Es mag wie eine Horrorvorstellung klingen, für so manchen Bad Boy da draußen ist es aber durchaus schon Realität geworden: Beim Öffnen der Zeitung blickt einem das eigene, zur Fahndung ausgeschriebene Gesicht entgegen. Doch selbst wenn Sie hiervon bisher verschont geblieben sind, heißt das nicht, dass es nicht jederzeit so weit sein kann! Grund genug, zu klären, unter welchen Voraussetzungen Fahndungsfotos überhaupt veröffentlicht werden dürfen und welche Risiken sich aus datenschutzrechtlicher Sicht daraus ergeben.
Der Inhalt im Überblick
Cluedo mal anders
Spielen Sie gerne Detektiv? Wer schon im Kindesalter bei Cluedo gerne nach dem Täter suchte, der dürfte spätestens als Erwachsener auf die Realität gestoßen sein: Die klassische Zeugenbefragung, wer Frau oder Herr XY in der Küche mit der Rohrzange erschlagen hat, verursacht zwar wilde Spekulationen, führt aber häufig nicht zum gewünschten Ermittlungserfolg. Um Verdächtige aufzufinden bedarf es oftmals mehr oder weniger detailreicher Fahndungsfotos.
Auch wenn dieser Begriff häufig mit den allseits bekannten „Wanted“-Fahndungsplakaten assoziiert wird, hält ein Hauch Wilder Westen auch heute noch Einzug in die Klatschblätter, Fernsehshows und Behörden dieser Welt. Tagtäglich sucht die Polizei nach Verdächtigen. Die Methoden mögen sich geändert haben, das Ziel blieb dasselbe.
Wie löst man Kriminalfälle? Häufig reicht ein aufmerksames Auge. Vielleicht ist der Gesuchte ja Ihr Nachbar oder Briefträger? Fotos, die beispielsweise auf dem Fahndungsportal der Polizei NRW oder bei „Aktenzeichen XY … ungelöst“ veröffentlicht werden, können bei der Identifizierung helfen – und damit möglicherweise zukünftige Straftaten verhindern.
Flucht zwecklos – Voraussetzungen für die Veröffentlichung
Ist der Zweck auch noch so nobel, er rechtfertigt nicht in jedem Fall die verwendeten Mittel. Nur keine Panik! Wie immer gilt: Nach einer Straftat ist Ruhe zu bewahren und die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Sowohl die StPO, als auch das BDSG treffen hierzu eine „Zeugenaussage“.
Zeuge Nr. 1: die StPO
Die Voraussetzungen für eine Veröffentlichung von Abbildungen des Beschuldigten oder Zeugen finden sich (zumindest größtenteils) in §§ 131 b, 131c und 131 Abs. 4 StPO:
- Es besteht ein Tatverdacht hinsichtlich einer Straftat von erheblicher Bedeutung.
- Die Aufklärung der Straftat oder die Feststellung der Identität eines unbekannten Täters muss auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert sein.
- Bei Zeugen muss die Fahndung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert sein.
- Es bedarf einer Abwägung mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen.
- Der Beschuldigte ist möglichst genau zu bezeichnen und eventuell zu beschreiben.
- Die Tat, derer er verdächtig ist, Tatort, Tatzeit und bedeutende Tatumstände können angegeben werden.
- Es muss klar erkennbar sein, ob die Person als Verdächtiger oder als Zeuge gesucht wird.
- Die Öffentlichkeitsfahndung mit Foto hat ein Richter anzuordnen.
- Lediglich bei Gefahr im Verzug erfolgt die Anordnung durch die Staatsanwaltschaft oder deren Ermittlungspersonen.
