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BGH übersieht Datenschutzgesetz

BGH übersieht Datenschutzgesetz

Die Hostess einer Promotion-Agentur wollte, dass Fotografien, die sie auf einer Veranstaltung zeigen, von einer Website entfernt werden. In seinem Urteil vom 11. November 2014 (Az. VI ZR 9/14 ) nahm der Bundesgerichtshof an, dass sie in die Anfertigung und Verbreitung der Fotografien konkludent eingewilligt hat, wobei die Bundesrichter datenschutzrechtliche Erfordernisse vollkommen unberücksichtigt ließen.

Fotografieren leicht gemacht

Die jüngste Entscheidung in diesem Bereich muss man im Zusammenhang mit einer früheren Entscheidung sehen, über die wir im Sommer letzten Jahres berichtet haben. Eine Familie (mit Kind) war auf einem Nachbarschaftsfest fotografiert worden und hatte erfolglos gegen die Veröffentlichung des Fotos in der Zeitschrift einer Wohnungsbaugesellschaft geklagt. Der BGH ordnete das Nachbarschaftsfest als Ereignis der Zeitgeschichte gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG ein und kam nach einer Interessenabwägung zu dem Schluss, dass eine Einwilligung der Familie in die Aufnahme und Verbreitung der Fotografie nicht erforderlich war.

In der Entscheidung aus dem November macht es sich der BGH noch einfacher und geht von einer konkludenten Einwilligung der fotografierten Hostess aus. Das klingt erst einmal plausibel, denn aus den Umständen der Veranstaltung und aus dem Vertrag mit der Hostess ergab sich ohne weiteres, dass sie mit der Veröffentlichung von Fotografien zu rechnen hatte. Im Urteil heißt es dazu:

Die Zedentin war als Hostess von einer Promotion-Agentur damit beauftragt, auf einer Party mit prominenten Gästen als Aktionsware Zigaretten einer bestimmten Marke zum Zwecke der Werbung anzubieten. Dabei war ihr nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts von ihrem Arbeitgeber zuvor Informationsmaterial ausgehändigt worden, in welchem ihre Tätigkeit näher beschrieben wurde. Darin findet sich u. a. der Hinweis, es dürften zwar keine Interviews gegeben werden, Fotos seien jedoch erlaubt, eventuelle Kamerateams seien freundlich an die Öffentlichkeitsabteilung ihres Arbeitgebers oder dessen Auftraggebers zu verweisen. Dem Informationsschreiben sind “Beispielbilder für die Fotodokumentation” beigefügt, auf denen lächelnde Hostessen mit Zigarettenkorb zusammen mit anderen Personen für Fotos posieren.

Der Zedentin musste danach sowohl durch die Art der Veranstaltung als auch durch die Art ihrer Tätigkeit bewusst sein, dass mit Fotos auch ihrer Person und deren Veröffentlichung zu rechnen und dies aus Werbegründen von ihrem Arbeitgeber und dessen Auftraggeber durchaus erwünscht war. Von letzterem konnten aufgrund der äußeren Umstände auch Medienvertreter, die auf der Veranstaltung anwesend waren, ausgehen. Sie konnten die Tätigkeit der Zedentin unter den Umständen des Streitfalles nur dahin verstehen, dass sie mit Fotos und deren Veröffentlichung im Interesse des Auftraggebers einverstanden war.

Datenschutzgesetz geflissentlich übersehen

Eine konkludente Einwilligung ist zwar nach § 22 Abs. 1 Kunsturhebergesetz möglich. Das Fotografieren einer Person und die Verbreitung der Fotografie stellt aber eine Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten dar. Insofern ist auch eine Einwilligung nach § 4a Bundesdatenschutzgesetz erforderlich, die grundsätzlich schriftlich zu erfolgen hat. Wenn ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen wurde, wie im Fall der Hostess, gibt es keinen Grund, von der Schriftform ausnahmsweise abzusehen.

Zwar vertreten Rechtsexperten durchaus die Auffassung, dass die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes bei der Verbreitung von Fotografien durch § 22 Kunsturhebergesetz verdrängt werden. Aber es befremdet schon, dass der BGH in seinem Urteil den Datenschutz mit keinem Wort erwähnt. Wenn sich das ein Jura-Student erlauben würde, wäre er wahrscheinlich durch die Prüfung gerasselt.

Schriftliche Einwilligung einholen!

Was oberste Bundesrichter dürfen, dürfen wir noch lange nicht. Daher ist normalsterblichen Rechtsanwendern ganz dringend zu empfehlen, das Datenschutzrecht zu berücksichtigen und vor der Veröffentlichung einer Fotografie die schriftliche Einwilligung der aufgenommenen Person einzuholen…

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  • Es verblüfft mich immer wieder wie viele Vögel glauben das Thema Jura besser zu beherrschen als unsere obersten Gerichte.

  • Ich hab´s nicht so richtig verstanden. Steht „der Wendler“ im Pulk mit Autogrammsüchtigen und ich fotografiere das Spektakel, dann kann mich jede verblödete Tusse vor Gericht bringen?

    • ja, genau!
      Du bist doch der Erste, der auf lawblog.de rummault, falls sein rechtswidriges Verhalten (Fahrrad-Geisterfahrer, weil Fussgängers- und anderer Radler Gesundheit weniger wert sind als Deine!) dokumentiert und angezeigt wird.
      Übrigens: Auch „der Wendler“ kann das in vielen Fällen.

  • Haben Sie es denn mal komplett durchgeprüft?

