Wenn ein Mensch verstirbt, hinterlässt er neben seinem weltlichen Erbe oft auch jede Menge Fotos, Nutzeraccounts, diverse Onlinekonten und andere persönliche Spuren im Internet. Die meisten von uns haben sich vermutlich noch keine vertieften Gedanken gemacht, was später mit unserem digitalen Nachlass geschehen soll. Dies kann aber – wenn Tag X eingetreten ist – zu einer großen Belastung für unsere Angehörigen werden. Mit diesem Beitrag wollen wir darstellen, welche Regelungen man diesbezüglich vor seinem Tod treffen sollte.
Der Inhalt im Überblick
Definition: Was ist ein digitaler Nachlass?
Der Begriff des Digitalen Nachlasses ist nicht ausdrücklich geregelt. Digitaler Nachlass kann daher alles sein, was Menschen im Internet oder digital hinterlassen. Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) hat den Begriff im Jahr 2013 definiert:
„[Digitaler Nachlass ist] die Gesamtheit des digitalen Vermögens, also Urheberrechte, Rechte an Websites, Domains sowie sämtliche Vertragsbeziehungen zwischen Providern und dem Erblasser hinsichtlich der Nutzung des Internets selbst, aber auch hinsichtlich diverser Internetangebote (beispielhaft aufgezählt: Verträge über Zugang zu und Dienste auf sozialen Netzwerken, E-Mail-Dienste, Internetportale, etc.) und erfasst damit auch die Gesamtheit aller Accounts und Daten des Erblassers im Internet.“
Heutzutage existiert auch eine weitergefasste und gleichzeitig weniger „sperrige“ Definition, welche den digitalen Nachlass als
„die Gesamtheit des digitalen Vermögens des Erblassers, sprich die Gesamtheit der Rechtsverhältnisse des Erblassers betreffend informationstechnische Systeme, einschließlich der gesamten elektronischen Datenbestände des Erblassers“
beschreibt. Dass die meisten Menschen ihr Umfeld dabei nicht umfassend über ihre Aktivitäten im Internet informieren und auch die Zugangsdaten zu den verschiedenen Onlinediensten nicht preisgeben, ist wohl der Normalfall. Schwierig wird es daher im Todesfall. Die Angehörigen und Erben stehen dann vor der Aufgabe, neben dem weltlichen auch das digitale Erbe abzuwickeln. Dass Angehörige und Erben nicht immer identisch sind, verkompliziert die Sache noch zusätzlich.
BGH: Verträge über digitale Dienstleistungen sind vererbbar
Im Zusammenhang mit dem digitalen Erbe sorgte vor einigen Jahren ein Fall für Aufsehen, in welchem Eltern Zugriff auf das Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter verlangt haben. Facebook hatte den Eltern damals nur einen USB-Stick mit einem PDF-Dokument überreicht, in welchem sämtliche Daten aus dem Account der Tochter gespeichert waren. Die Eltern begehrten aber vollen Zugriff auf das Konto, unter anderem um herauszufinden, ob ihre Tochter möglicherweise Suizid begangen hat. Der BGH hat schließlich entschieden, dass Facebook den Eltern vollen Zugang zum Account der Tochter gewähren muss. Das Fernmeldegeheimnis steht dem nach Ansicht des BGH nicht entgegen.
Damit hat der BGH das digitale Erbe erstmalig dem analogen Erbe gleichgestellt. Lediglich die aktive Nutzung des Kontos ist den Eltern nicht gestattet worden. Insofern war durch die Entscheidung auch ein Stück Rechtssicherheit in diesem Bereich entstanden.
