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Auskunftsanspruch als eines der stärksten Betroffenenrechte

Auskunftsanspruch als eines der stärksten Betroffenenrechte

In seinem Urteil vom 13.05.2022 bekräftigt das OLG Köln die bereits vorherrschende Ansicht zur enormen Reichweite und Durchsetzungskraft des datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts der Betroffenen. Sämtliche Vorwürfe der rechtsmissbräuchlichen Vorgehensweise und Ausnutzung des Datenschutzrechts zur Vorbereitung vermögensrechtlicher Ansprüche werden entkräftet. Welche Erwägungen das Gericht in seiner Entscheidung hierzu anstellte und warum das Auskunftsrecht wohl eines der stärksten Betroffenenrechte darstellt, lesen Sie hier.

Inhalt der gerichtlichen Auseinandersetzung

Vorliegend stritten die Parteien bereits vorinstanzlich über Beitragserhöhungen und deren Wirksamkeit im Rahmen von privaten Krankenversicherungskosten des Klägers. Gleichzeitig ging das Begehren des Klägers, hier des Versicherungsnehmers, mit einer Geltendmachung seines Auskunftsanspruches einher. Der Kläger verlangte Auskunft über alle Beitragsanpassungen, die die beklagte Krankenversicherung in den Jahren 2011 bis 2016 vorgenommen hatte. Die Vorinstanz sprach zugunsten des Versicherungsnehmers dem Kläger ein weitreichendes Auskunftsrecht zu und verurteilte die Beklagte zur Übersendung sämtlicher mit den Beitragsanpassungen verbundener Informationen in Form von Anschreiben und Nachträgen zu den Versicherungsscheinen.

Das Gericht stütze den Anspruch auf das Auskunftsrecht des Klägers als Betroffenem nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Dieser besagt:

„Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung.“

Krankenversicherung legt Berufung gegen vorinstanzliches Urteil ein

Auf die Berufung der Beklagten hin erfolgte mit Urteil des OLG Köln die vollumfängliche Klageabweisung, insbesondere die Zurückweisung ihres Vortrags zum Auskunftsanspruchs. In diesem bestritt man, dass der Auskunftsanspruch überhaupt auf Art. 15 DSGVO gestützt werden könne und berief sich hierbei auf den Sinn und Zweck der Vorschrift.

Hierzu trug der Vertreter der Krankenversicherung vor:

„Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, dem Betroffenen zu ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner Daten zu prüfen und von seinem Betroffenenrecht Gebrauch zu machen. Dazu müssten die verarbeiteten Daten transparent gemacht werden. Ein Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen werde aber nicht begründet.“

Überdies begründet die Beklagte ihr Zurückbehaltungsrecht der Beitragsanpassungsschreiben mit dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs und dem unterstellten Verdacht der Ausforschung. Demnach stünde dem Kläger kein Recht auf Kopie aller Unterlagen zu, da dies vor allem im Widerspruch zum Beibringungsgrundsatz stünde und den Schreiben schon der Personenbezug fehle. Der Kläger wolle hier lediglich Informationen mithilfe des Auskunftsanspruchs erhalten, die für eine nachgelagerte vermögensrechtliche Klage auf Leistung verwertet werden können. Nach seinem Vortrag heißt es:

„Ohnehin handele es sich aber um einen offenkundig exzessiven Antrag i.S.v. Art. 12 DS-GVO, weil dieser erkennbar nicht darauf gerichtet sei, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der erhobenen Daten zu prüfen, sondern darauf, sich auf möglichst einfache und bequeme Art die Informationen zu beschaffen, die benötigt würden, um eine Leistungsklage auf Rückzahlung von gezahlten Beiträgen vorbereiten zu können.“

OLG entscheidet zugunsten des Betroffenen

Das OLG Köln teilt die vorgebrachten Ansichten zur Verneinung des Auskunftsanspruchs nicht. Stattdessen stellte es fest, dass der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO vollumfänglich besteht. Demnach habe jede betroffene Person nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO einen Anspruch darauf, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Sofern dies bejaht werden kann, besteht in der Konsequenz ein Anspruch auf Kopie dieser Daten gegenüber dem Verantwortlichen.

