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Anwaltverein will „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ abschaffen

Anwaltverein will „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ abschaffen

Der Deutsche Anwaltverein fordert in einer aktuellen Stellungnahme zu Entwürfen der EU-Kommission zum Datenschutz die stärkere Berücksichtigung von kollektiven Freiheitsrechten gegenüber dem Datenschutz des Einzelnen.

Datenschutz vs. Informationsfreiheit

Anlässlich der aktuellen Neufassung des Datenschutzrechts auf EU-Ebene (Datenschutz-Grundverordnung und Datenschutzrichtlinie) setzt sich der DAV insbesondere für eine Abschaffung des Grundsatzes „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ im nicht-öffentlichen Bereich ein.

Insgesamt (so der DAV) fehle der Datenschutz-Grundverordnung das Bewusstsein, dass Grundrechte und Grundfreiheiten nicht nur den Betroffenen, sondern … auch den Datenverarbeitern zustehen (insbesondere die Kommunikations- und die Berufsfreiheit).

Offenbar sieht der DAV die Gefahr, dass mit den speziellen Datenschutzregeln, ähnlich wie beim Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, durch die Berufung auf ein Individualrecht die Freiheit der Information und Berichterstattung gemäß Art. 10 EMRK, mithin Grundpfeiler jedweder demokratischen Gesellschaftsordnung, unverhältnismäßig beschnitten werden könne. 

Verbot mit Erlaubnisvorbehalt

Der DAV fordert eine Abkehr vom Grundsatz „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ im nicht-öffentlichen Bereich und fordert die Informationsfreiheit als Gegengewicht zum Datenschutz stärker zu berücksichtigen.

Mit Art. 80 DSGVO würde es bei einer Regelung bleiben, die dem „Medienprivileg“ des Art. 9 DSRL entspricht. Die Reichweite des „Medienprivilegs“, das aus der Zeit vor dem Internet stammt, ist unsicher und streitig.

Praktikable Kriterien zur Abwägung zwischen schutzwürdigen Persönlichkeitsrechten und dem Grundrecht auf freie Kommunikation lassen sich Art. 80 DSGVO ebenso wenig entnehmen wie Art. 9 DSRL.

Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt sei nur im öffentlichen Bereich zeitgemäß. Im nicht-öffentlichen Bereich liege

eine mehrpolare Situation bei dem Betroffenen, aber auch bei Datenverarbeitern Grundrechtspositionen bestehen und abzuwägen sind. Beide Grundrechtspositionen sind hierbei grundsätzlich von gleichem Gewicht und müssen im Einzelfall zu einem verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden („praktische Konkordanz“).

„Right to be forgotten“

Auch wendet sich der DAV gegen die jetzige Ausgestaltung des Rechts auf Vergessen im Netz, da der Vorstoß in §17 DSGVO unausgereift und eine „Kollision mit dem Urheberrecht“ programmiert sei. Überdies herrsche mit der freien Widerrufbarkeit der Einwilligung durch den Betroffenen eine völlig unklare Rechtslage, die zu einem „unüberschaubaren Risiko“ bei Veröffentlichungen im Internet und zur „Schere im Kopf“ bei den zuständigen Redakteuren führten.

Ein Internetanbieter, der personenbezogene Daten der Nutzer aufgrund deren Einwilligung zur Gestaltung seines Angebots einsetzt, müsste befürchten, die Legitimation für die Datennutzung jederzeit mit sofortiger Wirkung zu verlieren.

Rückbesinnung auf den Schutzweck

Der DAV fordert aber keine Abschaffung des Datenschutzes sondern unter Rückbesinnung auf den Schutzzweck des Datenschutzes, als Schutz der Persönlichkeit, eine anwenderfreundliche Auslegung in der Informationsgesellschaft.

Eines der Kernprobleme des Datenschutzrecht sei die unklare Definition des Begriffs personenbezogenen Daten, je nachdem ob man einem absoluten oder relativen Begriff des Personenbezugs folgt. Es gebe schlicht keinen plausiblen Grund Daten wie E-Mail-Adresse, Gerätekennzeichen, Cookie oder IP-Adresse per se unter Schutz zu stellen während es etwa bei Gesundheitsdaten einleuchte, dass diese nur in engen Grenzen verarbeitet werden könnten.

Höhere Transparenz

Nach Auffassung des DAV sei dem informed consent der Vorrang vor starren Verbots/Erlaubnisregelungen zu geben. Verbraucher, die über Art und Umfang der Datenverarbeitung informiert seien, könnten eigenverantwortlich über die Nutzung entscheiden. Die vorgelegten Regelungen zur Transparenz in Art. 14 DSGVO seien aber nicht ausreichend und würden keine den Anwendern keine klaren Vorgaben zu Informationspflichten machen.

Zusammenfassung

Das Datenschutzrecht steht vor der größten Umwälzung der letzten Jahre. Die Vorschläge des DAV zielen auf eine anwenderfreundliche Regelung des Datenschutzes in der Informationsgesellschaft.

Ausgehend vom Leitbild des aufgeklärten, informierten und eigenverantwortlichen Verbrauchers will der DAV eine Abkehr vom grundsätzlichen Verbotsprinzip im nicht-öffentlichen Bereich und eine stärkere Berücksichtigung der Freiheit der Information.

Ob und wie diese Ziele erreicht werden, bleibt abzuwarten.

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