Digitaler Nachlass bei Facebook
Nach dem Urteil hat Facebook – wenig überraschend – reagiert, so dass es inzwischen verschiedene Möglichkeiten gibt zu regeln, was mit dem eigenen Konto im Todesfall passieren soll. So kann ein Nachlasskontakt in den Kontoeinstellungen festgelegt werden. Diese Person fungiert dann quasi wie ein Nachlassverwalter und kann beispielsweise fixierte Beiträge hinzufügen oder auf Freundschaftsanfragen antworten. Postings im Namen des Verstorbenen sind allerdings nicht möglich. Alternativ ist es auch möglich, direkt in den Einstellungen festzulegen, dass das Facebook-Konto nach dem Tod gelöscht werden soll. Der Todesfall muss dann natürlich nachgewiesen werden. Einfacher ist es daher wahrscheinlich, einer nahestehenden Person die Zugangsdaten zu hinterlassen, damit diese das Konto später einfach löschen kann. Wenn keine Einstellungen vorgenommen werden, versetzt Facebook bzw. Meta das Konto in der Regel in einen sogenannten Gedenkmodus, in welchem dann keine Änderungen mehr vorgenommen werden können.
Digitaler Nachlass bei Apple
Nahezu parallel zu dem eben beschriebenen Fall sah sich auch Apple einem ähnlichen Rechtsstreit ausgesetzt. Hier ging es um den Zugriff auf die iCloud des Verstorbenen. Apple hatte den Zugang zu den Informationen komplett verweigert, so dass der Fall schließlich beim Landgericht Münster landete. Da der BGH entschieden hatte, dass auch das Fernmeldegeheimnis nicht vor der Kenntnisnahme durch die Erben schützt, hat sich das LG Münster der Argumentation angeschlossen und Apple verurteilt, den Erben vollen Zugriff auf die Cloud-Datenbank des Verstorbenen zu gewähren.
Auch Apple bietet nunmehr die Möglichkeit, einen Nachlasskontakt zu hinterlegen. Dies erfolgt in der Regel mit einer einfachen Authentifizierung über die Apple-ID. Mit dem Nachlasskontakt wiederum muss der Schlüssel geteilt werden, welcher beim Anlegen des Kontakts generiert wird. Zudem benötigt Apple auch hier die Sterbeurkunde, wenn der Zugriff erfolgen soll.
Kann man einen Gaming Account (wie z. B. einen Steam Account) vererben?
Die Diskussion um die Vererbbarkeit von digitalen Inhalten hat auch beim Gaming praktische Relevanz. Hier stellt sich die Frage, ob die vom Verstorbenen erreichten Spielstände einschließlich möglicher Spieleguthaben vererbt werden können. Der Anbieter Valve, welcher mit der Plattform Steam eine der bekanntesten Gaming-Plattformen betreibt, sagt dazu ganz klar „Nein“. Es sei nicht vorgesehen, Steam-Accounts und -Spiele zu übertragen, auch nicht auf Grund testamentarischer Verfügung. Aber auch dieses Problem lässt sich vermutlich damit umgehen, dass man seine Zugangsdaten rechtzeitig an eine vertrauenswürdige Person übermittelt, die den Account später weiternutzen kann. Zwar untersagen die AGB von Valve die Datenweitergabe, allerdings dürfte eine Kontrolle hierüber nur schwer möglich sein.
Generell ist die Frage, ob Gaming-Accounts und vergleichbare Inhalte vererbbar sind, weiterhin umstritten bzw. nicht final geklärt. Zwar hat der BGH – wie oben bereits erwähnt – klargestellt, dass Inhalte eines Accounts bzw. ein Account selbst vererbt werden können und somit der Universalsukzession nach § 1922 BGB unterfallen. Allerdings wird man bei einer Gaming-Plattform wohl darauf abstellen müssen, ob nur ein bloßer Zugang oder eine konkrete Nutzungsmöglichkeit besteht. Spielstände und Spieleguthaben stellen sicherlich in der Regel einen gewissen Vermögenswert und damit eine Nutzung dar, da sie ja vom Accountinhaber in eigener Leistung geschaffen worden sind.
