Die Bundesregierung hat am gestrigen Mittwoch einen Gesetzesentwurf zum Betrieb öffentlicher WLAN-Hotspots verabschiedet. Mit der Neufassung des Telemediengesetzes will die Regierung die Ausweitung von WLAN-Hotsports voranbringen.
Der Inhalt im Überblick
Deutschland hinkt hinterher
Derzeit hinkt Deutschland als eine der führenden Industrienationen bei der Verbreitung von öffentlichen WLAN-Hotspots im europäischen und internationalen Vergleich hinterher. Laut einer Studie des Branchenverbandes eco kamen in Deutschland im Jahr 2014 auf 10.000 Einwohner gerade einmal 1,87 öffentlich zugängliche Hotspots. Im Vergleich dazu betrug die Anzahl in den USA 4,79, in Großbritannien 28,67 und in Frankreich 5,38.
„Das Internet ist unverzichtbar und Wachstumstreiber“
Die flächendeckende Versorgung der Republik mit Internetzugängen ist für das gegenwärtige Informationszeitalter unerlässlich. Dies sieht auch die Bundesregierung so, zumindest findet man dazu im aktuellen Koalitionsvertrag folgende Aussage:
„Das Internet und die digitalen Technologien sind heute unverzichtbar und Wachstumstreiber für unser Land. Damit jeder in unserem Land die Vorteile des schnellen Internets nutzen kann, wollen wir es bis 2018 flächendeckend in allen Teilen unseres Landes verfügbar machen. Netzneutralität sichern wir. In den Städten wollen wir außerdem die Voraussetzungen für kostenlose WLAN-Angebote schaffen. Wir wollen die Chancen auf Innovation, Fortschritt und neue Beschäftigung nutzen und Deutschland zum führenden digitalen Standort in Europa ausbauen.“
Problem Störerhaftung
Das große Problem bei der Verbreitung ist bislang die Störerhaftung. Der BGH hat 2004 die Störerhaftung definiert. Danach haftet als Störer „derjenige, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt und kann als Störer für eine Schutzrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist.“
Dies bedeutet in der Praxis, dass beispielsweise ein Hotel oder Café, welches für seine Gäste kostenlos WLAN anbieten möchte, für die von seinen Gästen begangenen Rechtsverletzungen, wie z.B. ein Herunterladen von urheberrechtlich geschütztem Material dafür in Anspruch genommen werden kann. Dies führte dazu, dass viele von diesem Vorhaben entweder direkt Abstand genommen haben oder um sich rechtlich abzusichern, mitunter aufwendige Anmeldeprozeduren eingeführt haben.
Ausweg angemessene Sicherung?
Diesem versucht die Bundesregierung nun entgegenzutreten. Sie betont, dass die Gesetzesänderung klar stelle, dass sich Diensteanbieter auf das sogenannte Haftungsprivileg berufen könne. Dies würde dazu führen, dass ein Diensteanbieter für Rechtsverletzung anderer sich nicht schadensersatzpflichtig oder strafbar machen würde. Diese könnten dann nicht mehr als Störer auf Beseitigung in Anspruch genommen werden,
- sofern dieser sein WLAN angemessen gegen den unberechtigten Zugriff sichern würde und
- ferner die Zusicherung des Kunden einhole, dass von diesem keine Rechtsverletzungen ausgehen werden.
Hostprovider, also Online-Plattformen, die Inhalte für ihre Nutzer speichern, würden sich hingegen nicht auf das Haftungsprivileg berufen können, wenn das Geschäftsmodell überwiegend in der Verletzung von Urheberrechten bestehe.
Kritik hält an
Nachdem der erste Entwurf (auch an dieser Stelle) bereits viel Kritik erfahren hat, ist der nunmehr beschlossene Gesetzesentwurf nahezu unverändert. So überrascht es wenig, dass die Kritik nicht abreißt.
Der Digitalverband Bitkom kritisiert dabei die technischen Voraussetzungen für das Haftungsprivileg und führt aus, dass Betreiber öffentlicher Hotspots in der Folge an jeden Nutzer Zugangscodes vergeben müsse. „Es sollte ausreichen, dass Nutzer die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des öffentlichen WLANs bestätigen“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.
Der Branchenverband eco sieht ebenfalls Probleme hinsichtlich der angemessen Sicherungsmaßnahmen und befürchtet, dass Anmelde- und Registrierungsprozesse erforderlich werden, die den Zugang zu öffentlichen WLAN-Diensten verkomplizieren und neue Rechtsunsicherheit schaffen könnten.
Mit Unbehagen sehen beide Verbände insbesondere auch die geplante Haftungsverschärfung für Hostprovider. Hiervon wäre auch Anbieter von Cloud-Diensten betroffen und mitunter auch soziale Netzwerke betroffen, welche bisher nicht für illegale Inhalte nicht haften mussten. Der im neuen § 10 TMG eingeführte Begriff der „gefahrgeneigten Tätigkeit“ ändere dies. Dieses Kriterium ist aus Sicht der BitKom zu schwammig formuliert und führe in der Praxis für legale Hostprovider zu einem großen Aufwand beim Nachweis, nicht illegal zu handeln.
Da überrascht es dann auch nicht, dass ein Rechtsgutachten zum Ergebnis kommt, die Regelung sei nicht mit EU-Recht vereinbar.
„noch Änderungsbedarf“
Kritik kommt aber nicht nur von den Verbänden, auch regierungsintern gibt es kritische Stimmen. So sieht der SPD-Abgeordnete Lars Klingbeil beim aktuellen Gesetzvorschlag „an einigen Stellen noch Änderungsbedarf, um das Ziel, mehr freies WLAN in Deutschland, tatsächlich zu erreichen“. Und auch Thomas Jarzombek (CDU), der den Gesetzesentwurf insgesamt als großen Fortschritt im Vergleich zum ersten Entwurf sieht, fordert Nachbesserungen im Bundestag. „Wir dürfen den Anbietern nicht durch bürokratische Hürden die so dringend benötigte Innovation bei der Bereitstellung von WLAN erschweren“.
Ausblick
Auch nach Durchsicht des Gesetzesentwurfs kann nicht klar gesagt werden, welche Voraussetzungen ein öffentlicher WLAN-Hotspot erfüllen muss, um einer möglichen Haftung zu entgehen. Ob dieser Entwurf noch Änderungen erfahren wird ist leider fraglich. Der Bundesrat ist nicht zustimmungspflichtig, das Passieren des Bundestages genügt und so deutet leider vieles auf eine vergebene Chance, mit einem neu gefassten Telemediengesetz die Ausweitung von öffentlichen WLAN-Hotspots durch eine praktikable Lösung zu fördern.
Machen wir uns nichts vor. Dieses Vorhaben der Regierung ist nur Schaufensterpolitik ohne Substanz, um sich in Hochglanz auf die Schulter klopfen zu können. „Seht her, bei uns gibt es WLAN für alle!“
Die Datenfresser aus dem kriminellen Milieu wird es freuen, wenn Nutzer überall in windigen Hotels, Cafés und anderen Etablissements ihre Registrierungs- und Anmeldedaten hinterlassen (müssen).
@ Dr.Datenschutz:
Gibt es auch eine Störerhaftung für Messerhersteller? Als Hersteller gefahrgeneigter Produkte wäre es doch unverantwortlich, wenn Messerhersteller und -händler ohne jede Registrierung und Überwachung Messer an beliebige anonyme Personen verkaufen würden, oder?
Nimmt die Messerindustrie nicht geradezu in Kauf, dass Kriminelle mit ihren Messern unschuldige Menschen bedrohen, ausrauben, verletzen und sogar töten?