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Urteil: Google-Suchergebnisse und das Recht auf Löschung

Urteil: Google-Suchergebnisse und das Recht auf Löschung

Das Recht auf Löschung gilt als eines der schärfsten Schwerter der Betroffenenrechte. Allerdings müssen die Rechte der Betroffenen regelmäßig gegen andere widerstreitende Rechte abgewogen werden. Wie das funktioniert, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Heidelberg (Az.: 6 S 1/22). Dort hatte ein Kläger von Google Löschung von Daten verlangt.

Kläger möchte nicht mehr in Suchergebnissen erscheinen

Der Kläger war Mitglied einer Burschenschaft. In den letzten Jahren wurde durch zahlreiche Presseartikel über rechtsextreme oder antisemitische Handlungen verschiedener Mitglieder der Burschenschaft berichtet. Auf einer Internetseite, die über kein Impressum verfügte, erschien ein Artikel, der über einen Überfall auf ein linkes Zentrum berichtete. In diesem Zusammenhang wurde der Kläger mit seinem vollen Namen genannt. Weiter hieß es in dem Artikel auszugsweise wie folgt:

Der derzeitige Aktivensprecher (Anmerkung: der spätere Kläger) hat sich am Telefon mit „Heil Hitler“ gemeldet und auf anderen Burschenhäusern „rumgehitlert“, was intern für moderaten Stress sorgte. Die Idee eines Ausschlusses wurde aber recht schnell wieder verworfen und eine pragmatische Lösung für das Problem und die klamme Burschenkasse gefunden: Ein Hitlergruß kostet jetzt 50 Euro.

Gab man den Namen des Klägers bei Google ein, erschienen auf den Plätzen 2 und 3 der Ergebnisliste Links zu dem Artikel. Auch bei den Suchergebnissen selbst wurde der volle Name des Klägers genannt sowie der Umstand, dass er sich am Telefon mit „Heil Hitler“ gemeldet hatte. Der Vater des Klägers beantragte über das Google-Support-Formular den Ausschluss des oben genannten Inhalts, doch Google lehnte die Löschung ab. Nachdem die hiergegen gerichtete Klage vom Amtsgericht abgewiesen wurde, ging der Kläger in Berufung.

Google ist nicht gleich Google: Wer ist Verantwortlicher?

Das Landgericht beschäftigte sich zunächst mit einer im Datenschutzrecht äußerst relevanten Frage: Wer genau ist eigentlich der Verantwortliche?

Denn der nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO bestehende Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten richtet sich ausdrücklich gegen den Verantwortlichen, also denjenigen, der über Zweck und Mittel der Datenverarbeitung entscheidet (Art. 4 Nr. 7 DSGVO).

Mit der Klage hatte sich der Kläger an Google Ireland Ltd. gewandt, eine Gesellschaft irischen Rechts, die u.a. die Google-Suchmaschine im Europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz anbietet. In dem Antragsformular, das Google zur Entfernung personenbezogener Daten zur Verfügung stellt, heißt es allerdings, dass Google LLC – eine Gesellschaft mit Sitz in den USA – für die Verarbeitung personenbezogener Daten verantwortlich ist. Auch der Datenschutzerklärung konnte entnommen werden, dass für die Verarbeitung von Informationen im Zusammenhang mit der Google Suche standortunabhängig die Google LLC zuständig ist. Das könnte dafür sprechen, dass Google LLC und eben nicht Google Irelandt Ltd. datenschutzrechtlich verantwortlich ist.

Das Landgericht sah dies jedoch anders. Google LLC und Google Ireland Ltd. sind gemeinsam Verantwortliche gemäß Art. 26 DSGVO. Die gemeinsame Verantwortlichkeit zeichnet aus, dass mindestens zwei Verantwortliche gemeinsam die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung festlegen. Die Google LLC findet, indexiert und speichert Daten und legt eine Rangfolge fest. Google Ireland Ltd. stellt nach den Google-Nutzungsbedingungen die Informationen den Nutzern im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweiz zur Verfügung. Daher ist Google Ireland Ltd. Mitbetreiberin und Mitverantwortliche der Suchmaschine.

