Seit Jahren streitet der schleswig-holsteinische Abgeordnete der Piratenpartei Patrick Breyer dafür, dass seine IP-Adresse bei der Nutzung von Webseiten der Bundesministerien nicht gespeichert wird. Getreu seinem Motto „Klarmachen zum Ändern“ möchte er Internetgeschichte schreiben und endlich anonym surfen. Heute begann die mit Spannung erwartete Fortsetzung des Rechtsstreits vor dem BGH.
Der Inhalt im Überblick
Breyer setzt die Segel
Bereits im Jahre 2007 erreichte Patrick Breyer einen ersten aufsehenerregenden Erfolg. Das Landgericht Berlin untersagte dem Bundesjustizministerium, die IP-Adresse des Abgeordneten bei der Nutzung des Internetportals des Justizministeriums zu speichern.
Der Abgeordnete Breyer setzte danach die Segel, um die Speicherung seiner IP-Adresse bei Nutzung aller Internetportale des Bundes zu unterbinden.
Für Breyer geht es vor allem darum, dass das Surfverhalten von Internetnutzer Privatsache bleibt:
“Ich kämpfe dafür, dass rechtstreue Internetnutzer nicht aufgezeichnet werden und anonym surfen dürfen”.
Und weiter erklärt er:
„Meine persönlichen Interessen, Einstellungen, Probleme und Vorlieben gehen niemanden etwas an. Surfprotokolle [gemeint sind sog. „Logfiles“] können jeden, bis hin zum höchsten Amtsträger, erpressbar machen. Auch für eine vermeintlich kurze Dauer, wie beispielsweise sieben Tage, wäre es inakzeptabel, das Surfverhalten der gesamten Bevölkerung – also von Nutzern, die mit Angriffen nicht das Entfernteste zu tun haben – flächendeckend aufzuzeichnen. Das Risiko von Datenklau, Datenverlust oder Datenmissbrauch ist zu hoch”.
EuGH gibt Kompass – IP-Adresse mit Personenbezug
Nachdem das Amtsgericht Tiergarten seine Klage noch als unzulässig abgewiesen hatte, konnte Breyer vor dem Landgericht Berlin einen ersten Teilerfolg erreichen. Das Landgericht Berlin hatte etwa festgehalten, dass selbst dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG sein können.
Da die Klage vor dem Landgericht Berlin (nur) teilweise Erfolg hatte, wandten sich Breyer und die Bundesrepublik Deutschland bereits im Jahr 2013 an den BGH.
Dieser legte die Sache dem Europäischen Gerichtshof vor, der mit seinem Urteil vom 10.10.2016 (C-582/14) insbesondere die Frage geklärt hatte, dass eine IP-Adressen personenbezogen sein kann, selbst wenn nur ein Dritter über das erforderliche Zusatzwissen zur Identifizierung des Betroffenen verfügt.
Gleichzeitig hielt der EuGH fest, dass es ein „berechtigtes Interesse“ zur Speicherung einer IP-Adresse geben müsse und insofern eine Abwägung der im konkreten Einzelfall einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen notwendig ist.
Einzelheiten zu diesem Rechtsfall finden Sie hier.
Land in Sicht oder Schiffsbruch?
Seit heute wird das Verfahren vor dem BGH fortgesetzt und weiter die Frage geklärt, ob Breyer etwa einen Anspruch auf Unterlassung nach §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, § 44 Abs. 1 BDSG, § 12 TMG hat.
Nachdem der EuGH entschieden hatte, dass „ein berechtigtes Interesse“ auch dann vorliegen kann, wenn IP-Adressen zur Abwehr von Hacker-Angriffen gespeichert werden, vermuten manche Experten, dass die Klage vor dem BGH keinen Erfolg haben wird. Die Entscheidung des EuGH deckt sich in diesem Punkt nämlich auch mit der Argumentation der beklagten Bundesrepublik Deutschland.
Breyer zeigt sich gleichwohl von Anfang an kämpferisch, sodass letztlich die Entscheidung abzuwarten bleibt:
„Mit meiner Klage fordere ich das Recht der Generation Internet ein, uns im Netz ebenso unbeobachtet und unbefangen informieren zu können, wie es unsere Eltern aus Zeitung, Radio oder Büchern konnten“.