Begriff der personenbezogenen Daten wird weit gefasst

Das OLG schließt sich der Auffassung des BGH  an und versteht den Begriff der personenbezogenen Daten nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO als sehr weit gefasst. Hierzu bezieht es sich wiederum auf den BGH  und führt näher aus, dass insbesondere keine Beschränkung auf nur sensible oder private Informationen vom Verständnis der DSGVO gewollt ist. Letztlich seien alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur mit Bezug zur jeweiligen Person von der Definition umfasst. Demnach reiche für diesen Personenbezug, dass die Informationen aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft sind (BGH, Urteil vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19).

Unerheblich, ob Daten dem Betroffenen bereits bekannt sind

Das OLG erklärt unmissverständlich:

„Ob die entsprechenden Informationen dem Versicherungsnehmer bereits bekannt sind (was hier zu unterstellen sein dürfte, da der Kläger die ursprüngliche Übersendung nicht bestreitet) und ob dieser die Unterlagen noch hat oder entschuldbar nicht mehr hat, ist für den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch irrelevant.“

Extensive Auslegung des Rechts auf Kopie

Teilweise wird von Gerichten der Anspruch auf Herausgabe einer Kopie aufgrund des Wortlautes des Art. 15 Abs. 3 DSGVO eingegrenzt und nur eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zugesprochen. Hiergegen spreche jedoch nach Ansicht des OLG die gegensätzliche Auslegung OLG München. Dieses sieht im Recht auf Datenkopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine eigenständige Rechtsgrundlage und legt den Anspruch äußerst extensiv aus. Somit kann der Kläger von der Versicherung sämtliche in Rohfassung gespeicherte personenbezogene Daten in Kopie verlangen.

Keine rechtsmissbräuchliche Vorgehensweise

Das OLG München und das OLG Hamm hatten in einem ähnlichen Fall wie dem hier geschilderten, dem Betroffenen den Auskunftsanspruch verwehrt. Begründet wurde dies damit,

„..,dass Sinn und Zweck von Art. 15 Abs. 3 DS-GVO nicht sei, die büromäßig strukturierte Aufarbeitung von Unterlagen des Versicherungsnehmers für diesen durch den Versicherer mit dem Ziel vornehmen zu lassen, dem Versicherungsnehmer anschließend die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen, wenn er seine Unterlagen nicht aufbewahrt habe.“

Das OLG Köln ist dagegen der Auffassung, dass die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs vorliegend nicht rechtsmissbräuchlich zu bewerten sei. Auch wenn es dem Kläger hier primär nicht um den Schutz seiner Daten ging, sondern um die Vorbereitung vermögensrechtlicher Ansprüche, stünde dies dem Auskunftsbegehren keinesfalls im Wege. Eine teleologische Einschränkung sei nicht vorzunehmen, da das umfassende Recht auf Auskunft nicht durch die gleichzeitige Verfolgung weiterer Zwecke ausgebremst werden dürfe. So heißt es in den Entscheidungsgründen:

„Daraus, dass Zweck von Art. 15 DS-GVO ist, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten sicherzustellen und dem Betroffenen die Durchsetzung der hierzu in der DS-GVO vorgesehenen Rechte zu ermöglichen, folgt keineswegs zwingend, dass der Anspruch auch nur zu diesem Zwecke ausgeübt werden darf.“

Auch eine Schikane oder ein in kurzen Abständen wiederholtes Auskunftsbegehren seitens des Betroffenen sieht das OLG Köln hier nicht. Demnach verneint es auch das Vorliegen eines exzessiven Antrages.

Keine Ausnutzung des Datenschutzrechts

Am interessantesten ist wohl die Aussage des OLG Köln,

„..,dass sich die Funktion von Art. 15 DSGVO nicht in einer solchen datenschutzinternen Nutzung der erlangten Informationen erschöpfe. Vielmehr bezwecke die Verordnung insgesamt den Schutz der Rechte und Freiheiten der Person gegen Beeinträchtigungen und Gefährdungen durch Verarbeitungen personenbezogener Daten. Nutze die betroffene Person ihr Recht auf eine Datenkopie, um Informationsasymmetrien zwischen sich und dem Verantwortlichen abzubauen und so ihre Rechte und Freiheiten zu wahren, so sei dies ein legitimes und rechtlich anzuerkennendes Ziel.“

Hieraus lässt sich auch ableiten, weshalb es dem Gericht gerade nicht darauf ankommt, dass der Schutz der Daten das alleinige oder primäre Ziel bei der Geltendmachung des Auskunftsrechts sein muss.

