Das Filmen von Polizeieinsätzen ist seit langem umstritten. Dahinter steht die teils undurchsichtige Rechtsprechung zur Strafbarkeit von Bild- und Tonaufnahmen. Dieser Beitrag erklärt unter welchen Voraussetzungen solche Aufnahmen erlaubt sind.
Der Inhalt im Überblick
Polizeieinsätze filmen, um mög. Polizeigewalt zu dokumentieren
Laut Statistik gibt es in Deutschland pro Jahr mindestens 2000 mutmaßlich rechtswidrige Übergriffe durch Polizeibeamte, welche von den Staatsanwaltschaften bearbeitet werden. Kürzliche Untersuchungen zur Polizeigewalt in Deutschland an der Ruhruniversität Bochum gehen hingegen von jährlich mindestens 12.000 mutmaßlich rechtswidrigen Übergriffen durch Polizeibeamte aus. Weniger als zwei Prozent der bekannten 2000 Fälle werden vor Gericht verhandelt, weniger als ein Prozent enden mit einem Urteilsspruch. Warum werden nur so wenige Fälle angezeigt und verhandelt?
Zum einen sei die Aufklärungsquote deshalb so gering, weil die Staatsanwaltschaften ihr Verhältnis zur Polizei nicht belasten wollen. Zum anderen brächte ein Großteil der Betroffenen wegen schlechter Erfolgsaussichten oder Sorge vor Repressionen die Fälle gar nicht erst zur Anzeige. Diese Bedenken haben Betroffene zu Recht! Denn die Bewertungen von Gewaltanwendungen im Polizeieinsatz zwischen Polizisten und Betroffenen gehen oft weit auseinander. Schließlich können Situationen polizeilicher Gewaltanwendung laut Forschenden
„als komplexe, häufig unübersichtliche und spannungsgeladene Interaktionsgeschehen beschrieben werden.“
Für die neutrale Beurteilung solcher Interaktionen sind Videoaufnahmen oft essenziell.
Welche Rechte der Polizisten sind beim Filmen einschlägig?
Bildaufnahmen von Polizisten können grundsätzlich nach § 33 Abs.1 Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) strafbar sein. Das reine Anfertigen der Bildaufnahmen ist nicht rechtswidrig. Vielmehr müssen die Bildaufnahmen verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Ebenso kann beim unbefugten Anfertigen von Tonaufnahmen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes eines anderen im Einzelfall eine Strafbarkeit nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) vorliegen.
Das Recht am eigenen Bild der Polizeibeamten
Früher ist die Polizei aufgrund des Rechts am eigenen Bild präventiv und automatisch gegen Personen mittels Identitätsfeststellung vorgegangen, welche offensichtlich Polizisten filmten. Ein Besucher einer angemeldeten Versammlung, dessen Begleiterin den Eindruck erweckte sie filme Polizisten, musste sich ausweisen und reichte gegen diese Identitätsfeststellung Klage ein.
Dieser Fall ging bis zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Das BVerfG kam zu dem Ergebnis, dass eine solche präventive Identitätsprüfung nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte einer unzulässigen Verbreitung der Bildaufnahmen gerechtfertigt sei. Mithin müsse die Polizei in solchen Fällen eine Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung der angefertigten Aufnahme tatsächlich erwarten. Das Gericht betonte, dass Betroffene ansonsten, aufgrund von Furcht vor polizeilichen Maßnahmen, selbst zulässige und berechtigte Aufnahmen nicht anfertigen würden.
Die Vertraulichkeit des nichtöffentlich gesprochenen Wortes
Nachdem das BVerfG der pauschalen, präventiven Identitätsfeststellung von filmenden Versammlungsteilnehmern einen Riegel vorschob, geht die Polizei gehäuft über die Vertraulichkeit ihrer Ansprache gegen Aufnahmen als Verletzung von § 201 StGB vor. Die Strafbarkeit beurteilt sich danach, ob die Worte vertraulich und somit „nichtöffentlich“ gefallen sind. Die Auslegung dieses Merkmals wird in der Rechtsprechung sehr unterschiedlich gewertet.
