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LAG Berlin: Auskunftsanspruch bei datenschutzfremder Motivation

LAG Berlin: Auskunftsanspruch bei datenschutzfremder Motivation

Im vorliegenden Fall stritt ein langjähriger Mitarbeiter eines Lebensmittelkonzerns vor dem LAG Berlin über seinen Auskunftsanspruch gemäß Artikel 15 DSGVO und Schadensersatz. Es ging um Mobbingvorwürfe, die der Mitarbeiter entkräften bzw. beweisen wollte und forderte daher eine ungeschwärzte Kopie von Interviews mit anderen Mitarbeitern seines Teams. Bisher wurde vertreten, dass Auskunftsansprüche ohne Datenschutzmotivation zurückgewiesen werden können. Das LAG Berlin widersprach dieser Ansicht und betonte, dass Artikel 15 DSGVO keine bestimmte Motivation voraussetzt.

Was war passiert?

In dem vorliegenden Fall stritten der Kläger, ein langjähriger Mitarbeiter eines US-amerikanischen Lebensmittelkonzern, mit seinem Arbeitgeber über seinen Auskunftsanspruch gemäß Artikel 15 DSGVO sowie über Schadensersatz vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin (Urteil vom 30.03.2023 – 5 Sa 1046/22). Auslöser des Konflikts war eine Beschwerde einer Mitarbeiterin aus dem Team des Klägers, die Mobbingvorwürfe gegen ihn erhob. Es folgten erfolglose Schlichtungs- und Mediationsversuche. Der Arbeitgeber führte Interviews mit dem Team durch, zum Führungsstil des Klägers und erteilte ihm eine teilweise negative Leistungsbewertung. Der Kläger verlangte Auskunft über seine Daten und Kopien der Gesprächsprotokolle. Schließlich wurden ihm die Informationen im Mai 2022 zur Verfügung gestellt. Die Kopien beinhalteten auch die geschwärzten Gesprächsprotokolle der von der Beklagten geführten Interviews. Der Kläger erhob Klage wegen unvollständiger Erteilung der Auskunft.

Die bisherige Rechtsprechung

Nach bisheriger Rechtsprechung wurde regelmäßig vertreten, dass Anträge auf Auskunft und Erteilung einer Datenkopie nicht auf Art. 15 DSGVO gestützt werden können, wenn sie nicht dem in Erwägungsgrund 63 S. 1 genannten Zweck dienen, nämlich sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen, sondern vorwiegend andere als datenschutzrechtliche Belange zugrunde liegen. Die Begehren können dann als rechtsmissbräuchlich angesehen und gemäß Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO als offenkundig unbegründet oder exzessiv abgelehnt werden. So entschied dies etwa kürzlich das OLG Hamm in Bezug auf die Überprüfung von Prämienanpassungen (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 03.05.2023, Az. 20 U 146/22).

Der BGH hat dem EuGH diese Frage zur Klärung vorgelegt, ob die Verfolgung anderer, datenschutzfremder, aber legitimer Zwecke (in diesem Fall die Prüfung des Bestehens arzthaftungsrechtlicher Ansprüche) zur Rechtfertigung der Verweigerung des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO berechtigt.

Was wurde entschieden?

Laut dem LAG Berlin ist der bisherigen Ansicht nicht zu folgen. Dies wird damit begründet, dass der Wortlaut des Art. 15 DSGVO den Auskunftsanspruch nicht von einer entsprechenden Motivation des Betroffenen abhängig mache und verlange sein Begehren auf Auskunftserteilung zu begründen. Dies deute darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber es dem Betroffenen überlassen habe, aus welchen Gründen er Auskunft verlange.

„Artikel 15 DSGVO macht seinem Wortlaut nach das Bestehen der dort geregelten Rechte und Pflichten nicht von einer dem oben genannten Schutzzweck entsprechenden Motivation des Betroffenen abhängig und verlangt von dem Betroffenen nicht, sein Begehren auf Erteilung von Auskunft und Kopie zu begründen. Dies deutet darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber es grundsätzlich dem freien Willen des Betroffenen überlassen wollte, ob und aus welchen Gründen er seine Rechte aus Artikel 15 DSGVO einfordert.“

Hierfür spreche auch, dass sich der Betroffene auch dann der jeweiligen Datenverarbeitungen bewusste werden und die Rechtmäßigkeit überprüfen könne, wenn er die Auskunft zu einem anderen Zweck verlange. Der Zweck der Vorschrift könne damit unabhängig von der Motivation des Betroffenen erreicht werden.

Argumentation des Gerichts

Die Argumentation des LAG Berlin kann durchaus überzeugen, weil sie darauf hinweist, dass nach dem Wortlaut des Art. 15 DSGVO kein spezifischer Zweck oder eine bestimmte Motivation für das Ausüben des Auskunftsanspruchs vorausgesetzt wird. Art. 15 DSGVO gewährt jedem Betroffenen das Recht, Auskunft über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zu erhalten, unabhängig von seinen Beweggründen. Der Unionsgeber hat diesen Punkt offengelassen. Auch der Erwägungsgrund 63 S. 1 könnte dem nicht entgegenstehen. Das Bewusstwerden bezüglich der Datenverarbeitung und die Überprüfung der Rechtmäßigkeit, ist auch möglich, wenn daneben noch andere Zwecke verfolgt werden. Zudem kann es in der Praxis schwer sein, eine einzelne Motivation hinter dem Auskunftsbegehren genau zu ermitteln.

Hiergegen kann jedoch eingewendet werden, dass es nur auf den Schutzzweck der DSGVO und des Art. 15 DSGVO ankommt, den Schutz personenbezogener Daten und eine entsprechende Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung, so dass, wenn der Betroffene offensichtlich andere Zwecke verfolgt, gerade ein rechtsmissbräuchlicher Antrag im Sinne des Art. 12 Abs. 5 DSGVO vorliegt.

Vorlagefrage des BGH

Die Entscheidung des EuGH zur Vorlagefrage des BGH ist von besonderem Interesse, da sie eine höchstrichterliche Klarstellung bringt und somit wegweisend für die Auslegung des Art. 15 DSGVO sein kann. Die Frage, ob Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO nur bei einer spezifischen Datenschutzmotivation des Betroffenen geltend gemacht werden können, oder ob diese Ansprüche unabhängig von der individuellen Motivation gewährt werden sollen, könnte einen bedeutenden Einfluss auf die Praxis haben. Eine klare und einheitliche höchstrichterliche Entscheidung würde Rechtssicherheit schaffen und die Anwendung des Auskunftsrechts transparenter gestalten. Daher kann mit Spannung erwartet werden, wie der EuGH in dieser wichtigen Rechtsfrage entscheiden wird.

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  • Urteil vom 26.10.2023 C-307/22 EuGH. Mit diesem Urteil sind wohl alle vorhergehenden Urteile zu angeblichem Rechtsmissbrauch erledigt. So auch OLG Nürnberg 4 U 347/21 vom 29.11.2023. Eine besondere Klatsche für das BAG mit Urteil vom 16.12.2021 2 AZR 235/21 / 2 AZR 342/20 vom 27.04.2021.

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