinn.

Es ist zu hoffen, dass der Ansatz der Datenschutzstelle Fürstentum Liechtenstein in Zukunft viele Unterstützer finden wird und der Auskunftsanspruch nicht zu einem Mittel verkommt, das verärgerte Betroffene nur nutzen, um Unternehmen zu belasten. Schon jetzt mausert sich der Auskunftsanspruch zum prozesstaktischen Mittel.

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