Bei zwei oder mehr Verantwortlichen kann sich der Betroffene aussuchen, wem gegenüber er seine Rechte geltend macht (Art. 26 Abs. 3 DSGVO). Der Kläger war also nicht verpflichtet, sich an Google LLC zu wenden, sondern konnte sein Löschbegehren auch an Google Ireland Ltd. richten.

Voraussetzungen von Art. 17 DSGVO nicht erfüllt

Gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO hat der Betroffene zwar in bestimmten Fällen das Recht, die Löschung personenbezogener Daten zu verlangen.

Art. 17 Abs. 1 DSGVO gilt jedoch nicht, wenn die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Kommunikation erforderlich ist (Art. 17 Abs. 3 lit. a DSGVO). Für die Frage, ob die Datenverarbeitung erforderlich ist, erfolgt eine Abwägung der in Art. 7 und Art. 8 der EU-Grundrechtecharte festgelegten Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten auf der einen Seite und des durch Art. 11 der EU-Grundrechtecharte garantierten Grundrechts auf freie Information auf der anderen Seite.

Die Abwägung hängt von vielen Faktoren ab. Berücksichtigt werden muss beispielsweise der Bekanntheitsgrad der betroffenen Person, der Gegenstand der Berichterstattung und das vorangegangene Verhalten der betroffenen Person sowie Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung.

Nachweis der Unrichtigkeit gelingt nicht

Auch die Frage der Richtigkeit der Information muss beachtet werden. Denn das Recht der Internetnutzer auf Information und die Meinungsäußerungsfreiheit des Inhalteanbieters müssen hinter dem Recht des Betroffenen zurücktreten, wenn ein nicht unbedeutender Teil der Information unrichtig ist. Das Recht Informationen zu erhalten und weiterzugeben erstreckt sich nämlich nicht auf in weiten Teilen falsche Informationen. Daraus folgt, dass Google Ireland Ltd. einem Löschungsanspruch stattgeben muss, wenn der Betroffene Nachweise erbringt, die offensichtlich belegen, dass die Informationen in einem bedeutenden Umfang unrichtig sind.

Hier konnte der Kläger nicht nachweisen, dass er sich am Telefon nicht mit „Heil Hitler“ gemeldet hat, so dass Google Ireland Ltd. nicht schon wegen der Unrichtigkeit der Informationen zur Löschung verpflichtet war.

Das Informationsinteresse der Internetnutzer überwiegt

Doch auch wenn ein Nachweis der Unrichtigkeit nicht gelingt, muss eine Abwägung der Grundrechte erfolgen. Dies ist zum Schutz der Privatsphäre erforderlich, denn ein Nachweis der Unrichtigkeit ist häufig nur schwer zu erbringen. In diesen Fällen darf die betroffene Person nicht schutzlos bleiben.

Das Gericht kam bei der Abwägung zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall das Informationsinteresse der Internetnutzer das Recht des Klägers auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten überwiegt. Zwar wird durch die Aussagen, der Kläger habe sich am Telefon mit „Heil Hitler“ gemeldet und auf anderen Burschenhäusern „rumgehitlert“ der Vorwurf erhoben, er habe sich aktiv rechtsradikal verhalten. Darüber hinaus ist zu berücksichtigten, dass der Kläger mangels Greifbarkeit des Inhalteanbieters – der über kein Impressum verfügte – gegen diesen nicht gerichtlich vorgehen kann.

Allerdings besteht ein besonders großes Informationsinteresse, da sich die angegriffene Berichterstattung in eine Debatte von allgemeinem Interesse einfügt. Zahlreiche Presseartikel beschäftigten sich mit rechtsextremen oder antisemitischen Handlungen von Mitgliedern der Burschenschaft der letzten Jahre. Auch Mitglieder des baden-württembergischen Landtags und der baden-württembergische Innenminister meldeten sich zu Wort. Als früheres Mitglied einer im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Burschenschaft muss der Kläger ein höheres Maß an Toleranz gegenüber einer diesbezüglichen Berichterstattung aufbringen.