Nach dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur Strafbarkeit audiovisueller Aufnahmen von Polizeieinsätzen ist ein gesprochenes Wort
„grundsätzlich dann nichtöffentlich, wenn sie nicht für einen größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder nicht durch persönliche oder sachliche Beziehungen verbundenen Personenkreis bestimmt oder unmittelbar verstehbar ist.“
Daneben kann auch eine sog. faktische Öffentlichkeit bestehen, wenn die Aussagen objektiv für einen größeren unbestimmten Personenkreis wahrnehmbar sind (z. B. bei lauten Äußerungen im öffentlichem Raum – wie im öffentlichen Personennahverkehr oder auf größeren Plätzen). Genau das ist der Knackpunkt: Eine Äußerung im Rahmen einer polizeilichen Maßnahme kann sowohl öffentlich als auch nichtöffentlich im Sinne des § 201 Abs. 1 StGB sein.
In der Praxis unterscheiden die Gerichte in diesem Zusammenhang, ob Polizeibeamte Betroffene im Rahmen von Versammlungen bewusst zur Seite nehmen und eine abgeschirmte Gesprächssituation erzeugen wollten. Sodann sollen Tonaufnahmen strafbar sein. In der Realität ergibt ein Zur-Seite-Nehmen nicht zwingend eine neue abgeschirmte Situation. Was die Rechtslage angeht, bleibt bei Betroffenen und der Polizei viel Unsicherheit. Eine Zusammenfassung der in diesem Zusammenhang bisher ergangenen Entscheidungen der Oberlandesgerichte finden Sie hier.
Polizei filmen: Bewertung der Zulässigkeit nach der DSGVO?
Aufgrund der schwierigen strafrechtlichen Beurteilung von Bild- und Tonaufnahmen nach dem Merkmal der faktischen Öffentlichkeit schlagen Dr. Christoph Schnabel und Markus Wünschelbaum vor, besser auf eine Interessenabwägung im Sinne der DSGVO beim Merkmal Unbefugtheit abzustellen. Strafbar sind gemäß § 201 StGB ausschließlich „unbefugte“ Anfertigungen des vertraulichen Wortes. Das Datenschutzrecht kann die Frage nachvollziehbarer klären, ob eine Aufnahme zur Wahrung berechtigter Interessen des Betroffenen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erforderlich oder eben unbefugt ist. Die Interessenabwägung erfordert einen Abgleich der Interessen des Bürgers (wie z.B. Beweise gegen rechtswidriges Hoheitshandeln sichern) mit den Interessen der Polizisten (wie z.B. Persönlichkeitsrechte). Die Bewertung der Zulässigkeit nach DSGVO hat großes Potenzial Klarheit in die künftige Rechtsprechung zu bringen.
Rechtsklarheit bei Aufnahmen der Polizei dringend notwendig
Das Filmen von komplexen Polizeieinsätzen zur Beweissicherung für ein mögliches späteres Gerichtsverfahren ist unbestritten wichtig. Konflikte gehören bei Streitigkeiten zwischen Bürger und Staatsgewalt zwangsläufig dazu. Aufnahmen von Polizisten bei Routinetätigkeiten wie Streifenfahrten, Pausen und Brötchenholen geschehen in den meisten Fällen unbefugt.
Die strafrechtliche Beurteilung einer Tonaufnahme anhand des Merkmals „nichtöffentlich“ zeigt, wie komplex und schwierig die juristische Bewertung ist. Dass viele Fälle polizeilicher Gewalt in diesem Kontext gar nicht erst zur Anzeige gebracht werden ist verständlich. Die Bewertung der Zulässigkeit von Tonaufnahmen nach dem Merkmal der „Unbefugtheit“ und den Maßstäben der DSGVO könnte allen Beteiligten Rechtssicherheit bieten.
Ich stelle mir eher gerade die Frage, ob unsere Polizei überhaupt noch was darf, ohne selber als der Täter da zu stehen.
Ohne Befugnisse bringt unsere Polizei leider auch keine Sicherheit und der normale Bürger kann auch nicht mehr geschützt werden, da die Polizei nicht mehr in der Lage sein wird, etwas gegen Verbrechen zu unternehmen. Schließlich wird jeder, der in eine Konfrontation mit der Polizei verwickelt wird diesen eine unerlaubte Tat anhängen wollen.
Vielen Dank, dann werden gewaltsame Ausschreitungen, wie wir sie jetzt schon haben noch mehr werden und auch noch schlimmer.
Das ganze Thema ist ohne Frage kontrovers zu betrachten! Am Ende des Tages muss die Rechtsprechung gewährleisten, dass die Polizei ihre (verfassungs)rechtlichen Aufgaben erfüllen und für Sicherheit und Ordnung sorgen – und dabei auch unmittelbaren Zwang anwenden – kann.