Wann liegt eine Straftat von erheblicher Bedeutung vor? Dies orientiert sich am Straftatenkatalog des § 98a Abs. 1 StPO. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht (Az. 2 BvR 581/01) festgestellt:
„Eine solche Straftat muss mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen sein, den Rechtsfrieden empfindlich stören und dazu geeignet sein, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen.“
Zeuge Nr. 2: das BDSG
Auch dem Datenschutzrecht lässt sich eine Aussage entlocken. Aufgrund der Richtlinie (EU) 2016/680 ist die DSGVO nicht anwendbar, weil die Weitergabe bzw. Veröffentlichung der Fahndungsfotos durch Ermittlungsbehörden erfolgt, § 45 S. 1 BDSG.
Die Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung in Form der Veröffentlichung ergibt sich in diesem Fall weder aus Art. 6 DSGVO, noch aus den §§ 45 ff. BDSG. Die vorliegende Datenverarbeitung wird vielmehr auf §§ 131b, 131c und 131 Abs. 4 StPO gestützt!
Die Veröffentlichung der Fahndungsfotos muss rechtmäßig (§ 47 Nr. 1 BDSG) und zweckgebunden (§ 47 Nr. 2 BDSG) erfolgen. Sollten Fahndungsfotos von Seiten der Behörden spaßeshalber verbreitet werden, weil Bonnie und Clyde darauf einfach nur blöd gucken, so bliebe hier nur zu sagen: Hände hoch, hier spricht der Datenschutz!
Das Opfer – der Datenschutz
Die Veröffentlichung von Fahndungsfotos mag als alltäglich gelten, das macht diese Tatwaffe aber auch so tückisch: Sie ist eben nicht so leicht zu erkennen wie das Messer in der Brust. Dem Datenschutz kann aber dennoch Stück für Stück die Luft abgeschnürt werden, wenn die genannten Voraussetzungen ignoriert werden.
Stellen Sie sich vor, Ihr Foto würde im Fernsehen ausgestrahlt oder in Zeitschriften abgedruckt – Sie wären aber unschuldig. Na, fühlen Sie sich unwohl? Die Konsequenzen wären fatal, der Pranger lässt grüßen. Die Reaktion darauf unterscheidet sich nur unwesentlich vom Mittelalter: Damals warf man faules Gemüse, heute sind es skeptische Blicke. Selbstjustiz droht.
Was mit den Fotos nach der Veröffentlichung geschieht, vermag niemand abzuschätzen. Einmal im Internet, immer im Internet. Während die Polizei bei Veröffentlichung noch Gutes tun will, nutzt der nächstbeste Troll das Foto, um Schabernack zu treiben. Dies ist auch der Grund, warum eine Fahndung über Facebook so kritisch betrachtet werden muss.
True Crime
Das wahre Leben schreibt die besten Krimis. So unterlief der Essener Polizei erst vor kurzem der peinliche Fehler, nach einem völlig Unschuldigen zu fahnden. Das Fahndungsfoto wurde daraufhin gelöscht, auch die Medien wurden gebeten, dieses zu entfernen. Nach kurzer Internetrecherche ergibt sich ein gruseliges Bild: Derartige Fehler geschehen immer wieder.
Da die Gesichtsdatenbank zur G20-Fahndung laut Urteil des Hamburger Verwaltungsgerichts (Az. 17 K 203/19) nicht gelöscht werden muss, lässt es sich nicht ausschließen, dass auch in diesem Zusammenhang nach Unschuldigen öffentlich gefahndet werden könnte.
Dass True Crime zur Comedy werden kann, zeigen zwei Fälle, in denen Gesuchte nach Veröffentlichung unvorteilhafter Fahndungsfotos eigene Bilder einschickten, die doch bitte zur Fahndung verwendet werden sollten. Den beiden fiel wohl erst zu diesem Zeitpunkt auf: Verbrechen lohnt sich nicht!
Kann man die Bilder, ob echt oder auch „gut gezeichnet“ nicht bei Facebook hochladen und DIE schlagen einem vor, wer das sein könnte?
Für Ermittlungs-Tätigkeiten dürfte das doch sicherlich nicht nur auf die sogenannten „hinzugefügten/geaddeen Freunde(skreise)“ gelten.