(Zu) weite Auslegung des Auskunftsanspruchs

Das Urteil des OLG Köln ist eines von vielen, welches den Schutz des Auskunftsrechts sehr weitreichend bewertet und zugunsten des Betroffenen entscheidet. Die Ausmaße, die mittlerweile ein Auskunftsanspruch annehmen kann, sind immens und daher liegt auch nahe, das Auskunftsrecht als eines der stärksten Betroffenenrechte zu bewerten. Zusammen mit den anderen Betroffenenrechten stellt es einen Teil unseres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar und verdient daher auch besondere Beachtung und Durchsetzbarkeit.

Dennoch ist immer der konkrete Einzelfall zu betrachten und kritisch zu beurteilen, ab wann die DSGVO für Zwecke missbraucht wird, die mit dem Schutzgedanken von personenbezogenen Daten nichts mehr zu tun haben.

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  • Hallo,

    Sie schreiben: Krankenversicherung legt Berufung gegen vorinstanzliches Urteil ein

    Auf die Berufung des Beklagten hin erfolgte mit Urteil des OLG Köln die vollumfängliche Klageabweisung, insbesondere die Zurückweisung des Auskunftsanspruchs.

    Später vermitteln Sie, dass das OLG Köln zugunsten des Betroffenen entschieden hat.
    Habe ich das etwas falsch verstanden, oder meinten Sie zu Beginn die Vorinstanz?

    • Vielen Dank für den Hinweis. An der von Ihnen zitierten Stelle ist uns ein „Vortrags zum“ vor dem Auskunftsanspruch verloren gegangen mit den entsprechenden sinnentstellenden Folgen. Der Abschnitt gibt den Parteivortrag der Krankenkasse im Berufungsverfahren wieder. Wir haben den Beitrag an der Stelle nun leicht angepasst.

  • Ein sehr interessanter und wichtiger Artikel aber, das funktioniert mit Sicherheit nur bei Unternehmen, die sich in Deutschland befinden. Ich glaube nicht, dass es einem Auskunftssuchenen gelingt, dieses Recht bei einem Unternehmen ausserhalb Deutschlands durchzusetzen.

  • Hallo, wie lange muss man denn solche Sachen aufbewahren? Irgendwie muss man ja sicherlich nachhalten was man getan hat und dass man seiner Verpflichtung nachgekommen ist, wenn mal die Behörde fragt. Vielen Dank im Voraus und weiter so!

    • Das ist eine sehr gute und wichtige Frage, die letztlich nicht nur mithilfe des Datenschutzrechts beantwortet werden kann.

      Der Kniff hinsichtlich der Speicherdauer ist es, im Einzelfall genau zu prüfen, ab wann gelöscht werden muss und gleichzeitig im Auge zu behalten wann noch nicht gelöscht werden darf. D.h. man sollte sich einen Überblick verschaffen, über welchen Zeitraum hinweg eine Speicherung nötig ist, um bspw. Betroffenenrechten, wie dem Auskunftsrecht oder anderen rechtlichen Pflichten (wie bspw. steuerlichen Aufbewahrungspflichten) nachkommen zu können.

      Wann eine Löschung zu erfolgen hat, lässt sich den Vorgaben des Art. 17 DSGVO entnehmen.
      Hieraus ergibt sich, dass der Verantwortliche zur unverzüglichen Löschung verpflichtet ist, wenn einer der folgenden Gründe zutrifft:
      – Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig.
      – Die betroffene Person widerruft ihre Einwilligung, auf die sich die Verarbeitung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a oder Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a stützte, und es fehlt an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung.
      – Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2
      Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.
      – Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet.
      – Die Löschung der personenbezogenen Daten ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten erforderlich, dem der Verantwortliche unterliegt.
      – Die personenbezogenen Daten wurden in Bezug auf angebotene Dienste der Informationsgesellschaft gemäß Artikel 8 Absatz 1 erhoben.

      Von der Verpflichtung zur Löschung gibt es jedoch auch sehr wichtige und praxisrelevante Ausnahmen, welche in Art. 17 Abs. 3 DSGVO aufgelistet werden. Demnach besteht eine Löschpflicht insbesondere nicht,
      – solange und soweit die Verarbeitung (noch) erforderlich ist oder
      – wenn Daten zur Erfüllung einer Rechtspflicht oder öffentlicher Aufgaben verarbeitet werden oder
      – bei Datenverarbeitungen zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen

      Weitere wertvolle Hinweise und Informationen zu Lösch- und Aufbewahrungspflichten finden Sie in unserem Artikel zum Recht auf Löschung.

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