Wenn eine betroffene Person ihr Recht auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO ausübt, muss der Verantwortliche über alle Daten, die über die betroffene Person vorliegen, Auskunft erteilen. Dass hiervon auch vorher anderweitig an die betroffene Person mitgeteilte Informationen erfasst sein können, hat das LG Bonn in einem kürzlich ergangenen Hinweisbeschluss klargestellt.
Der Inhalt im Überblick
Das Auskunftsrecht
Unter den Betroffenenrechten ist das Auskunftsrecht eines der am häufigsten genutzten. Es braucht keinen besonderen Grund, um als betroffene Person Auskunft von einem Verantwortlichen zu verlangen. Denn um ggf. weitere Rechte ausüben zu können, ist es oftmals notwendig in Erfahrung zu bringen, welche Daten beim Verantwortlichen liegen.
Für Verantwortliche hingegen stellt sich die Frage, was vom Auskunftsanspruch konkret erfasst ist. Welche Auskünfte müssen an die betroffene Person erteilt werden? Hierbei gibt es noch immer Auslegungsfragen, von denen einen Position, durch den Hinweisbeschluss des LG Bonn (Az.: 9 O 158/21), neuen Rückenwind bekommt.
Der Beschluss des Landgericht Bonn
In der Sache geht es darum, dass eine Klägerin Auskunft hinsichtlich ihrer Daten bei einer Krankenversicherung verlangt hatte. Die Krankenversicherung hatte Auskunft erteilt, dies aber nach Ansicht des Gerichts nicht vollständig.
Es fehlten insbesondere die Auskünfte zu:
„Die Abrechnung betreffenden personenbezogenen Daten der Klägerin (Krankenversicherungsdaten, Rechnungen, Zahlungen und Zahlungsdaten) im Sinne der DSGVO.“
Nach Ansicht des LG Bonn gilt zudem:
„Schreiben der Klägerin an die Beklagten und umgekehrt sind grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten gemäß Art. 4 Nr. 1 DS-GVO anzusehen.“
Die Beklagte hatte hinsichtlich der Schreiben an die Klägerin vorgetragen, dass diese der Klägerin bereits bekannt und deswegen nicht vom Auskunftsrecht erfasst seien.
Dem erteilt das Gericht eine Absage:
„Dass die Schreiben und Rechnungen der Klägerin bereits bekannt sind, schließt für sich genommen den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus.“
Somit ist der Auskunftsanspruch nach Ansicht des LG Bonn nicht vollumfänglich erfüllt.
Bei der Entscheidung handelt es sich nur um einen Hinweisbeschluss. Im konkreten Fall steht den Parteien noch die Möglichkeit offen, weiteren Sachverhalt vorzutragen. Die Aussagen zum Umfang des Auskunftsanspruchs durch das LG Bonn sind aber darüber hinaus interessant.
Position des BGH beim Auskunftsanspruch
Zwar bezieht sich der Beschluss nicht explizit auf das Urteil des BGH zum Auskunftsanspruch vom 15. Juni 2021, aber in seiner Begründung ähnelt er diesem. In dem Urteil stellte der BGH fest, dass der Auskunftsanspruch auch Informationen aus der bisherigen Korrespondenz und interne Vermerke über einen Kunden umfassen kann. Die Position des LG Bonn ist hier also nicht gänzlich neu, sondern stützt sich auf eine bereits an anderer Stelle vorgetragene Auslegung.
LG Bonn: Bedeutung für den Auskunftsanspruch
Dennoch sind zwei Punkte aus dem Beschluss interessant. Zunächst wird davon ausgegangen, dass die Korrespondenz mit einer betroffenen Person, vollumfänglich als personenbezogenes Datum zu werten sei. Das heißt: Über diesen Umweg der Datenauskunft könnten Betroffene recht umfangreich eigene, verlorene Unterlagen erlangen, was Möglichkeiten weit über den Datenschutz hinaus eröffnet. Wenn bei Vertragspartnern über den Auskunftsanspruch Kopien der gesamten bisherigen Korrespondenz angefordert werden können, könnte dies sehr weitreichende Auswirkungen auf beweiserhebliche Unterlagen in diversen rechtlichen Kontexten haben.
Das auch die Tatsache, dass die Klägerin die Schreiben schon kannte, den Auskunftsanspruch nicht ausschließt, ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Denn nur so macht ein Auskunftsanspruch hinsichtlich bisheriger Korrespondenz überhaupt Sinn. Da die Korrespondenz mit der betroffenen Person eigentlich zwingend dieser schon bekannt sein muss, wäre ansonsten ein späterer Auskunftsanspruch – der auch einen Anspruch auf eine Kopie beinhaltet – sinnlos.
Der Beschluss unterstützt und erweitert die Auslegung des BGH. Der BGH hatte nicht konkret festgelegt, welche Unterlagen Teil des Auskunftsanspruchs sind, sondern eher abstrakt bestimmt, dass Korrespondenz, die personenbezogene Daten betrifft oder enthält, davon erfasst sei. Das LG Bonn hingegen stellt explizit fest, dass die komplette Korrespondenz mit einem Kunden als personenbezogene Daten angesehen wird. Dies sollten Unternehmen beachten, die als Verantwortliche für Auskünfte nach Art. 15 DSGVO in Anspruch genommen werden. Hier ist bereits bei der ersten Auskunft an die betroffene Person auch an die Korrespondenz zu denken. Sollten Kopien der Daten angefordert werden, so sind insofern auch Kopien vorzuhalten.
Das LG Bonn sah, ebenso wie der BGH, keine Notwendigkeit, diese Frage an den EuGH vorzulegen. Es ist theoretisch möglich, dass eine Entscheidung durch den EuGH früher oder später noch neue Impulse in diese Auslegungsdebatte bringt. Ob des nicht endgültig ausdefinierten Umfangs des Auskunftsanspruchs ist dennoch anzuraten, zur Sicherheit die entsprechenden Unterlagen vorzuhalten.
Wir müssen endlich aufhören, den Datenschutz-Auskunftsanspruch für Fälle zu mißbrauchen, wo Leute nur ihre Unterlagen verschlampt haben oder sich Vorteile im Rechtsstreit versprechen. Ich würde die Auskunft ablehnen und sagen, ich habe nichts. Zur Not würde ich alles Löschen. Da soll doch erstmal einer kommen von den Juristen und mir nachweisen, dass da mal was gewesen ist. Schlimm, dass immer gleich alle gut gemeinten Dinge nur für eigenen Egoismus ausgenutzt werden. Ist wohl leider heutzutage so …
Vielen Dank für den Artikel
Was ist denn mit dem Urteil (29.08.2022), welches ich gefunden habe zu diesem Sachverhalt. Wird da nicht genau das Gegenteil gesagt?
Leider kann ich nicht sehen, auf welches Urteil Sie sich beziehen.
Die meisten Urteile in diesen Fällen werden durch untere Gerichte gefällt, also Amtsgerichte oder Landgerichte. Diese sind zwar angehalten, der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu folgen, um eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten. Es steht den Richter*innen aber immer frei, eine andere Ansicht zu vertreten und entsprechend anders zu urteilen, denn Richter*innen sind im Sinne einer funktionierenden Gewaltenteilung frei in ihren Entscheidungen. Zudem spielen die Besonderheiten des Einzelfalls immer eine Rolle. Entscheidende Details können anders sein, auch wenn andere Parameter eines Falls ähnlich aussehen.