  • Der BGH hat das grundsätzliche Einwilligungserfordernis des § 4a I S.1 BDSG keineswegs übersehen. Aufgrund der Umstände und nach Güterabwägung kommt er unter Verweis auf das Senatsurteil vom 28. September 2004 – VI ZR 305/03, VersR 2005, 83 Rn. 12 mwN) zutreffend dazu, daß vorliegend i.S. des § 4a I S. 3 BDSG auf die grundsätzlich erforderliche schriftliche Einwilligung verzichtet werden durfte. Insoweit ging er von einer stillschweigenden (konkludenten) Einwilligung i.S. des § 22 I S. 1 KUG der Zedentin aus. Selbst wenn dies unzulässig sein sollte, wären jedenfalls auch nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG bzw. § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG auch ohne Einwilligung der Zedentin zulässig gewesen.

  • § 1 Abs. 3 BDSG:
    Soweit andere Rechtsvorschriften des Bundes auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung anzuwenden sind, gehen sie den Vorschriften dieses Gesetzes vor.

    § 22 KunstUhrG:
    Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt…

    Mangels Aufzählung weiterer Tatbestandsvoraussetzungen für die Einwilligung dürfte das BDSG hier gar keine Anwendung finden und wurde folglich vom BGH wohl auch nicht übersehen.

  • Die Rechtsauffassung, wonach das Bundesdatenschutzgesetz durch die §§ 22 und 23 Kunsturhebergesetz verdrängt werden, haben wir ausdrücklich erwähnt. Insofern greifen wir nicht das Ergebnis des Bundesgerichtshofes an. Die zitierte Rechtsauffassung ist jedoch keineswegs zwingend, denn es gibt durchaus Gegenargumente. Wir kritisieren lediglich, dass der BGH sich mit den Gegenargumenten nicht auseinandergesetzt und die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts nicht einmal erwähnt hat. Das gilt im Übrigen auch für die Entscheidung vom 28. September 2004 (Az. VI ZR 305/03).

  • Ich sehe das nicht so einfach, dass ein Foto generell ein personenbezogenes Datum sei.
    Das wird es erst zusammen mit der Information, welche Person denn nun darauf abgebildet ist. Und das war in dem Fall wohl nicht gegeben.
    Konkludentes Einverständnis – wie in dem Fall – muss auch rechtliche Auswirkungen haben, sonst müsste man schon sein Getränk in der Kneipe nur noch in Schriftform bestellen.

    • Fotografien von Personen sind grundsätzlich personenbezogene Daten. Stellen Sie sich folgenden theoretischen Fall vor: Sie treffen sich mit Ihrer Geliebten in einem Café und werden dabei fotografiert. Der Fotograf kennt Sie nicht. Das Foto wird in einer Zeitung veröffentlicht, weil es die Stimmung in dem Café wunderbar einfängt. Meinen Sie, dass die Fotografie erst zu einem personenbezogenen Datum wird, wenn Ihre Frau Sie darauf erkennt? Oder wollen Sie vielleicht schon eine juristische Handhabe haben, um gegen die Veröffentlichung vorzugehen?

      Ein Bierchen werden Sie auch in Zukunft ohne schriftlichen Antrag bestellen können, weil Kaufverträge keiner Form bedürfen. Für Einwilligungen im Datenschutz ist die Schriftform allerdings gesetzlich festgelegt: § 4a Bundesdatenschutzgesetz.

      • Wie korrespondiert Ihre Antwort hier mit Ihrer bejahenden Antwort auf meine Frage, ob das Fotografieren/Filmen auf Veranstaltungen (nach Ankündigung) erlaubt sei (bzw. ihr Verneinen einer Handhabe dagegen)? Wo ist da jetzt der Unterschied? Warum muss ich zwar eine Veranstaltung „eben verlassen, wenn mir das nicht passt“ (nicht Ihre genauen Worte), aber nicht Restaurant/Kneipe?

        • Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes wird das Bundesdatenschutzgesetz wohl durch die Vorschriften des Kunsturhebergesetzes verdrängt. Würde es nicht verdrängt, wäre es aufwändiger, die Einwilligung von fotografierten Personen einzuholen, denn dann wäre sehr häufig eine schriftliche Einwilligung erforderlich. Wir kritisierten an der aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofes allerdings nicht so sehr das Ergebnis, sondern lediglich, dass er auf datenschutzrechtliche Erfordernisse nicht eingegangen ist.

          Insofern bleibt es beim Ergebnis, dass es für Fotografien von Veranstaltungen in vielen Fällen keiner Einwilligung bedarf, weil es sich um ein Ereignis der Zeitgeschichte handelt. Bei Einzelaufnahmen von Gästen eines Cafés oder einer Bar, in denen keine Veranstaltungen stattfinden, stellt sich die Rechtslage anders dar. Die Gerichte werden wahrscheinlich nicht, jedenfalls nicht so eindeutig wie im Fall mit der Hostess, von einer konkludenten Einwilligung ausgehen.

      • J. S. Müller meinte zutreffend, daß ein Foto einer Person lediglich eine Ablichtung ihrer äußerlichen Gestalt ist, nicht jedoch eine Erhebung personenbezogener Daten. Erfolgt die Veröffentlichung ohne Einwilligung des Betroffenen, führt das dazu, daß die abgelichtete Person sich gegen eine Veröffentlichung wehren kann. – Dazu bedarf es aber nicht des „genialen“ Kunstgriffs, in die bloße Ablichtung einer Person die Erhebung personenbezogener Daten hineinzuinterpretieren, sondern es bedarf dazu nur der Heranziehung des § 22 S. 1 KUG.

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