Eigentlich sollte zum 1. Januar 2021 die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) eingeführt werden. Warum dies nicht wie geplant geklappt hat und welche Änderungen sich hieraus ergeben, beleuchtet dieser Artikel.
Der Inhalt im Überblick
Die (elektronische) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Sobald ein Arbeitnehmer erkrankt und infolge dessen nicht mehr seine gegenüber dem Arbeitgeber geschuldete Arbeitsleistung erbringen kann, entfällt hierdurch nicht automatisch sein Anspruch auf Lohnfortzahlung. Sein Anspruch auf die sog. „Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall“ ist in § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntFG) geregelt. Hiernach gilt:
„Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.“
Dass der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, seine geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, lässt er sich mittels der sog. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) von dem behandelnden Arzt attestieren. Er ist in der Pflicht ab dem dritten Tag seiner Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber die AU (bisher in Papierform) vorzulegen. Arbeitsverträge können hiervon abweichende Regelungen treffen. Im Fall einer längeren Erkrankung hat der Arbeitnehmer nach diesen sechs Wochen einen Anspruch auf Krankengeld durch seine Krankenkasse. Der Arbeitgeber erhielt die AU daher in dreifacher Ausführung: Eine für sich, eine für den Arbeitgeber und eine für seine Krankenkasse.
Zu straffer Zeitplan
Der Gesetzgeber fand dieses Prozedere nicht mehr zeitgemäß und beschloss mit dem am 01.Januar 2020 in Kraft getretenen dritten Gesetz zur Bürokratieentlastung die Digitalisierung des Vorgangs. Wir berichteten in der Vergangenheit über die geplanten Änderungen. Ursprünglich war vorgesehen, dass vom 01. Januar 2021 an die eAU zunächst vom Arzt an die Krankenkassen gesendet werden. Von Januar 2022 an sollten die Krankenkassen die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitgeber zur Verfügung stellen.
Noch in 2020 zeichnete sich ab, dass die Einführung der eAU alle Beteiligten vor große Herausforderungen stelle und eine flächendeckende Einführung zu Beginn 2021 nicht realistisch war.
Corona-bedingte Verzögerungen
Bei den Planungen hatte niemand die weltweite Pandemie auf dem Schirm, die seit Anfang 2020 die Welt fest im Griff hat.
In Absprache zwischen Bundesgesundheitsministerium, dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) wurde eine Verschiebung des Vorhabens vereinbart. Letztere teilte mit, dass die für das elektronische Verfahren notwendige Technik nicht rechtzeitig flächendeckend für alle Praxen und Krankenkassen verfügbar sei und beide Seiten durch die Corona-Pandemie stark belastet wären. Damit verschiebt sich die Einführung des eAU zum Teil um bis zu 1,5 Jahre. Nunmehr gilt folgendes:
- Ab dem 01. Oktober 2021 müssen Ärzte die eAU an Krankenkassen übermitteln. Druckt der Arzt eine AU noch vor Ort für den Arbeitnehmer aus, versendet das eingesetzte EDV-System die AU über ein internes E-Mail-Programm des Kommunikationsdienstes für Medizin an die richtige Krankenkasse des Arbeitnehmers. Die elektronische Signierung der eAU, daher die „elektronische Unterschrift“ durch den Arzt, soll durch eine qualifizierte elektronische Signatur erfolgen. Bis zum 01.Juli 2022 ist in jedem Fall ein Ausdruck der AU vorzunehmen, denn der Arbeitnehmer muss diese bis dahin – wie gehabt – noch dem Arbeitgeber vorlegen.
- Erst ab dem 01.Juli 2022 sollen die Krankenkassen die eAU für Arbeitgeber zum Abruf erstellen. Ab diesem Zeitpunkt müssen Ärzte den verbliebenen Papier-Ausdruck nur noch unterschreiben, wenn der Patient dies ausdrücklich wünscht.
Weitere Einzelheiten, beispielsweise wie zu verfahren ist, wenn ein EDV-System nicht zur Hand ist, z.B. bei Hausbesuchen durch den Hausarzt, finden sich in den Praxishinweisen des KBV.
Ab Eingang der eAU beim Arbeitgeber gelten dann die schon bekannten Grundsätze zur Datenverarbeitung von (Gesundheits-)Daten im Beschäftigungsverhältnis.
Ende des verräterischen Arztstempels
Durch das Prozedere dürfte sich auch spätestens ab dem 01.Juli 2022 die Problematik mit dem „verräterischen Arztstempel“ entschärfen, der geeignet ist, dem Arbeitgeber die Facharztbezeichnung offenzulegen und damit weitgehende Schlüsse zur Erkrankung des Arbeitnehmers zu ermöglichen. Diesen dürfte der Arbeitgeber künftig nicht mehr zu Gesicht kriegen, denn der ab dem 01. Januar 2022 in Kraft tretende § 109 SGB IV n.F. sieht vor, dass die Krankenkasse nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen hat, die insbesondere die folgenden Daten enthält:
- den Namen des Beschäftigten,
- den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit,
- das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und
- die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung.
Zukünftig keine verspäteten AU-Bescheinigungen mehr
Auch dürfte die Digitalisierung die Problematik verspätet eingereichter AU-Bescheinigungen entschärfen, die immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten um Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sind, wie zuletzt etwa in einem vom LAG Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall aus dem Sommer 2019.