Nach alldem hatte der Kläger mit seinem Löschbegehren auch vor dem Landgericht keinen Erfolg.

Datenschutz geht nicht immer vor

Die Entscheidung verdeutlicht zunächst, dass es durchaus schwierig sein kann, die Frage der Verantwortlichkeit zu beantworten. Doch aufgrund des weitreichenden Pflichtenprogramms des Verantwortlichen sollte hier genau gearbeitet werden. Der Fall beweist auch: Datenschutz und die damit zusammenhängenden Grundrechte sind nicht durchweg vorrangig. Datenschutz ist vielmehr Teil der Rechtsordnung und muss in ein sachgerechtes Verhältnis zu anderen Rechten und Grundrechten gesetzt werden.

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  • „(…) der Kläger (kann) mangels Greifbarkeit des Inhalteanbieters – der über kein Impressum verfügte – gegen diesen nicht gerichtlich vorgehen“. So einfach ist das also – ich verzichte einfach auf ein Impressum, und schon kann mir keiner was??

    • Komisch. In DE herrscht doch Impressumspflicht. Es sie denn die Webseite / Server sitzt im Ausland, da ist es etwas anders.

  • Naja, nicht ganz. Die hauptsächliche Problematik, glaube ich, liegt anderweitig. In so einer Burschenschaft gibt es unter den Alten Herren (nennt man die so?) doch auch ausgebildete Juristen. Aber scheinbar hat keiner es darauf angelegt, hier entschlossen zur Tat zu schreiten. Ein Schelm, der Böses denkt. Es handelt sich bei der Seite um die Seite der [von der Redaktion entfernt: Wir wollen den beiden Parteien und ihrem Streit hier nicht mehr Aufmerksamkeit als unbedingt nötig schenken. Fokus ist die Entscheidung des Gerichts], die Seite ist noch online und über Google auffindbar. Der zugehörige Server [von der Redaktion entfernt] steht in Hofudborgarsvaedi (Hand hoch, wer das ohne zu Stottern aussprechen kann!), naiv betrachtet wären sie also erst einmal „sicher“ vor unserer hoch geschätzten Rechtsstaatlichkeit. Jedoch unterliegt dank der freundlichen Kooperation unserer isländischen Nachbarn auch ein in Island stehender Server seit 2018 der DSGVO (mit allen Haken und Ösen). Allerdings braucht man die DSGVO gar nicht, höchstens zum Abmahnen wegen „isnix Impressum“. Ungeachtet der DSGVO ist die öffentliche Behauptung, jemand hätte die oben behaupteten Worte gesagt, an und für sich schon eine schwere Straftat (…jedenfalls, wenn’s nicht stimmt, und nachweisen müsste es im Zweifelsfall der, der es behauptet, denn einen Negativbeweis kann der Geschädigte ja offenkundig nicht führen). Das wäre dann der §187 mit besonderer Schwere weil schriftlich erfolgt, und das ist dann schon kein Spaß mehr, dafür gibt’s zumindest theoretisch bis zu 5 Jahre. Praktisch ist Justitia auf dem linken Auge blind, als Antifa ist man also relativ sicher vor Strafe. Im Zweifelsfall war es nur ein Scherz, oder man kann sich halt nicht im Detail daran erinnern. Dann gibt’s am Ende halt Bewährung. Rein praktisch wurde die Straftat ja auch quasi „zur Hälfte“ im Ausland begangen. Geschrieben wurde der Text sicher hier, aber der Server steht in Island. Was nun? Interessant wäre auch die Frage, wer den isländischen Hoster bezahlt hat (Finanzierung von Straftaten über das Ausland? Geldwäsche? Da kann ein findiger Winkeladvokat sicher einen Strick draus drehen…). Nun gibt es in unserem schönen Strafgesetzbuch den §7. Eine Verleumdung (… ist eine Straftat) gegen einen Deutschen mit Tatort in Island (… ist dort mit Strafe bedroht) könnte man also durchaus auch in Deutschland verfolgen lassen, sofern der inhaltlich Verantwortliche Deutscher ist oder Ausländer, der sich in Deutschland aufgehalten hat. Das müsste der Staatsanwalt ermitteln, da alle Inhalte auf Deutsch sind, ergibt sich schon mal ein guter Anfangsverdacht. Den betreffenden auf den Leib zu rücken, sollte (wenn man unschuldig ist, oder das zumindest halbwegs glaubhaft behaupten kann) prinzipiell also sehr wohl machbar und auch relativ einfach sein. Den Verantwortlichen ermittelt der Staatsanwalt über den finnischen Hoster. Und dann gibt’s Durchsuchungen und/oder Beschlagnahmen, um Beweise zu sichern, von wo aus der verleumderische Text geschrieben wurde. Das ist, selbst wenn es am Ende keine wirksame Verurteilung gibt, schon einmal super ärgerlich, weil einerseits Beamte durch die Wohnung trampeln, und andererseits der Server und alle Handys, Laptops, und USB-Sticks erst einmal 6-10 Monate lang weg sind, bis die KTU damit fertig ist. Und… als Geschädigter hat man dann im Verfahren natürlich auch den Namen des Verantwortlichen, den man sodann wegen DSGVO abmahnen kann. Nur muss man sich, wenn man so ein Faß aufmacht, schon relativ sicher sein, dass man die betreffenden Worte tatsächlich nicht gesagt hat (oder wenigstens, dass es keinen Mitschnitt des Telefonats gibt), sonst geht’s im Zweifelsfall echt übel aus… Vom Gefühl her, auch schon beim Stichwort Burschenschaft, würde ich sagen… Zurückhaltung kann manchmal auch eine Tugend sein.