Gleichzeitig sind sie aber nicht so eng mit dem Erblasser verbunden wie beispielsweise der Name, sodass viel dafür spricht, auch Gaming-Accounts unter § 1922 BGB zu fassen. Es kommt aber wie so oft auf den Einzelfall an. Das Gleiche gilt für die Frage, ob auch die zu dem Account gehörenden Chatverläufe erfasst sind. Der BGH hat angenommen, dass eine Herausgabe der Daten nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zulässig sei. Diese Ansicht wird inzwischen auch durch § 4 TDDDG gestützt. Eine Herausgabe ist dann aber zumindest fraglich, wenn die Chatpartner minderjährig sind.
Wieso sollte man Regelungen zum digitalen Nachlass treffen?
Es gibt also viele Gründe, Regelungen zum digitalen Nachlass zu treffen. Zum einen erleichtert man die Abwicklung des Vermögens für die Hinterbliebenen. Zum anderen kann man so auch rechtlich verbindlich für Klarheit sorgen. Denn falls der Verstorbene keine Aufzeichnungen über bestehende Verträge hinterlassen hat, ist es sehr schwer für Erben oder Angehörige, dies in Erfahrung zu bringen. Einerseits ist umstritten, ob den Erben ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO oder ein Auskunftsanspruch aus Vertrag i. V. m. § 1922 BGB zusteht und anderseits auch, was von dem Erbe umfasst ist. Unternehmen halten sich mit der Herausgabe an „Dritte“ eher zurück und müssen oft – wie oben gezeigt – auf Einhaltung der Rechtslage verklagt werden. Sinnvoll ist es daher auch, für Accountdaten und Zugänge einen Passwort-Manager zu benutzen. Ein Passwort-Manager ist vergleichbar mit einem Tresor, in welchem neue Passwörter mitsamt den Benutzernamen digital abgelegt werden können. Der Nutzer muss dann nur noch ein Master-Passwort verwenden, welches man für den Todesfall an eine nahestehende Person weitergegeben kann.
Digitaler Nachlass: Checkliste
Grundsätzlich ist also zu empfehlen, eine Person ihres Vertrauens bei der Abwicklung des digitalen Nachlasses einzubeziehen. Folgende Tipps können dabei helfen:
- Frühzeitige Vorsorge: Verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre gesamten Online-Aktivitäten
- Anfertigen einer Liste mit allen Accounts und Konten einschließlich Benutzername und Kennwörtern: Verwahren Sie diese an einem sicheren Ort!
- Nicht mehr benutzte Accounts sollten gelöscht werden
- Bestimmen einer Person Ihres Vertrauens zu Ihrem digitalen Nachlassverwalter einschließlich Übergabe einer Vollmacht
- Regeln Sie, was mit einzelnen Accounts geschehen soll bzw. nehmen Sie bereits mögliche Einstellungen vor
Diese Vorgehensweise kann natürlich auch bei schwerer Krankheit oder in anderen Fällen helfen, in denen man – sei es aus rechtlichen oder aus tatsächlichen Gründen – nicht mehr in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu treffen.
Das digitale Leben geht weiter
Es ist sicherlich nachvollziehbar, dass Menschen den Gedanken an den eigenen Todesfall schnell beiseite schieben. Allerdings sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass die digitalen Spuren, die man im Laufe eines Lebens hinterlässt, erst einmal bestehen bleiben. Da diese Inhalte grundsätzlich vererbt werden können, ist es umso wichtiger, entsprechende Vorsorge zu treffen.
Wie sieht es aus mit auf Amazon für Kindle erworbenen Büchern? Können diese auf Erben übertragen werden?
Auch hier kommt es auf den Einzelfall an. Oftmals in den AGB der Anbieter festgelegt, dass die „Käufer“ von E-Books nur ein einfaches Nutzungsrecht erhalten, die Nutzer aber nicht Eigentümer werden. Dann würden die Nutzungsrechte auch nicht in den Nachlass fallen, sondern mit dem Tod des Berechtigten erlöschen. Im Regelfall können Erben die digitale Bibliothek also nicht übernehmen.