Der 23. Mai ist der Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, welches die rechtliche und politische Grundordnung festlegt. Diesen Tag nehmen wir zum Anlass, um auf die Geschichte des Grundgesetzes zurückzublicken und im Zuge dessen die Grundrechte, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, unter die Lupe zu nehmen.
Der Inhalt im Überblick
Entstehung und Normierung der Grundrechte
Der von September 1948 bis Juni 1949 in Bonn tagende Parlamentarische Rat hat das Grundgesetz im Auftrag der drei westlichen Besatzungsmächte ausgearbeitet und genehmigt. Zentrale Themen waren Menschenwürde, Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Abschaffung der Todesstrafe, das Verhältnis von Bund und Ländern, die Aufgaben der Staatsorgane und viele mehr. Der überwiegende Teil des Grundgesetzes geht in Inhalt und Form auf die Vorarbeiten des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee zurück. Der sog. „Herrenchiemsee-Bericht“ enthielt einen vollständigen Verfassungstext mit 149 Artikeln und ist somit eine sehr bedeutende Grundlage der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes. Mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 ist das Grundgesetz gesamtdeutsche Verfassung geworden.
Besondere Bedeutung haben aufgrund der Erfahrungen aus dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat die im Grundgesetz verankerten Grundrechte. In diesem Abschnitt ist festgelegt, welche Rechte jeder Mensch bzw. jeder Staatsbürger gegenüber den Trägern der Hoheitsgewalt hat.
Das Datenschutzrecht – ein Grundrecht
Seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1983 ist allgemein anerkannt, dass die Grundrechte auch die Befugnis des einzelnen umfassen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu entscheiden.
„Einschränkungen dieses Rechts auf informationelle Selbstbestimmung“ sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Sie bedürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen muss.“
Das Volkszählungsurteil – ein Meilenstein
Das Volkszählungsurteil ist der mit Abstand wichtigste Beitrag der Rechtsprechung zur Fortentwicklung des Datenschutzrechts, aber auch einer der bedeutendsten Beiträge des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsfortbildung. Hintergrund für das Volkszählungsurteil war, dass aufgrund eines neuen Gesetzes eine Volkszählung in Form einer Totalerhebung stattfinden sollte. Neben der vollständigen Kopfzählung war auch die Erhebung weiterer Angaben beabsichtigt. Eine Vielzahl Betroffener sahen sich dabei in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt und erhoben gegen das zugrundeliegende Gesetz Verfassungsbeschwerde. Einfluss hatte das Volkszählungsurteil insbesondere auf die Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes von 1990 und die jeweiligen Datenschutzgesetze der Länder.
Von der Datenschutzrichtlinie zur DSGVO
1995 wurde die europäische Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Richtlinie 95/46/EG) verabschiedet. Als Richtlinie erlangte diese keine unmittelbare Rechtswirkung in Deutschland, sondern musste in nationales Recht umgesetzt werden. Bei der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht haben die Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum, weshalb es dazu geführt hat, dass die Anforderungen des Datenschutzes stark voneinander abgewichen sind.
Der Datenschutz wurde auch auf Ebene der Europäischen Union im Jahr 2000 ausdrücklich als Grundrecht anerkannt (Art. 8 GrCH). Nach zähen Verhandlungen hat das Europaparlament seinen Vorschlag der Datenschutz-Grundverordnung zum Jahresanfang 2014 vorgelegt, um eine Rechtsharmonisierung des Datenschutzrechts zu erreichen. Am 25. Mai 2016 ist die DSGVO in Kraft getreten und erlangte nach einer zwei jährigen Übergangszeit in allen europäischen Mitgliedstaaten unmittelbare Geltung, was bis heute noch für kontroverse Diskussionen sorgt.
70 Jahre und trotzdem modern
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung steht nicht im Text des Grundgesetzes, sondern wurde durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelt. Das Grundgesetz ist also – trotz der 70 Jahre – hinsichtlich des Regelungsgehalts dynamisch und modern gestaltet und legt bis heute den Grundstein für unsere gesellschaftlichen Werte. In Zeiten der Datenverarbeitung im Internet ist die informationelle Selbstbestimmung ein wichtiges Gut, welches jeden Einzelnen vor dem Missbrauch seiner personenbezogenen Daten schützen soll.