    • Sie scheinen hier zwei Sachen durcheinander zu bekommen. Die im Beitrag beschriebene zivilrechtliche Streitigkeit und eine etwaige Strafverfolgung durch den Staat. Hier möchte der Kläger von einem Dritten (Google) die „Löschung“ der strittigen Inhalte. In solchen Verfahren wird im ersten Schritt standardmäßig gefragt, kann sich der Kläger mit der Forderung nicht zuerst an den Urheber der Inhalte direkt wenden. Dies wurde aufgrund des fehlenden Impressums verneint. Der Staat hat logischerweise bei der Strafverfolgung viel weitreichendere Möglichkeiten als eine Privatperson den Urheber zu identifizieren.

      Unter „schwere Straftat“ versteht man in der Regel entweder die im § 100a Abs. 2 StPO genannten Taten oder Verbrechen. Letztere sind im § 12 Abs. 1 StGB legal definiert als Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. Der § 187 StGB fällt unter keine dieser beiden Kategorien. Zudem müsste bei diesem, anders als von Ihnen behauptet, nicht der Beklagte, sondern der Staat nachweisen, dass die Behauptung wider besseres Wissens aufgestellt wurde. Dafür besteht dem uns bekannten Sachverhalt nach keine Anzeichen. Wenn dann wäre also in diesem Fall überhaupt nur eine Verfolgung wegen § 186 StGB denkbar. Bei Äußerungsdelikten ist aber auch beim Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale an den § 193 StGB aufgrund der Meinungsfreiheit als Rechtfertigungsgrund zu denken. Nach diesem muss hier eine Interessenabwägung ganz ähnlich der, die das Zivilgericht durchgeführt hat (siehe: „Das Informationsinteresse der Internetnutzer überwiegt“), durchgeführt werden und diese hat wahrscheinlich den selbigen Ausgang. Der Rest Ihrer Mutmaßungen hätte sich damit an dieser Stelle dann auch erledigt. Und wie Sie auf die Aussage kommen, dass Justitia auf dem linken Auge blind sei, erschließt sich uns auch nicht. Allgemein gibt es zu diesem Bereich leider wenige Studien oder Recherchearbeiten. Die, die wir kennen, legen aber eher das Gegenteil nahe.

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